Bielefeld. Das Problem Sucht betrifft alle Altersgruppen. Die Jugendlichen ab 12 Jahren und die Generation 60 plus. Das betonten Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Suchthilfe am Wochenende am Rande ihrer Jahrestagung im Lindenhof in Bethel. Das Motto der Tagung lautete: "Wie klappt es mit dem Bielefelder Suchthilfesystem?"
Die Antwort fällt positiv aus. Das Bielefelder System sei über 25 Jahre gewachsen, sagt Dr. Theo Wessel vom Gesamtverband der Suchtkrankenhilfe in Berlin. "Wir sind stolz und zufrieden," ergänzt Ursula Löllmann, Geschäftsführerin der Arbeitergemeinschaft Suchthilfe Bielefeld. Rund 60 Organisationen gehören dem Netzwerk inzwischen an.
Die Suchthilfe werde immer individueller und vielschichtiger. Außerdem sei es wichtig, eine übergreifende Sichtweise einzunehmen.
"Die Trennung der Süchte ist von gestern", betont Wiebke Schneider, Geschäftsführerin der Guttempler in Deutschland. Heute könne man nicht schematisch nach Alkohol, Tablettensucht, Spielsucht oder illegalen Drogen therapieren. Schneider: "Die Mehrfachabhängigkeit nimmt drastisch zu."
Natürlich sei das Komatrinken der Jugendlichen, die oft nicht älter seien als 12, 13 oder 14 Jahre ein großes Problem. Darüber aber dürfe man nicht die Älteren vergessen, sagt Wiebke Schneider. In der Generation 60 plus nehme die Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit zu. Diese Menschen fielen oft nach dem Ausscheiden aus dem Beruf oder wegen eines privaten Schicksalsschlages in der tiefes Loch. In dieser Altersgruppe sei der stärkste Zuwachs an Abhängigkeiten zu verzeichnen. Auch wenn die Gruppe völlig abstinent gelebt habe.
Dabei würden die Älteren den Jugendlichen oft als schlechte Vorbilder dienen. In der Bundesrepublik haben rund 11,3 Millionen Menschen Alkoholprobleme, so Schneider. Rund 2 Millionen seien von Medikamenten abhängig und rund 250.000 Menschen hätten Probleme mit illegalen Drogen wie Haschisch, Marihuana, Heroin, Kokain oder Ecstasy.
Für Bielefeld nennt Daniel Müller von Gilead IV rund 13.000 Alkoholiker und rund 5.000 Medikamentenabhängige. Wichtig bei der Suchthilfe sei, dass sich Helfer und Patienten auf Augenhöhe begegneten. Bielefeld sei ein gutes Beispiel dafür, wie die freie und ehrenamtliche Suchthilfe mit den professionellen Angeboten vernetzt werde. Wichtig bei der Therapie sei es, erkennbare Ziele zu setzen. Das könne ein Praktikum sein, die Wiedererlangung des Führerscheins oder ein Tanzkurs.
Es gehe darum, dem Tag eine Struktur zu geben. Außerdem müsse der Grundsatz herrschen "Arbeit vor Therapie" (Daniel Müller), denn elf Prozent der Hartz IV-Empfänger hätten einen Suchtbefund.