Bielefelder Amazon-Mitarbeiter schubsen fast 50.000 Pakete auf den Weg - täglich

Bielefeld. Der erste Eindruck beim Betreten der großen Industriehalle überrascht: Von hektischem Weihnachtsgeschäft ist wenige Tage vor Heiligabend im Amazon-Verteilzentrum an der Teltower Straße in Oldentrup fast nichts zu spüren. Keiner der Mitarbeiter rennt oder wirkt gehetzt. Niemand brüllt Anweisungen durch die Gegend. Alle gehen konzentriert und still ihrer Arbeit nach. Außer dem surrenden Geräusch der Paketlaufbänder ist um 7.30 Uhr nur motivierende Hintergrundmusik zu hören. Noch zwei Stunden bis zum Ende der Nachtschicht. &bdquo;Die Mitarbeitenden bestimmen selbst, welche Musik läuft. Das kann auch mal Schlager sein“, sagt Standortleiter Erik Hakansson. Seit April ist der 32-jährige Thüringer dafür verantwortlich, dass die Amazon-Pakete im Raum Bielefeld und Kreis Herford pünktlich ausgeliefert werden. Vorletztes Rädchen im Getriebe der Amazon-Logistikkette Das Ende September 2020 eröffnete Bielefelder Verteilzentrum ist eines von rund 60 in Deutschland. Vorgelagert sind rund 20 Logistik- und zehn Sortierzentren. Die Verteilzentren sind also gewissermaßen das vorletzte Rädchen im Getriebe der Amazon-Logistikkette. Hier werden die ankommenden Pakete auf die Tagestouren von rund 140 Fahrerinnen und Fahrer verteilt. Diese sind im Gegensatz zu den Mitarbeitern des Verteilzentrums nicht bei Amazon direkt, sondern bei unabhängigen Lieferfirmen beschäftigt. Die optimale Auslieferungstour wird zwar im Hintergrund per Algorithmus vom Computer berechnet, ohne den Menschen funktioniert der Weg der Pakete in die Lieferwagen aber (noch) nicht. Zur Weihnachtszeit arbeiten rund 170 Personen im Vier-Schicht-Betrieb am Bielefelder Standort. Saisonkräfte helfen im Weihnachtsgeschäft bei Amazon Im Normalbetrieb sind es etwa 110, aufgeteilt auf drei Schichten. &bdquo;Wir haben temporär Arbeitskräfte dazugenommen, damit das erhöhte Aufkommen bewältigt werden kann, ohne dass die Bänder schneller laufen müssen“, sagt Hakansson. Apropos Fließbänder: 90 Minuten vor dem Ende der Nachtschicht schieben Mitarbeiter immer noch Trolleys mit den Sendungen aus den vorgeschalteten Zentren von der Lkw-Rampe zu einem Laufband. Nach wie vor ruhig und ohne Hektik. Jeder Handgriff wirkt so, als sei er vom dahinterliegenden System perfekt choreografiert. Auf dem Band angekommen, scannen andere Mitarbeiter die Pakete ein und schubsen sie auf ihre weitere Reise. Gummimatten federn den harten Betonboden ab. Wer nicht stehen will, kann auch im Sitzen arbeiten. Menschen aus 54 unterschiedlichen Nationen Geredet wird dabei kaum, die Gesichter wirken ernst. Kein Wunder, schließlich haben die Leute von zwei Uhr an die Nacht durchgearbeitet und ihre Fließbandtätigkeit ist monoton. Und noch etwas fällt auf: Es sind fast nur Menschen mit Migrationshintergrund zu sehen. &bdquo;In Bielefeld arbeiten Menschen aus 54 unterschiedlichen Nationen. Für viele von ihnen ist dieser Job der Einstieg in den Arbeitsmarkt, da für die Tätigkeit außer dem Sprechen der deutschen oder englischen Sprache, keine weitere Qualifizierung nötig ist“, sagt Standortleiter Hakansson. 14 Euro Stundenlohn zahlt Amazon nach eigenen Angaben zum Einstieg. Das sind zwei Euro mehr als der aktuelle Mindestlohn. Nach dem ersten Jahr steigt der Verdienst in Bielefeld auf 16,20 Euro und nach dem zweiten Jahr auf 16,90 Euro pro Stunde. Dazu kämen noch Sonderleistungen wie die Finanzierung des Deutschland-Tickets oder Zuschüsse zur Verpflegung in den Pausen. Computersystem gibt Arbeitsabläufe vor Um 8.30 Uhr gibt es an den Bändern in Bielefeld keine Pause mehr. Jetzt sind es noch 60 Minuten bis zum Schichtende. Von der Lkw-Rampe aus kommt kein Nachschub mehr. Die restlichen Pakete müssen aber noch in die für sie vom Computersystem vorgesehenen Taschen befördert werden. Vollbepackt wiegen diese maximal 23 Kilogramm, obwohl 31,5 Kilogramm im Postverkehr erlaubt wären, erklärt Hakansson. Jedes der insgesamt zwei Laufbänder hat rechts und links jeweils 25 Gänge. Ein gelber Zettel auf den Paketen zeigt an, in welchen Gang die Sendung kommt. Nachdem der für den Gang zuständige Mitarbeiter das Paket gescannt hat, leuchtet ein LED-Lichtband an der Tasche auf, in die es hineingepackt werden muss. So werden Fehler nahezu ausgeschlossen. Freiheiten bei der Gestaltung oder der Reihenfolge ihrer Tätigkeiten haben die Mitarbeiter keine. Dies gilt allerdings nicht nur bei Amazon, sondern wohl auch für andere Firmen mit Fließbandtätigkeiten. Verdi kritisiert Arbeitsbedingungen bei Amazon Dennoch kritisieren Gewerkschaften wie Verdi schon seit Jahren die Arbeitsbedingungen speziell bei Amazon. Verdi spricht unter anderem immer wieder vom psychischem Druck, wie ein Roboter funktionieren zu müssen. Amazon-Pressesprecher Steffen Adler kennt diese Vorwürfe und weist sie mit Verweis auf das &bdquo;attraktive Gesamtpaket für Arbeitnehmer“ und die &bdquo;offene Unternehmenskultur“ zurück. Wohl auch wegen der permanenten Vorwürfe hat sich Amazon seit einiger Zeit für mehr Transparenz entschieden. Neben einer Werbekampagne, in der Mitarbeiter von dem guten Arbeitsklima berichten, sollen Besichtigungen wie in Bielefeld einen offenen Einblick in den Arbeitsalltag geben. Fast immer mit dabei ist Pressesprecher Adler, der gerade vor Weihnachten einen regelrechten Marathon quer durch die Republik absolviert, um die frohe Botschaft unter das Pressevolk zu bringen. Von der Aushilfe zur Führungskraft bei Amazon Entspannte Fröhlichkeit herrscht schließlich auch am Schichtende. Kurz bevor die Frühschicht übernimmt und die vorbereiteten Pakete an die Lieferfahrer aushändigt, kommen die rund 40 Mitarbeiter der Nachtschicht gegen 9.30 Uhr zur Abschlussansprache zusammen. Diese wird von Area-Manager Magnus Lordan gehalten. Auf Deutsch und Englisch lobt dieser die Leistung des Teams. 46.000 Pakete hätten sie heute prozessiert. Rund 15.000 mehr als im Jahresdurchschnitt. Am Ende verlost Lordan unter Applaus noch drei Einkaufsgutscheine im Wert von jeweils 50 Euro unter den Besten eines internen Arbeitssicherheits-Quiz. Lordan selbst weiß, wie sich der Job in der Sortierung anfühlt. &bdquo;Ende 2020 habe ich in Hannover als Saisonkraft im Weihnachtsgeschäft angefangen“, erzählt der 33-Jährige. Seit Juli ist er in Bielefeld für die Abläufe in einzelnen Schichten verantwortlich. Amazon fördere Weiterbildungen mit bis zu 8.000 Euro &bdquo;Das ist nichts Ungewöhnliches bei Amazon. Hier können sich Mitarbeiter sehr schnell entwickeln“, sagt Pressesprecher Adler. Der Online-Händler würde Berufsabschlüsse und Weiterbildungen mit bis zu 8.000 Euro fördern. Schließlich würde auch Amazon den Druck am Arbeitsmarkt spüren. &bdquo;Mitarbeiter finden, ist schwierig, aber sie zu halten, ist noch schwieriger“, sagt Standortleiter Hakansson. Mittlerweile ist es erstaunlich ruhig in der Halle. Alle Fließbänder stehen und von hektischem Weihnachtsgeschäft ist nun gar nichts mehr zu spüren.

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