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Professor Joachim Bahndorf produziert riesige Seifenblasen, mit denen er erklärt, warum Stadien wie die Allianz-Arena in München entstehen können. Bahndorf liefert die Berechnungen für diese ungewöhnlichen Bauwerke. - © FOTO: ANDREAS ZOBE
Professor Joachim Bahndorf produziert riesige Seifenblasen, mit denen er erklärt, warum Stadien wie die Allianz-Arena in München entstehen können. Bahndorf liefert die Berechnungen für diese ungewöhnlichen Bauwerke. | © FOTO: ANDREAS ZOBE

BIELEFELD Der mit der Seifenblase

GENIALE Wissenschaft (1): Joachim Bahndorf ist Experte für Stadion- und Zeltbau

VON ANSGAR MÖNTER
17.08.2011

Bielefeld. Am Anfang war die Seifenblase. Die Seifenblase ist die Basis für das Olympiastadion in München. Und für die Allianz-Arena in der selben Stadt. Und für so manches Spaßbad im Land, Sport-Stadion irgendwo auf der Welt oder Zelt in der Wüste. Einer hat dabei fast immer seine Finger – oder besser seine Gehirnzellen – im Spiel: Dr. Joachim Bahndorf, Professor der Fachhochschule Bielefeld. Warum das so ist, erklärt er bei der "GENIALE" ab 26. August.


Bahndorfs Vorlesungen beginnen immer mit einem alten Kinderspiel: Seifenblasen machen. Das macht nicht nur Spaß, es hat auch einen tieferen Sinn. Es geht darum zu verstehen, wie leichte und ungewöhnliche Bauten entstehen können.

Und die Methode liegt im wörtlichen Sinne nahe. Der Professor ist gebürtiger Schwabe. Er ist in der Nachbarschaft der Firma Pustefix aufgewachsen. Die ist Marktführerin in Sachen Seifenblasen. Fast jedes Kind in Deutschland hat mal eines der bläulichen Röhrchen mit dem Bären drauf in der Hand gehalten, den Blasring aus der Flüssigkeit herausgezogen, hineingeblasen und die vielen bunten Seifenblasen bewundert. Professor Bahndorf bestellt sich die Flüssigkeit der Firma kanisterweise. Er kauft sich ein paar billige Federballschläger, entfernt die Bespannung – fertig ist seine Pustefix-Version XXL.

"Das Gute ist, dass bei der Seifenblasen-Produktion immer ebene Flächen entstehen, die minimale Kräfte enthalten", erklärt er. Wer die Eigenschaften dieser hauchdünnen Häutchen verstehe, kann Großes leisten. "Seifenblasen waren tatsächlich die Basis für das Dach des Münchener Olympiastadion", sagt er. Damals wurde mit diesem Trick das Prinzip der Konstruktion erprobt, berechnet und nachgebaut. "Eigentlich könnte man das heute alles am Computer machen, aber wenn man Seifenblasen selbst macht, sie sieht und fühlt, kann man es besser verstehen", erläutert der Ingenieur für Verkehrsbau und Vermessungswesen.

Das Faszinierende an der von Bahndorf berechneten Technik-Methode ist: Es werden vergleichsweise wenige und leichte Materialien benötigt, um imposante und voll funktionsfähige Bauwerke entstehen zu lassen.

Die Allianz-Arena in München ist ein Beispiel der jüngeren Geschichte. Die 2.800 Luftkissen der Außenfassade sind Produkt seiner Statik-Berechnungen. An allen neu entstandenen WM-2006-Stadien in Deutschland war Bahndorf beteiligt, ebenso an einigen in Südafrika. Seine Fähigkeiten sind auch in Polen und Ukraine für die EM 2012 gefragt.

Eines seiner ersten Werke war die Überdachung des Olympiastadions im kanadischen Montreal 1986. Zusammen mit einem anderen Wissenschaftler gründete Bahndorf damals eine Firma. "Wir habe mittlerweile 400 Lizenzen weltweit im Einsatz", sagt er. Darunter auch so skurrile Aufträge wie des saudi-arabischen Königs, der für die Pilger in Mekka feuerfeste und dauertaugliche Zelte bestellte: 40.000 für rund 700 Millionen Euro.

Bahndorf, auch Experte für Straßenbau und Bahnverkehr, ist einer, der begeistert ist von seinem Fach – und der diese an seine Studenten weiter gibt. Bei ihm soll Wissenschaft praktisch, spannend und zum Staunen sein. In dem 54-Jährigen steckt das neugierige Kind. Immer noch. In seiner schwäbischen Heimat hatten alle Häuser Werkstätten. Dort hat er als Junge mit seinem Freund gebastelt. "Mofas frisiert", sagt er lachend. Es hat Spaß gemacht und war prägend für’s Leben der Buben: Sein Freund ist heute in leitenden Funktion bei Ford. Und er der Professor der gigantischen Leichtbauten – und großen Seifenblasen.


"Seifenblasen zur Generierung freier Formen: Live-Experimente mit Projektleiter Professor Dr.-Ing. Joachim Bahndorf ist eine Veranstaltung der Fachhochschule Bielefeld, Fachbereich Architektur und Bauingenieurwesen und THW Bielefeld; zu finden auf der Wissensmeile auf dem Altstädter Kirchplatz, Samstag 27. August, 11 bis 18 Uhr; Samstag, 3. September, 11 bis 18 Uhr.


Die Bielefelder "GENIALE"

Nach dem Premieren-Erfolg 2008 gibt es in Bielefeld vom 26. August bis 3. September wieder das Science-Festival "GENIALE", veranstaltet von der Bielefeld Marketing GmbH. Straßen und Plätze der Stadt werden zu Laboren und Hörsälen. Sechs Hochschulen beteiligen sich, über 250 Wissenschaftler präsentieren ihre Forschung dem Publikum. Über 450 Angebote gibt es in der City und den Hochschulen. Die NW stellt einige Höhepunktes des Geniale-Programms in einer kleinen Serie vor. Das gesamte Programm ist unter anderem in der NW-Geschäftsstelle erhältlich. www.geniale-bielefeld.de