Schmerzhafter Abschied: Bielefelder Geschäft schließt nach Jahrzehnt der Baustellen

Bielefeld. Andere hätten längst aufgegeben, 2011 als der Kesselbrink zur Großbaustelle wird. Oder als später die Sanierung der Volksbank schräg gegenüber startet, sich hinzieht. Spätestens als der Jahnplatz bis hin zur Wilhelmstraße aufgerissen wird oder der Umbau zur Wissenswerkstadt fünf Hausnummern weiter für permanenten Baulärm sorgt. Händler Andreas Funke und sein Geschäft &bdquo;Top Foto“ haben ein Jahrzehnt umzingelt von Großbaustellen erlebt und überlebt. Jetzt muss der Fotospezialist nach 30 Jahren schließen. Zu vieles habe sich verändert – in der Wilhelmstraße, in seiner Branche und auch privat. Es ist ein Abschied, der schmerzt. Das Geschäft, die Stammkunden, die in schweren Zeiten treu blieben, der Austausch mit den Menschen, die auf der Suche nach Beratung plötzlich im Laden standen, das alles wird eine große Lücke hinterlassen. Ebenso wie der Tod von Kompagnon Frank Rieseler, der bereits 2016 verstorben war. Seitdem führte Funke die Geschäfte alleine, stand zuletzt auch alleine im Laden. Sechs Tage die Woche ohne Urlaub. Trotz starker Schmerzen aufgrund einer Erkrankung. Und doch wird ihm all das fehlen. News direkt aufs Smartphone: Hier finden Sie den kostenlosen Whatsapp-Kanal der &bdquo;NW“-Bielefeld Fotogeschäft ein Jahrzehnt umzingelt von Baustellen Seit dem 14. November 1994 gibt es &bdquo;Top Foto Funke und Rieseler“ – so der vollständige Name – an der Wilhelmstraße 8. Die befreundeten Kollegen wagten damals den gemeinsamen Schritt in die Selbstständigkeit, schnell entwickelte sich eine Stammkundschaft. &bdquo;Das war damals noch eine ganz andere Welt“, sagt Funke. An der Wilhelmstraße habe es damals noch ein Möbelgeschäft, einen Eisenbahnladen, einen Friseur gegeben. Das passte bestens zur Foto-Kundschaft. Alles lief gut bis zum Mai 2011, dann startete der große Kesselbrink-Umbau. &bdquo;Seitdem hat sich die Händlerstruktur hier extrem gewandelt“, sagt der 61-Jährige. Durch die vielen Baustellen hätten sich die Wege für Autofahrer, aber auch Fußgänger ständig geändert. Ein Problem für die Geschäfte und ihre Kunden in der schmalen Straße, die Jahnplatz und Kesselbrink miteinander verbindet. Mal kam man durch, dann wieder nicht. &bdquo;Die Jahnplatz-Baustelle war dann noch einmal ein dicker Brocken.“ Obendrein geriet der benachbarte Kesselbrink aufgrund von Drogen und Gewalt immer wieder in die Schlagzeilen. Viele der ansässigen Händler zogen über die Jahre Konsequenzen und nahmen ihre Kunden mit. Der klassische Einzelhandel verschwand. Es folgten auf der einen Seite internationale Shops und – ganz neu – ein Schlachter und ein Waffel-Restaurant. Gegenüber gibt es inzwischen außerdem eine Krankenkasse, vegane Kleidung und ein Tanzstudio. Fotogeschäfte in Bielefeld sterben aus Ein junger Mann betritt das Geschäft, er benötigt ein Passfoto. Funke entschuldigt sich, die Kundschaft geht vor. Die meisten, die hereinkommen, sind Stammkunden, die bei &bdquo;Top Foto“ immer noch ihre Bilder entwickeln lassen und Beratung suchen. Wie Dieter Kunzendorf (88), der zu den Kunden der ersten Stunde zählt und gerade am Bildschirm die besten Fotos auswählt, die er für den Schulbauernhof Ummeln fotografiert hat. Dort sei er &bdquo;Hoffotograf“. Acht Kameras habe er hier gekauft, erzählt er. Wo er in Zukunft hingeht, wenn Funke zum Jahresende die Türen schließt, wisse er noch nicht. Viele Fotoläden haben inzwischen zugemacht. Wie der &bdquo;Foto-Bazar“ von Alfred Lexy an der Friedrich-Verleger-Straße, der 2022 die Türen schloss. &bdquo;Die Branche stirbt halt“, sagt Funke. Bis 2010 sei es noch gut gelaufen, habe die Fotografie ein Hoch erlebt. &bdquo;Damals war noch Qualität gefragt, es wurde aktiver und bewusster fotografiert.“ Und auf dem Papier entwickelt. Dafür brauchte es persönliche Beratung vom Fotoexperten. Heute gehe es eher um Quantität, fotografiert wird mit dem Smartphone. Lesen Sie auch: Bielefelder Traditionsgeschäft schließt nach 50 Jahren Dann kamen Corona, Schließungen, Kunden blieben weg. Und kamen nach der Pandemie auch nicht wieder. Ebenso die Mitarbeiter. Seitdem steht Funke alleine im Laden. Die Öffnungszeiten hat er reduzieren müssen. Bielefelder blickt mit Sorge in die Zukunft Jetzt muss er noch vor der Rente die Reißleine ziehen, denn auch die Gesundheit spielt nicht mehr mit. Das Gehen bereitet dem 61-Jährigen große Probleme. Wenn er den Laden zum Jahresende schließt, habe er noch etwas Zeit, um alles komplett auszuräumen. Dann stünden erst einmal Operationen an der Hüfte und eine Reha an. Vor allem das, was danach kommt, bereitet ihm Sorgen. Er möchte wieder arbeiten. Gerne noch einmal in der Beratung, sagt der gebürtige Heepener, der inzwischen in Porta lebt. Doch viele Fotogeschäfte, wie seins, gibt es nicht mehr. Aus der Nachbarschaft: Gewalt am Hotspot: Vermieter schließt Bielefelder Kesselbrink-Kiosk für immer Worauf er sich freut? Auf alle die Kunden, die bis zum 31. Dezember noch einmal bei ihm vorbeischauen. Bis dahin gehen Verkauf und Beratung weiter. Und auf mehr Zeit mit der Familie, die in 30 Jahren &bdquo;Top Foto“ manches Mal zu kurz kam.

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