Entscheidende Sekunden: Wie ein Bielefelder Gastronom einem Gast das Leben rettet

Bielefeld. Leopold Stöbich ist kein Kind von Traurigkeit. Der gebürtige Österreicher trägt sein Herz auf der Zunge, ist nie um einen Witz oder einen fröhlichen Spruch verlegen. Doch was dem 76-Jährigen vor knapp einem Monat in Stieghorst widerfahren ist, verschlägt ihm noch heute die Sprache: Während des Besuchs der traditionsreichen Gaststätte &bdquo;Alt Stieghorst“ erlitt Stöbich einen Herzstillstand. Er überlebte nur, weil der Betreiber der Gaststätte, Halil Oduncu, geistesgegenwärtig reagierte – und so zu seinem Lebensretter wurde. &bdquo;Was hier passiert ist, ist keine Selbstverständlichkeit“, sagt Leopold Stöbich, als er jetzt zum Ort des dramatischen Geschehens zurückgekehrt ist, um seinem &bdquo;Held aus Bielefeld“ persönlich für seinen Einsatz zu danken. Halil Oduncu winkt bescheiden ab. &bdquo;Wir haben dich doch nur gerettet, damit Du wiederkommst“, scherzt der Gastronom – immerhin kennt er Leopold Stöbich schon, seitdem er vor elf Jahren die Gaststätte zusammen mit Vlora Berisha übernommen hat. Stöbich selbst ist sogar noch länger Stammgast in dem Traditionslokal: Obwohl er in Bad Oeynhausen lebt, kehrt er seit Jahrzehnten immer wieder hier ein, wenn er in Bielefeld zu Besuch ist. &bdquo;Ich komme hierher, seit Egon Neuhaus 1972 das &bdquo;Alt Stieghorst“ hier eröffnet hat.“ Ein Besuch in dem Lokal im Ladenzentrum an der Stettiner Straße ist also für ihn eine lieb gewonnene Tradition und fast schon etwas wie Routine. Entsprechend war am 18. Oktober auch alles wie immer, als Leopold Stöbich sein Bielefelder Stammlokal betrat. &bdquo;Es kommt dann immer von ihm ein Spruch – und er bekommt von mir einen zurück“, sagt Oduncu lächelnd. Auch bei der Bestellung der Getränke war noch alles normal. Doch dann kam alles anders. Kein Scherz am Tisch, sondern todernst Stöbich überlegte gerade für sich, ob er lieber das Rumpsteak oder den Fisch nehmen sollte, als er urplötzlich am Tisch in sich zusammensackte. &bdquo;Ich dachte erst, dass er wieder einen seiner Scherze macht“, sagt Gabriele Jakilski, die ihn damals begleitet hatte. Doch spätestens als Leopold Stöbich im Gesicht blau anlief und auf den Boden rutschte, war endgültig klar: Hier machte niemand Witze, hier ging es um Leben und Tod. Leopold Stöbich hatte einen Herzstillstand. &bdquo;Ich war gerade an einem Nachbartisch und habe Bewerbungsgespräche mit möglichen neuen Mitarbeiterinnen gemacht“, sagt Vlora Berisha. &bdquo;Dann habe ich nur den Knall gehört, als er auf den Boden gefallen ist.“ Was dann geschah, dürfte Leopold Stöbich auch heute noch als sein ganz persönliches Wunder begreifen: Denn statt in Schockstarre zu verfallen oder hilflos herumzustehen, reagierten alle Anwesenden fast so, als ob sie eine solche Situation schon häufiger erlebt hätten: Halil Oduncu rief über die 112 einen Notarzt an, Vlora Berisha sorgte dafür, dass sich in dem vollen Lokal keine Traube besorgter oder neugieriger Gäste um den Tisch sammelten. Dann übernahm sie das Telefon und blieb mit dem inzwischen ausgerückten Rettungswagen in Kontakt. &bdquo;Das &bdquo;Alt Stieghorst“ liegt etwas versteckt, das findet man nicht sofort, wenn man sich hier nicht genau auskennt“, sagt Berisha. Sieben Minuten wirken wie eine Ewigkeit Halil Oduncu wiederum stellte sich der Herausforderung und begann mit der Wiederbelebung. &bdquo;Das war alles wie in einem Film“, erinnert er sich an die dramatischen Minuten, die ihm wie eine Ewigkeit vorkamen. &bdquo;Die Ersthelfer waren innerhalb von sechs oder sieben Minuten da, mir kam das vor wie eine halbe Stunde.“ Leopold Stöbich hatte inzwischen das Bewusstsein verloren, weshalb Oduncu mit der Herzdruckmassage begann und ihn auch per Mund-zu-Mund-Beatmung zu reanimieren versuchte. Dabei kniete er sich im wahrsten Sinne des Wortes voll rein: &bdquo;Ich war mit den Händen und den Knien auf seiner Brust und habe mit voller Kraft gedrückt“, sagt der Gastwirt, der in diesem Moment wie auf Automatik lief. &bdquo;Das war eine Situation, das kann man sich nicht ausmalen.“ Mehrfach holte er Leopold Stöbich zurück ins Hier und Jetzt, dreimal sackte er wieder in sich zusammen und wurde ohnmächtig. &bdquo;Wir hatten alle unfassbare Angst, ich habe so was noch nie erlebt“, sagt Gabriele Jakilski. Als dann endlich die professionellen Retter da waren, konnte er endlich stabilisiert werden. &bdquo;Als sie ihn dann mit der Trage zum Krankenwagen brachten, sagte er zu den Sanitätern etwas wie ,Aua, Sie tun mir weh!“, sagt Halil Oduncu. &bdquo;Da wussten wir: Wenn er schon wieder Sprüche klopfen kann, ist er wieder da. Da waren wir alle erleichtert.“ Lesen Sie auch: NRW führt verpflichtende Reanimationskurse an Schulen ein Rippenbrüche sind der Preis fürs Überleben Nach dem Schockmoment wurde im &bdquo;Alt Stieghorst“ tief durchgeatmet und versucht, den Betrieb so normal wie möglich weiterzuführen. Leopold Stöbich wiederum wachte im Krankenhaus auf und wunderte sich, wie er denn hierhergekommen sei. &bdquo;Ich dachte erst, ich wäre hier, um jemand anderen zu besuchen.“ Er war sich dann aber schnell dessen gewahr, wem er es zu verdanken hat, dass er den dramatischen Moment überlebt hat: Halil Oduncu. &bdquo;Er ist seitdem für mich der Held von Bielefeld“, sagt Stöbich. Fast drei Wochen hatte er nach der Herzattacke im Krankenhaus gelegen, unter anderem auch, um die Rippenbrüche auszukurieren, die er durch die Reanimation erhalten hat. &bdquo;Ich bin ihm für jeden Einzelnen dankbar. Denn sonst wäre ich jetzt nicht hier.“ Nach der Visite in Bielefeld tritt Leopold Stöbich eine Reha-Maßnahme an, danach will er auf jeden Fall wieder nach Stieghorst kommen. Nach mehreren Wochen Krankenhauskost ist die gute Küche im Alt Stieghorst sicher höchst willkommen – und es steht schließlich auch noch die Entscheidung aus, ob er nun den Fisch oder das Rumpsteak nimmt. 📱 News direkt aufs Smartphone: Hier finden Sie den kostenlosen Whatsapp-Kanal der NW-Bielefeld

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