Bielefeld. Langsamen, unsicheren Schrittes, von seiner Mutter gestützt und von seinem Rechtsanwalt Dr. Holger Rostek begleitet - so betritt der 35-jährige Radenko Radic pünktlich um 9 Uhr den Schwurgerichtssaal des Landgerichts. Der ehemalige Ordner des DSC Arminia Bielefeld vermittelt den zahlreichen Zuhörern den Eindruck eines körperlich und psychisch schwer geschädigten Menschen.
Beim Heimspiel der Arminia gegen den VfL Bochum am 3. Mai 2008 wurde Radic, wie berichtet, in der Schüco-Arena Opfer einer brutalen Attacke dreier Bochumer Fans. Bei den mutmaßlichen Tätern handelt es sich um den 19-jährigen Auszubildenden Thomas D., die 22-jährige Anwaltsgehilfin Janine B., beide aus Bochum, und den Fleischer Daniel H. (21) aus Werl. Vor der III. Großen Jugendstrafkammer des Landgerichts begann am Freitag die Hauptverhandlung gegen die drei jungen Leute.
Staatsanwalt Christoph Zielke wirft Janine B. und Daniel H. gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung vor. Thomas D., der an jenem Tag 19 Jahre alt geworden war, ist wegen einfacher Körperverletzung, zusätzlich wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte angeklagt: Kurz vor Abfahrt des Zuges nach Bochum gegen 18.15 Uhr wollten Polizeibeamte auf dem Bahnsteig die Personalien des randalierenden Angeklagten feststellen. Dem widersetzte er sich, versuchte sogar, einen Polizisten zu schlagen.
Die Anklage geht von folgendem Sachverhalt aus: Die drei Bochumer Fans befanden sich im Gästeblock A 1 inmitten der "Bochum-Ultras", einer als besonders fanatisch und aggressiv geltenden Gruppe von VfL-Anhängern. Kurz vor Anpfiff um 15.30 Uhr zündete Daniel H. eine Rauchbombe. Radic eilte herbei, um den Störer zur Rede zu stellen. Es kam zu einem Wortwechsel, in dessen Verlauf D. dem Ordner einen Faustschlag ins Gesicht versetzte.
Janine B., die ganz in der Nähe auf einem sogenannten Wellenbrecher stand, bekam dies mit und sprang aus etwa 1,50 Meter Höhe "mit den Füßen voran", so die Anklage, in Richtung Radic. Der ging zu Boden, wurde von Daniel H. getreten und am Kopf getroffen.
Zu Prozessbeginn erklärten Thomas D. und Janine B., sich zu den Vorwürfen äußern zu wollen. Daniel H. zog es dagegen vor, zu schweigen. Was dann folgte, waren halbherzige Geständnisse, geprägt von dem Bemühen, das Geschehen herunterzuspielen und zu verharmlosen.
Der Auftritt von Radenko Radic, der sich dem Verfahren als Nebenkläger angeschlossen hat, war nur kurz. Der apathisch wirkende Mann hat keinerlei Erinnerung an das damalige Geschehen. "Ich weiß nur, dass ich da hochgerannt bin mit meinem Kollegen", antwortete er auf die Frage des Vorsitzenden Reinhard Kollmeyer. Mehr war zum Sachverhalt nicht aus ihm herauszukriegen. Nicht einmal an den Grund seines Einschreitens konnte er sich erinnern. Das Gedächtnis setzte erst im Krankenhaus, wo er zwölf Tag im Koma lag, wieder ein.
Die Verletzungen waren gravierend. Radic erlitt Brüche des linken Jochbeins, der rechten Augenhöhle und - beidseitig - des Unterkiefers. Darüber hinaus Blutungen unter der Hirnhaut. Am 5. Mai steht ihm eine Kieferoperation bevor, dann werden die Drähte entfernt.
Sein Mandant leide unter Gehstörungen und Schmerzen, vor allem unter Angstzuständen, sobald er das Haus verlasse, berichtete Rechtsanwalt Rostek. Radic befindet sich nach wie vor in psychiatrischer Behandlung. Verärgert reagierte der Anwalt auf die Behauptung der Verteidiger, dass bei seinem Mandanten eine Vorschädigung vorliege. "Das ist abwegig", erregte sich Rostek.
Unmittelbar nach seiner Zeugenaussage verließ Radic das Gericht wieder. Der Prozess wird am kommenden Montag fortgesetzt.