Bielefeld. Während in Politik und Wirtschaft intensiv über eine gesetzlich geregelte Frauenquote diskutiert wird, legen Malermeisterin Annette Wolf und Druckformhersteller-Meisterin Inken Beckmann derweil tagtäglich Hand an. Frauen im Handwerk? Die beiden selbstständigen Damen beweisen, dass geschlechtsspezifische Vorurteile von vorgestern längst ausgedient haben.
"Ich bin ja erblich vorbelastet", sagt Wolf und lacht. Ihr Vater führte lange einen Malerbetrieb in Steinhagen, den ihr Bruder übernahm. Die 47-Jährige besuchte die Meisterschule und ist seit mittlerweile 20 Jahren selbstständig. "Ich konnte mir nicht vorstellen, mein Leben lang Gesellin zu bleiben", sagt sie. "Als Selbstständige bin ich freier, habe aber auch mehr Verantwortung." Wolf hat eine Angestellte und beschäftigt eine 400-Euro-Kraft. Bisher hat sie drei Malerinnen ausgebildet. Viele Frauen bewerben sich bei ihr. Wolf: "Das finde ich auch ganz gut."
Mit geschlechtsspezifischen Vorurteilen hat die Malermeisterin nicht zu kämpfen. "Kunden unterstellen einem höchstens, dass man besonders sauber arbeitet – und sie werden selten enttäuscht." Wolf hat größtenteils Privatkunden. So trifft sie selten auf Großbaustellen auf Kollegen anderer Gewerke und auf potenzielle Männer mit Vorurteilen gegenüber einer Handwerkerin. "Ich bin relativ durchsetzungsfähig", sagt Wolf. Der ein oder andere Handwerker habe sich schon darüber gewundert, "dass ich konkrete Vorstellungen habe". Im Notfall mache sie eine klare Ansage.
Spätestens dann sind die Fronten geklärt. Unterschiede zwischen Mann und Frau im Handwerk sieht die Malermeisterin nicht. Und doch hat sie das Gefühl, dass sie sich manchmal besonders viel Mühe geben muss. "Frauen wird weniger verziehen", sagt sie.
Ihre Arbeit ist abwechslungsreich und körperlich sehr anstrengend. "Wenn man einen 25-Kilo-Eimer in den dritten Stock tragen muss, wünscht man sich dann schon mal einen Aufzug." Allerdings sagt Wolf, sie sei weniger gefährdet, einen Bandscheibenvorfall zu erleiden, als jemand mit einem Bürojob. Sie fühlt sich belastbar und fit.
Inken Beckmann plante, einen Ingenieurs-Studiengang zu absolvieren, doch stolpertesie vor zehn Jahren in die Selbstständigkeit. Die Druckformhersteller-Meisterin übernahm die Druckerei Matz, das Unternehmen ihres verstorbenen Vaters. "Ich fühle mich voll integriert und habe nie das Gefühl gehabt, nicht vollwertig zu sein", sagt die 44-Jährige.
In ihrem Betrieb herrsche ein gutes Klima und auch im Umgang mit ihren Kunden spielen geschlechtsspezifische Unterschiede keine Rolle. "Wenn man ruhig mit Menschen spricht, dann klappt es. Doch das ist bei Männern ja nicht anders", sagt sie.
Viel mehr als mit Vorurteilen von Männern hat Beckmann mit den Veränderungen in ihrer Berufssparte zu kämpfen. "Kein Gewerbe hat sich so schnell technisch geändert wie die Druckindustrie", sagt sie. Der Digitaldruck ist im Vormarsch und Internet-Druckereien entwickeln sich zu Konkurrenten.
Einzig: "Frauen an sich haben das Problem, dass sie alles unter einen Hut bringen müssen", erklärt die Mutter von zwei Kindern im Alter von 9 und 13 Jahren. Doch Beckmanns Ehemann Thomas arbeitet mit im Betrieb, so dass sie Privates und Berufliches vereinen kann.
Die gelernte Druckform-Herstellerin hat sogar noch Zeit, Kinderbücher zu schreiben. Spontane Gute-Nacht-Geschichten, die sie ihren Kindern erzählte, bringt Beckmann seit 2004 zu Papier. Die befreundete Grafikerin Petra Gorholt illustriert die Erzählungen, die in der Druckerei zu kaufen sind.