BIELEFELD

Grüße aus Bielefeld

Kitsch oder Kult? Wie Ansichtskarten das Image einer Stadt beeinflussen

So beurteilt Dirk Fütterer die Motive Bielefelder Postkarten. Überholt ist übrigens die Luftbildaufnahme der Schüco-Arena (unten Mitte) vor dem Bau der neuen Tribüne. | © FOTO: ANDREAS ZOBE

10.08.2010 | 10.08.2010, 00:00

Bielefeld. Mal ehrlich, wann haben Sie zuletzt eine Ansichtskarte von Bielefeld verschickt? Bunt, glänzend und mit diesen kleinformatigen Bildern darauf. Sie zeigen das Rathaus, das Theater am Alten Markt, den Leineweber und immer wieder die Sparrenburg. Als ob die Stadt nicht mehr zu bieten hätte.

Klotzige Schriftzüge wie "Bielefeld/Westfalen", "Sennestadt Bielefeld" oder "Grüße aus Bielefeld am Teutoburger Wald" krönen die Ansammlung der Klischees. Der Anblick wirft den Betrachter um 50 Jahre und mehr zurück.

Professor Dirk Fütterer vom FH-Fachbereich Gestaltung sieht das genauso. Der Dozent im Lehrbereich für Typographie und Kommunikationsdesign: "Die Darstellungen wirken wie eine Mischung aus Kurort und Bewerbung eines touristischen Anziehungspunkts – bieder und belanglos." Und transportierten gleichzeitig ein Image, das sich laut Fütterer "leider auf erschreckende Weise mit dem Bielefeld-Bild von Leuten deckt, die die Stadt nicht kennen".

Historische Giebel, eine Burg, ein kleiner Marktplatz und eine Stadthalle – von allem ein bisschen. "Das macht die Stadt aus der Außensicht extrem deutsch", fährt er fort. "Nicht mehr Rothenburg ob der Tauber ist symptomatisch, sondern Bielefeld."

Fütterer hat bei Werbeagenturen in Berlin und New York gearbeitet. Nachdem er vor drei Jahren nach Bielefeld kam, machte er eine interessante Erfahrung: "Dieser Ort ist besser als sein Ruf." Auf der Positivliste des 43-jährigen Familienvaters liegt auf Platz eins der Tierpark Olderdissen: "Ungewöhnlich, dass der Besuch einer solchen Anlage kostenlos ist. Das vermittelt Großzügigkeit."

Fütterers Vorschlag für weitere spannende Motive: "Mal den Blick von oben auf Bielefeld lenken." Dadurch werde die besondere Lage der Stadt deutlich – Bielefeld eine Insel mitten im Grünen. Hier gibt es nach Auffassung des Dozenten Freiraum zum Denken und zum konzentrierten Arbeiten.

Klar, eine Spur Langeweile mag der gebürtige Rheinländer dem ostwestfälischen Oberzentrum nicht absprechen.Doch stehe diese Stadt positiv für Gründlichkeit, Sesshaftigkeit und Ehrlichkeit. Wobei die Postkarten alles andere als Ehrlichkeit vermittelten. "Mit diesen Darstellungen aus Normalo-Perspektive möchte man sich nach außen genauso darstellen wie die anderen Städte auch – getreu der Devise: Bloß nicht negativ auffallen."

Damit landet Fütterer einen Volltreffer. Die Karten, um die es geht, stammen aus dem Schöning-Verlag. Das Lübecker Unternehmen ist nach Aussage seines kaufmännischen Leiters Norbert Gaetsch das einzige, das ganz Deutschland mit Stadtansichten abdeckt: "Wir drucken das, was uns die Fotografen so alles anbieten." Abschließender Kommentar des Kritikers: "Diese Ansichten zeugen von einem fahrlässigen Umgang mit dem Image einer Stadt."

Bielefeld-Marketing-Chef Hans-Rudolf Holtkamp gibt zu: "Die Motive sind nicht ganz taufrisch. Sie geben die Attraktivität der Stadt nicht wieder." Man habe mal eine Serie in Eigenregie aufgelegt, doch: "Dieser Aufwand ist für uns zu hoch."

Als "coole Alternative" zur Kartenserie aus Lübeck bezeichnet Holtkamp authentische 50er-Jahre-Ansichten. Sie stammen aus alten Beständen des früheren Bilderrahmenhandels Busch am Gehrenberg. In der Tourist-Information kaufen vor allem junge Leute Motive wie die Sparrenburg im Grünen und Innenansichten des Burgrestaurants. Sie finden die kultig.

Veraltete Motive - Neue Karten braucht die Stadt

Postkarten gegen Handyfoto, Schneckenpost gegen Twitter und Facebook. Der Schnellste gewinnt? Einspruch.

Ausgefallene und witzige Karten gibt es gerade in diesen Wochen wieder vermehrt an Pinnwänden und Kühlschranktüren zu entdecken. Postkarten sind Imageträger. Das hat sich in Bielefeld offenbar noch nicht herumgesprochen. Bis heute hat man die Chance verpasst, das kreative Potenzial etwa an der Hochschule für diese Zwecke zu nutzen.

Die wenigen E-Cards, die auf der offiziellen Bielefeld-Homepage bereits existieren, hätten ebenfalls ein paar moderne Ergänzungen verdient.

Und Ihre Meinung? Senden Sie eine E-mail an hagen-pekdemir@ihr-kommentar.de oder hinterlassen Sie uns direkt hier Ihren Kommentar.