Unkrautjäten in luftiger Höhe: Hier befindet sich Bielefelds wohl unauffälligste Grünanlage

Bielefeld. Der neu gestaltete Jahnplatz ist seit seiner Fertigstellung inzwischen von den meisten Bielefeldern angenommen worden. Ein Kritikpunkt hält sich jedoch hartnäckig und wird auch weiter von der Politik diskutiert. Denn wie viele monieren, ist im Herzen der Stadt anstelle einer erhofften urbanen Grünlandschaft eine &bdquo;Betonwüste“ entstanden: Zu wenig Grün, zu viel grauer Stein, heißt es gemeinhin. Dabei ist von den rund 10.000 Quadratmetern des Platzes immerhin ein Zehntel begrünt – das allerdings auf eine Weise, die von vielen schlicht kaum oder gar nicht wahrgenommen wird. Denn das satte und gut versteckte Grün schwebt mehrere Meter über den Köpfen der Bielefelder. Mit der Neugestaltung des Platzes entstand hoch oben über den Bushaltestellen und den zur Stadtbahn führenden Rolltreppen eine grüne Oase, die trotz ihrer ungewöhnlichen Lage nahezu alle Vorzüge einer &bdquo;normalen“ Grünanlage mit sich bringt: Insekten und Vögel erhalten in der ansonsten stark versiegelten Innenstadt einen Lebensraum, in dem sie abgesehen vom Verkehrslärm nahezu ungestört sind. Bei starkem Regen nehmen die Böden und die darunter liegende Konstruktion einiges an Wasser auf. Und für heiße Sommermonate wird prognostiziert, dass die Dachgärten dazu beitragen, dass der Jahnplatz spürbar abgekühlt wird. Einziger Haken: Wie ein richtiger Garten muss das Grün auch gepflegt werden – weshalb die Fläche wohl auch der einzige Garten in Bielefeld ist, bei dem die Gärtner schwindelfrei sein sollten. Grünfläche in der Hand des Verkehrsamtes Seit dem Bau der neuen Haltestellendächer im Jahr 2021 wurde auf den Dächern zwei- mal jährlich gründlich auf Vordermann gebracht. Und wie es sich für die wohl ungewöhnlichsten Grünflächen der Stadt gehört, ist auch die Zuständigkeit für die Pflege eine Besonderheit: Nicht der Umweltbetrieb und die Mitarbeiter von der Grünflächenunterhaltung sind für die Pflanzen zuständig, sondern das Amt für Verkehr. &bdquo;Sie stehen halt auf einem Bauwerk – und da gehört das Dach eben dazu“, sagt Florian Reifert vom Team für Ingenieur- und Stadtbahnbauwerke, das im Stadtgebiet für mehr als 1.000 Bauwerke wie Brücken, Unterführungen oder Stützwände zuständig ist. Dächer haben die wenigsten davon, begrünt sind sogar noch weniger. Um genau zu sein: Es gibt nur die Haltestellen auf dem Jahnplatz. &bdquo;Daher ist das hier auch ziemliches Neuland für uns“, räumt Reifert unumwunden ein. Eines der weiteren Gebäude mit Dach, für die das Team zuständig ist, ist die &bdquo;Tüte“ an der Stadtbahnhaltestelle Hauptbahnhof. Dass die neuen Haltestellen auf dem Jahnplatz nicht ebenfalls eine Glaskonstruktion erhielten, fußt auf dem Wunsch, im Sommer für eine angenehme Verschattung zu sorgen und gleichzeitig auf dem etwas stein- und betonlastigen Innenstadtplatz für etwas Grün zu sorgen. Wobei &bdquo;etwas“ relativ ist: Die ineinander verschachtelten Haltestellendächer wirken von unten bei weitem nicht so flächig wie von oben: Rund 1.000 Quadratmeter Grünfläche sind es insgesamt. Die positivsten Rückmeldungen für den grünen Teppich erhielt die Stadt entsprechend auch von Anliegern, die von oben auf den Platz schauen. &bdquo;Sie sagen, dass das viele Grün beruhigend wirkt“, sagt Reifert. Selbst in großer Höhe landet Müll Beruhigend wirken für die eingesetzten Mitarbeiter der Stadt und des eigens engagierten Garten- und Landschaftsbaubetriebes derweil die Sicherungsgurte, die während der Arbeit auf dem Dach getragen werden müssen. Auch hier erweisen sich die Haltestellendächer als versteckte Riesen: Erst wenn man sie bewusst anschaut, bemerkt man, wie hoch die Konstruktionen eigentlich wirklich sind. &bdquo;Daher ist es uns heute auch egal, dass es regnet“, sagt Reifert. &bdquo;Wichtiger ist, dass es nicht windig ist.“ Auf dem Dach selbst überprüfen die Techniker unter anderem die Entwässerung, die Gärtner kümmern sich um das aus Kräutern, Sukkulenten und Gräsern bestehende Grün. Dabei wird auch rigoros ausgesiebt: So hat sich etwa das kanadische Berufskraut wild gesät und überragt mit knapp einem Meter Höhe die übrige Vegetation. Ebenfalls entfernt wird Müll, der es trotz der Höhe ebenfalls aufs Dach schafft. &bdquo;Hier landet alles Mögliche, von Flaschen bis zu Turnbeuteln“, sagt Florian Reifert. Dieser Unrat wird dann letztlich auch der Grund dafür sein, dass die Dächer auf dem Jahnplatz weiterhin zwei- mal jährlich von Gärtnern Besuch bekommen werden. Die Pflanzen und das Ökosystem Haltestellendach selbst hätten dies nicht zwingend nötig, was nicht zuletzt am ausgeklügelten System aus Vegetationsmatten, Wasserspeicherelementen und Moos liegt. Denn dadurch ist auch im Hochsommer eine Bewässerung nicht notwendig. &bdquo;Da reicht der Niederschlag aus.“ Lesen Sie auch: Hitze und Dohlen setzen Dachgrün der Jahnplatz-Haltestellen zu Trotz der guten Erfahrungen mit dem frischen Grün auf dem Dach wird der Jahnplatz zumindest für das Amt für Verkehr mittelfristig ein Ausreißer bleiben, auch wenn die Zeit der Haltestellendächer aus Wellblech oder Teerpappe endgültig vorbei scheinen: Auf den Haltestellen für die Verlängerung der Linie 4 sind Fotovoltaikanlagen geplant.

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