Bielefelder Sozialpfarrer sagt: „Nur die Hand aufhalten geht nicht“

Bielefeld. Matthias Blomeier ist einer, der anpackt, sich reinhängt und die Ärmel hochkrempelt, wenn Not am Mann ist. Wenn er das tut, sieht man die Schriftzüge in griechischen Buchstaben, die auf seine kräftigen Unterarme tätowiert sind. Es sind Zitate aus dem Neuen Testament. &bdquo;Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, aber die Liebe ist die Größte unter ihnen“, heißt eines. Es ist ein Leitwort für Blomeier, der 14 Jahre als Sozialpfarrer in Bielefeld gewirkt hat und nun in den Ruhestand geht. &bdquo;Es war immer ein Vorteil, nicht wie der klassische Pfarrer auszusehen“, sagt der 66-Jährige. Er ist Ansprechpartner für Arme und Kranke, für Verzweifelte und Obdachlose. &bdquo;Die Menschen müssen Vertrauen zu mir gewinnen und aufrichtig sein, damit ich helfen kann“, sagt er. Helfen, das heißt für ihn immer: Hilfe zur Selbsthilfe. Dass Bedürftige selbst Anträge etwa beim Jobcenter stellen oder Beratung in Anspruch nehmen, das verlangt er. &bdquo;Nur die Hand aufhalten, geht nicht. Wer Solidarität nur ausnutzt, hat sie nicht verdient“, sagt er. Bedürftigkeit wird geprüft, der Bielefeld-Pass oder ein Kontoauszug muss vorgelegt werden. Nur Geld zu verteilen, damit sei keinem wirklich geholfen. &bdquo;Hierher kann jeder kommen“ Klar ist aber auch: &bdquo;Hierher ins Sozialpfarramt kann jeder kommen.“ Die Einzelfallhilfe macht einen Großteil seiner Arbeit aus. Fünf Fälle, fünf Schicksale pro Woche sind normal. Es geht um Geldsorgen oder Wohnungsnot. Oder darum, den Zahnersatz für eine Obdachlose zu finanzieren. &bdquo;Kürzlich hatten wir eine alte Frau, die von Grundsicherung lebt und eine neue Waschmaschine brauchte“, erzählt Blomeier. Irgendwie hat er es wieder geschafft, Spenden dafür aufzutreiben. Auch einem Mann, der zur Kur musste, aber weder Bademantel noch Hausschuhe besaß, konnte er helfen. Geld für gute Zwecke zu sammeln, darin war er oft erfolgreich. 20 Mal hat er den Hermannslauf absolviert und dabei rund 100.000 Euro an Sponsorengeldern zusammenbekommen. Das Geld floss an den Frauennotruf, die Luca-Dethlefsen-Hilfe, an ein Hospiz, den Treffpunkt Trockendock oder den Verein Sterntaler. Initiative erinnert an Verstorbene ohne Angehörige Maßgeblich hat Blomeier sich für bekannte Projekte engagiert, für die Vesperkirche etwa oder für das Weihnachtsessen für Arme und Einsame, bekannt als &bdquo;Bahnhof Bethlehem“. 40.000 Menschen in Bielefeld leben von Sozialleistungen. Blomeier, der seine Laufbahn als Gefängnispfarrer in der JVA Ummeln begann und danach Pfarrer der Markusgemeinde war, unterstützt daher auch die Suppenküche &bdquo;Bielefelder Tisch“. Jedes Jahr sterben in der Stadt 120 bis 140 Menschen, die keine Angehörigen haben. Für ein würdevolles Begräbnis und einen Gedenkgottesdienst sorgt die Initiative &bdquo;Unbedacht Verstorbene“, die Blomeier gegründet hat. Am Herzen liegt ihm auch der Beschäftigungsfonds des Kirchenkreises. Der hilft bei der Finanzierung sozialversicherungspflichtiger Stellen bei unterschiedlichen Initiativen mit jährlich rund 15.000 Euro. Zuletzt ging Geld an die Tierpension der Aidshilfe. Flüchtlingen geholfen und vor Streikenden gesprochen Doch gerade einzelne Schicksale bleiben ihm in Erinnerung: &bdquo;In meiner Zeit als Gefängnisseelsorger gab es einen Lebenslänglichen, der Küsteraufgaben übernahm. Er starb nach 43 Jahren im Gefängnis wenige Wochen vor seiner Entlassung.“ Erst vor kurzen war ein junger Mann bei ihm, der weder Geld noch Wohnung hatte, aber seit vier Monaten Vater war. &bdquo;Sein größter Wunsch war, etwas für die Mutter und das Kind zu tun. Ich konnte ihm mit 50 Euro helfen“, sagt Blomeier. Auch die Flüchtlingshilfe und das Kirchenasyl gehören zu seinen Aufgaben. Beim &bdquo;Bündnis gegen Rechts“ ist er natürlich dabei, Streikenden in einem großen Industriebetrieb hat er Mut zugesprochen. &bdquo;Die Arbeit hört nicht auf, man ist nie fertig“, sagt Blomeier. Und er weiß: &bdquo;Man kann nicht alle retten.“ Da hilft ihm oft nur der Glaube, das Vertrauen darauf, dass es für jeden Hoffnung gibt. &bdquo;Gottes Menschenfreundlichkeit Wirklichkeit werden lassen“ &bdquo;Ja, es gibt auch eine Menge Frust“, gibt der Sozialpfarrer zu. Ein Ausgleich sei Sport und Musik. Er ist Gitarrist und Frontmann der Band Beatbox. Mit der will er künftig für Auftritte proben. Mit der Familie, seiner Frau, den Kindern und Enkeln, von denen der älteste schon 15 Jahre alt ist, will er demnächst mehr Zeit verbringen. Einen richtigen Plan für den Ruhestand, in den er formell schon Anfang März gegangen ist, hat er allerdings noch nicht. Sein Nachfolger Ingo Stucke übernimmt erst Anfang Juli. &bdquo;Daher“, sagt Blomeier, &bdquo;mache ich bis dahin einfach weiter damit, Gottes bedingungslose Menschenfreundlichkeit Wirklichkeit werden zu lassen.“

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