Ein Kleingarten am Gästeblock: Der Bielefelder Westen an Arminia-Spieltagen

Bielefeld. Vor allem eine der vielen Bielefelder Besonderheiten lässt die Herzen von Fußballromantikern bundesweit höher springen: Nicht wenige Klubs haben ihren Spielbetrieb inzwischen in ein baumarktartiges Betongerippe am Stadtrand ausgelagert. Der DSC spielt hingegen seit einem guten Jahrhundert auf der Alm, mitten im Bielefelder Westen. Der Weg der Fans in Richtung Stadion prägt an Spieltagen das beliebte Stadtviertel. Aber wie ist es, sich die Nachbarschaft jede zweite Woche mit mehr als 20.000 Fans zu teilen, und welche Geschichten entstehen, wenn die schwarz-weiß-blauen Fanscharen regelmäßig am eigenen Vorgarten vorbeimarschieren? Die Vorfreude auf das Spiel ist im Westen jedenfalls Tage vorher spürbar: Die Partie ist immer wieder Thema bei den Leuten, die an diesem sonnigen Vormittag auf dem Wochenmarkt am Siegfriedplatz ihre Einkäufe erledigen. So auch an der Schlange zum Tresen in der Bürgerwache, an dem Coraly Samson arbeitet. Fanmarsch der Arminia vor dem Spiel gegen Leverkusen: Wir begleiten ihn im Liveticker Die Bürgerwache – zentraler Treffpunkt und Anlaufstelle für Getränke-Nachschub Das dichte Gedränge auf den Bierbänken vor der Bürgerwache sei ein guter Vorgeschmack darauf, wie es hier an Spieltagen zugehe, berichtet Samson: &bdquo;Wenn Fußball ist, wird es hier sehr schnell sehr voll. Wir müssen dann die Tische für die Fans, die bei uns was verzehren, richtig verteidigen.“ Sie selbst wohne auch hier im Viertel. &bdquo;Zum Glück“, wie sie es schildert, habe sie aber keinen Vorgarten. Es sei nämlich gar nicht so unüblich, dass sich nach Spielen ein gutes Drittel des Gläserbestandes der Bürgerwache genau dort kaputt wiederfinde. Das sei aber das Einzige, was sie am Fußball in der Nachbarschaft wirklich nerve. Ansonsten würden sie und ihre Kollegen sich über jeden Spieltag freuen. Um dies zu untermauern, hat sie ihren extra für die Belegschaft der Bürgerwache angefertigten Fan-Schal mitgebracht. &bdquo;Normalerweise verschenke ich meine Schals bei Spielen immer an Kinder, die keine haben. Aber der hier ist was Besonderes. Den behalte ich“, schildert sie stolz am Ende des Gesprächs. Lesen Sie auch: Arminia Bielefeld im Halbfinale – Gibt es noch die Chance auf Tickets? Fan-Schlangen von der Kasse bis zum Pfandautomaten &bdquo;An Spieltagen stehen die Kassenschlangen bis zum Leergutautomaten, und der Bierkühlschrank ist leer.“ So lautet die trockene Zustandsbeschreibung von Sandra Kaiser, der Marktleiterin des Centralkaufs an der Weststraße. Silvia Röper, die hier an der Kasse arbeitet, ergänzt: &bdquo;Das hier ist der Treffpunkt überhaupt: Hier kommen alle zusammen, trinken einen und gehen dann zum Spiel.“ Die beiden Mitarbeiterinnen des bekannten Bielefelder Supermarkts sind selbst große Arminen-Fans. Silvia Röper verpasst seit Jahren kein Heimspiel. Mit ihrer Chefin hat sie die Absprache, dass sie an Spieltagen nicht an der Kasse sitzen muss, sondern auf der Tribüne ihre Mannschaft unterstützen darf. Aber auch während ihrer Arbeitszeit ist die Arminia für sie stets präsent: Ähnlich wie Coraly Samson präsentiert sie stolz ihren Schal. Der schwarz-weiß-blaue Schal ist für die Kassiererin allerdings ein alltägliches Accessoire, das sie zur Arbeit mitbringt. Mehr zum Thema: Arminia Bielefeld im Rausch – Party nach dem Halbfinale im Café Europa Liebespaar aus dem Heimblock findet Kleingarten unter dem Gästeblock Das am besten laufende Produkt im Centralkauf sei bei Arminia-Spielen natürlich: Bier. Dass die großen Mengen an alkoholischem Gerstensaft nicht immer dem Verhalten der Fans zuträglich sind, wird im Gespräch mit einer Anwohnerin der Melanchthonstraße klar, die aus nachvollziehbaren Gründen anonym bleiben will. Verärgert berichtet sie davon, dass sie in ihrem Garten regelmäßig Betrunkene vom Urinieren abhalten müsse. Die Lage werde für sie umso schlimmer, je größer das Gewaltpotenzial der anreisenden Gästefans sei. Mit Gästefans kennt sich wiederum auch Werner Gremmel bestens aus. Im Halbschatten der Stahlbetonträger der Nordtribüne liegt sein Kleingarten, den er liebevoll als &bdquo;Alm-Hütte“ bezeichnet. Seit 13 Jahren bewirtschaftet er mit seiner Frau die Parzelle direkt unter dem Gästeblock. Im Gegensatz zur erwähnten Anwohnerin hat er jedoch wenig Negatives über die Auswärtsfans zu berichten. &bdquo;Die meisten von denen sind freundlich und grüßen nett“, erzählt er. Auch interessant: Bielefelder war bei Arminias Pokal-Halbfinale vor zehn Jahren Einlaufkind Seine Frau hingegen habe bereits negative Erfahrungen mit Auswärtsfahrern gemacht. Das trübe aber nicht das Schrebergartenglück des Paares. Sie erzählt, dass sie und ihr Mann ihre Beziehung der Arminia zu verdanken hätten: Vor 24 Jahren trafen sich die beiden langjährigen Fans zufällig auf derselben Tribüne. &bdquo;Da stand er dann und hat mich angesprochen“, berichtet sie. Seitdem seien sie ein Paar. Sollte die Arminia ohne Sieg vom Platz gehen, bleibt also zumindest zu hoffen, dass auch andere Fans auf der Alm ihre große Liebe finden, so wie die Gremmels. Andererseits: Was spricht eigentlich dagegen, dass Liebesglück und ein Finaleinzug gleichzeitig eintreten?

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