„Mr. Ratsgymnasium“ geht: Bielefelder Schulleiter Nolting verabschiedet sich in den Ruhestand

Bielefeld. Das Rats ohne Hans-Joachim Nolting? Für viele noch nicht wirklich vorstellbar. 21 Jahre lang stand er mit besonderer Präsenz und Konsequenz für die Traditionsschule mit besonderem Ruf, längst nicht nur aufgrund seiner Körpergröße von knapp zwei Metern. Mit Ende des Schuljahres geht er in Pension. Fußläufig zu wohnen, so durchaus auch am Wochenende von Eltern oder Schülern auf aktuelle Schulthemen angesprochen zu werden: für Nolting selbstverständlich. Der Beruf: Berufung, &bdquo;sehr sinnbehaftet“- auch wenn nicht immer alles rosig sei. Hitzefrei am Rats: fast unvorstellbar. Nicht nur da vertritt er eine ganz klare Haltung. Genauso zu Freistellung vor Ferientagen oder Handyverbot in der Schule und auf Klassenfahrten. Konsequenz und eine ganz klare, faire Linie mache vieles einfacher, erspare unnötige Diskussionen. Sich auch mal durchzubeißen und etwas auszuhalten, sei ganz wichtig: Davon ist Nolting, selbst Vater zweier erwachsener Kinder, überzeugt. Und Latein als Pflichtfach? Ist das noch zeitgemäß? &bdquo;Unbedingt“, sagt der 65-Jährige, der in Hamburg geboren wurde und in Bielefeld am Helmholtz-Gymnasium Abitur gemacht hat. &bdquo;Da geht es nicht darum, die Sprache zu sprechen: Es will ja nicht jeder Papst werden.“ Vielmehr ums genaue Hingucken und präzises Analysieren, um &bdquo;Erziehung zur Langsamkeit“. Fähigkeiten und Kompetenzen, die in Zeiten von TikTok und Co. immens wichtig seien. Viele Bielefelder Unternehmerfamilien am Rats Die Schule &bdquo;der oberen Zehntausend“, hier regierten Geld und Markenklamotten, für einige komme von Geburt an nichts anderes infrage: Die vielen hartnäckigen Klischees und Vorurteile, die mit dem Ratsgymnasium verbunden werden, kennt Nolting. Für ihn stehe die Schule vor allem dafür, Kindern mit den vielfältigen Schwerpunkten, &bdquo;von Cäsar bis Robotik“, Bildungschancen zu eröffnen. &bdquo;Gerade auch denen, die es nicht so einfach haben.“ Davon gebe es am Rats – unter anderem auch zertifiziert als digitale und Unesco-Projektschule – ganz viele tolle Beispiele. &bdquo;Von den Schülern aus unserer Internationalen Klasse konnte eine große Quote im Anschluss hier bei uns mit dem gymnasialen Bildungsgang weitermachen“, berichtet Nolting, der Mathematik und Theologie studiert hat. Aber, ja, auch viele Unternehmerfamilien aus der Stadt seien am Rats. &bdquo;Wenn sie selbst als Schüler hier gute Erfahrungen gemacht haben, zufrieden waren und dann zur Nachfolge wieder zurück nach Bielefeld kommen, melden sie ihre Kinder oft wieder hier an.“ Die gemeinsamen Zeiten in ihrem Schullandheim auf Langeoog haben für viele eine besondere Bedeutung. &bdquo;Sie schweißen zusammen.“ Noch Jahrzehnte nach dem Abi fahren Ehemaligengruppen regelmäßig hin. In den Jahrgängen fünf und sechs fahren die Klassen für jeweils zwölf Tage nach Langeoog. Und dann noch mal als Achtklässler. Dadurch wachse die Gemeinschaft auf besondere Art zusammen, sagt Nolting. Büro mit Blick auf den Bielefelder Kunsthallenpark Neben den vielfältigen Projekten, die die Schüler in ganz unterschiedlichen Themengebieten inspirierten, förderten und forderten, und der Gebäudeentwicklung der über 450 Jahre alten Schule seien ihm auch die Feierkultur wichtig: Die jährlichen Sommerfeste, Ehemaligentreffen und Ehrungen besonderer Schülerleistungen. Aus der Not heraus habe sich im ersten Coronajahr eine neue Tradition entwickelt. &bdquo;Statt in der Aula feiern wir die Abizeugnisvergabe jetzt immer draußen auf dem festlich geschmückten Schulhof“, berichtet Nolting. Und auch seine offizielle Verabschiedung am Dienstag, 8. Juli, ist dort geplant. Lesen Sie auch: Beeindruckende Architektur in Bielefeld - Blick ins Ratsgymnasium Und wer tritt in seine Fußstapfen? Wer die Schulleitung übernimmt, stehe aktuell tatsächlich wirklich noch nicht fest, berichtet Nolting. Die Stelle war schon ausgeschrieben, &bdquo;Entscheidungen sind noch nicht gefallen“. Aber er habe die Hoffnung, &bdquo;dass sich das schnell klärt, möglicherweise auch passend zum Start des neuen Schuljahres“. Und auch er bleibt der Schule zumindest in den ersten drei Wochen der Sommerferien noch erhalten. Dann werde er &bdquo;ganz in Ruhe“ sein Büro mit Blick auf den Kunsthallenpark aufräumen. Wie er sich fühlt mit Blick auf die neue Lebensphase? Darüber nachzudenken, dafür habe er noch gar keine Zeit gehabt. &bdquo;Aktuell sind wir hier alle noch sehr beschäftigt, so kurz vor den Ferien“, sagt Nolting. Auch besondere Pläne habe er noch gar nicht. Hitzefrei am bisher heißesten Tag des Jahres Die Arbeit und die Kommunikation mit Schülern, Kollegen, Eltern und Behörden, so viele Geschichten von guten Dingen, die gelungen seien: &bdquo;Im Ergebnis habe ich meine Aufgabe hier immer geliebt“, sagt Hans-Joachim Nolting. Der Blick auf das Ratsgymnasium auf dem täglichen Weg zur Arbeit durch den Kunsthallenpark sei für ihn immer mit einem sehr positiven, freudigen Gefühl verbunden gewesen. Eine Überraschung gab es noch in den letzten Tagen der Ära Nolting: Hitzefrei, bei 37 Grad am Mittwoch, dem bisher heißesten Tag des Jahres. Und auch die Schüler haben am letzten Schultag noch etwas Besonderes für &bdquo;den Chef“, wie die Schulsekretärinnen ihn liebevoll nennen, geplant.

Meistgelesen