BIELEFELD

Der richtige Griff ins Regal

Supermärkte stellen sich auf glutenfreie Produkte ein / Restaurants bieten Gerichte an

Melanie Jakob und ihre Töchter Valerie (links) und Melina schauen, ob die Reiswaffeln aus dem Supermarkt auch tatsächlich glutenfrei sind – ihr Lachen zeigt das Ergebnis an. | © FOTO: ANDREAS ZOBE

14.01.2011 | 14.01.2011, 00:00

Bielefeld. Die Nachfrage ist groß, das Angebot eher gering: Nur wenige Restaurants in Bielefeld bieten ihren Gästen glutenfreie Gerichte an. Dabei vertragen immer weniger Erwachsene und auch Kinder das Protein-Gemisch Gluten. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) listet jetzt Restaurants in Bielefeld auf, die glutenfreie Gerichte servieren.

Valerie (12) war vier Jahre alt, als die Ärzte bei ihr Zöliakie diagnostizierten. "Bis dahin wussten wir nichts über die Krankheit", sagt Mutter Melanie Jakob. Das Mädchen hatte keinen Hunger, war blass und dünn, die Eisenwerte schlecht. Eine Kinderärztin schickte sie zu einer weiteren Untersuchung, bei der die Glu-tenunverträglichkeit festgestellt wurde. "Die Gluten hatten den Dünndarm bereits geschädigt, die Darmzotten waren abgeflacht", erinnert sich Melanie Jakob. Ein Schock für die Familie. "Aber wir haben gelernt, mit der Krankheit umzugehen." Seit der Diagnose vor acht Jahren muss Valerie eine strikt glutenfreie Diät einhalten. Melanie Jakob: "Wir haben die Ernährung komplett umgestellt, was organisatorisch eine Herausforderung war."

Knapp neun Monate nach der Diagnose wurde auch Melanie Jakobs jüngste Tochter Melina (heute 9 Jahre) positiv auf die Glutenunverträglichkeit getestet, der so genannten Zöliakie (¦ Hintergrund). "Sie zeigte ähnliche Symptome wie ihre Schwester", sagt Jakob. "Wir haben allerdings nicht damit gerechnet, dass es die gleiche Krankheit ist." Experten wie Sofia Beisel von der Deutschen Zöliakie Gesellschaft wissen aber, dass "Zöliakie genetisch bedingt ist". Und zu Darmkrebs führen kann. Auch Melina hält seit der Diagnose streng Diät. Nicht immer einfach, für die gesamte Familie. Jakob: "Hotelurlaube sind nicht drin, wir müssen immer schauen, woraus genau das Essen der Kinder besteht."

Die beiden Mädchen haben sich mittlerweile an die Krankheit gewöhnt, auch ihre Freunde gehen verständnisvoll damit um. Valerie Jakob: "Auch sie wissen, wie wichtig die Diät für uns ist. Einige Freundinnen mögen sogar meine Spezial-Kekse ganz gerne."
Im Bielefelder Restaurant Sparrenburg hat sich Inhaber Robert Niegisch schon "seit Jahren" auf Gäste mit einer Glutenunverträglichkeit eingestellt. Er ließ sein Restaurant auf die Dehoga-Liste setzten. Niegisch: "Die Nachfrage nach glutenfreien Gerichten ist in den letzten Jahren stark gestiegen." Kommt ein Gast mit einer Glutenunverträglichkeit, kocht Niegisch ihm ein Extra-Gericht. "Auf diese Krankheiten müssen sich Gastronome heute einstellen", sagt er. Ähnlich sieht das Dehoga-Chef Thomas Keitel: "Über kurz oder lang muss sich die Gastronomie anpassen." So bietet auch das "GlückundSeligkeit" glutenfreie Gerichte an. Küchenchef Jörg Kröllf: "Jedes Restaurant, das sich neu etabliert, sollte diese Gerichte im Angebot haben."

Die Supermärkte in Bielefeld haben sich größtenteils schon auf die steigende Zahl solcher Unverträglichkeiten eingestellt: So gibt es in den Marktkauf- und Real-Märkten glutenfreie Produkte. Neben Fertigpizzen haben die Märkte vor allem Getreideprodukte wie Brot speziell für Zöliakie-Erkrankte im Angebot. Leo Lammert, Marktkauf-Geschäftsführer: "Damit wollen wir ganz klar den unterschiedlichen Ansprüchen unserer Kunden gerecht werden, das Sortiment wird auch noch ausgeweitet." Die Real-Märkte gehen einen ähnlichen Weg. Pressesprecher Markus Jablonski: "Wir wollen am Puls der Zeit sein und auf Krankheiten wie Glutenunverträglichkeit mit entsprechenden Produkten reagieren."

Valerie und Melina Jakob finden im Supermarkt mittlerweile alles, worauf sie Hunger haben. Valerie Jakob: "Sogar Brownie-Mischungen und Eiswaffeln gibt es extra für uns."

Restaurants, die glutenfreie Gerichte anbieten, können sich unter Tel. 6 85 74 auf die Dehoga-Liste setzen lassen.