Bielefeld. Witali und Wladimir Klitschko werden ihre Titel wohl aus Altersschwäche niederlegen müssen. Die boxenden Brüder aus der Ukraine suchen nun schon seit Jahren nach ernst zu nehmender Konkurrenz im Schwergewicht. Selbst angeschlagen vermochte Witali Klitschko jüngst gegen Ring-Rüpel Derek Chisora eindeutig zu gewinnen. "Ich sehe niemanden, der sie schlagen kann", sagt der frühere Halbschwergewichts-Weltmeister Graciano Rocchigiani.
Auch Axel Schulz, 1999 gegen Wladimir Klitschko schwer K.o. gegangen, beklagt die Langeweile in der Königsklasse. "Große Kämpfe, wie die von Lennox Lewis, Evander Holyfield oder Mike Tyson gibt es nicht mehr."
Schulz sieht aktuell keinen deutschen Schwergewichtler, der in der Weltspitze mitboxen könnte. Wenn das Marco Huck zu Ohren kommt. Der in Bielefeld aufgewachsene WBO-Cruisergewichts-Champ will es am Samstag (22.45 Uhr/live in der ARD) allen beweisen und mit einem Sieg über Alexander Powetkin erster deutscher Schwergewichts-Weltmeister nach Max Schmeling werden. "Das ist ein Traum von mir. Es wäre eine Riesenehre, in einem Atemzug mit dieser Legende genannt zu werden", sagt Huck. Powetkin ist für ihn nur eine Durchgangsstation. Huck will die Klitschkos. Am besten gleich. "Ich weiß, dass ich sie schlagen würde."
Trainer ist skeptisch
So forsch wie der 27-Jährige seine Gegner mit Schlagserien in die Knie zu zwingen sucht, so offensiv gibt er sich auch verbal. Im Cruisergewicht habe er doch alles aufgemischt, meint Huck, der jetzt " eine sportliche Herausforderung sucht". Schön gesagt, aber den Beweis, dass er das Cruisergewicht beherrscht hat, ist Huck schuldig geblieben. Beim Sieg in seinem letzten Pflichtkampf gegen Denis Lebedew hatte er bestenfalls ein Unentschieden verdient. Und ob er seine Stall-Gefährten Yoan Pablo Hernandez und Steve Cunningham tatsächlich dominieren würde, scheint fraglich.
Ulli Wegner weiß, dass sein Schützling "hauen kann", aber auf einen Sieg gegen Powetkin dürfte er nicht Haus und Hof verwetten. "Ich bin ganz ehrlich, es wird sehr schwer", sagt der Cheftrainer des Sauerland-Stalls. Wegner ärgert sich darüber, dass sein Schützling "manchmal Sachen sagt, bei denen man merkt, dass er die Dinge nicht immer realistisch einschätzt". Während Huck schwadroniert, "dass er Geschichte schreiben kann", blickt Wegner skeptisch drein.
Den Wechsel ins Schwergewicht, mit dem Huck seinen Arbeitgeber überrumpelte, hat Wegner zähneknirschend akzeptiert. Hucks Management sieht das Unternehmen Schwergewicht pragmatisch: "Viele haben sich gewundert, dass wir zwei unserer Besten gegeneinander stellen. Aber wir haben die Verpflichtung, großes Boxen zu präsentieren", sagt Kalle Sauerland, Sohn von Promoter Wilfried Sauerland, und kündigt den "spannendsten und ausgeglichensten Kampf seit Jahren" an.
Quotenbringer erhofft
Damit dürfte er Recht haben, und für die ARD, die lange mit sich gerungen hat, ehe sie den Vertrag mit Sauerland-Event verlängerte, sollte Huck gegen Powetkin der erhoffte Quotenbringer werden. Spannend wirds bestimmt. Ausgeglichen wohl auch. Trotz optimaler Referenzen als Amateur (Weltmeister und Olympiasieger) ist Powetkin für Huck schlagbar.
Gelegentlich wirkt der Russe phlegmatisch. "Der Weg kann nur über die Schnelligkeit führen. Da hat Marco klare Vorteile", meint Ulli Wegner. Powetkin punktet derweil mit Vorteilen in den Bereichen Technik und Taktik. Wer auch immer gewinnt, als Weltmeister darf sich der Sieger nicht fühlen. Nur weil die WBA Wladimir Klitschko gewinnbringend zum Superchampion befördert hat, darf sich Powetkin Weltmeister nennen.
Marco Huck sollte gut abwägen, ob er sich im Falle eines Sieges offensiv als Nachfolger von Max Schmeling vorstellen sollte. Der war 1930 wahrhaftig Weltmeister aller Klassen, denn es gab nur einen Weltverband, nicht wie heute vier.