Schwarze Liste für Zusteller

Umstrittener Onlinehändler: Aktion gegen Ausbeutung am Bielefelder Standort von Amazon

Ein Arbeitsrechtsbündnis berichtet von großen Missständen bei Subunternehmern von Amazon. Der US-Onlinehändler widerspricht entschieden.

Stanimir Mihaylov (v.l.), Mousa Othman, Elena Strato, Heidi Schaible, Till Roschinski und Gerrit Eliaß informieren Fahrer vor dem Bielefelder Amazon-Versandzentrum. | © Sarah Jonek Fotografie

Sven Hauhart
02.12.2023 | 02.12.2023, 15:41

Bielefeld. Gerade vor Weihnachten sind sie noch präsenter als ohnehin schon: Die blauen Fahrzeuge von Amazon, die die Pakete des US-Onlinehändlers an den Mann oder die Frau bringen. Gute Preise und schnelle Lieferung sind dabei die Versprechen des Unternehmens. Das geschieht auf Kosten der Kurierfahrer, lautet seit Jahren ein Vorwurf von Verdi.

Um auf ausbeuterische Arbeitsbedingungen aufmerksam zu machen, rief die Gewerkschaft daher zu einer Infoaktion direkt vor dem Werkstor am Bielefelder Amazon-Verteilzentrum auf. Dem folgte unter anderem die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales geförderte Fachstelle „Faire Integration“.

Fachreferent Mousa Othman berichtete dabei aus der Beratungserfahrung von „Faire Integration“. So seien in der Vergangenheit bei Subunternehmen von Amazon immer wieder arbeitsrechtliche Verstöße festgestellt worden.

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Schäden an Amazon-Lieferautos müssen Fahrer angeblich selbst bezahlen

Viele der Fahrer würden davon berichteten, dass ihr Lohn nur unzureichend ausgezahlt würde, sie bei Krankheit keine Lohnfortzahlung erhielten und sie Schäden an den Lieferautos selbst bezahlen müssten. Zudem wüssten die Fahrer oft nicht, an wen sie sich wenden könnten.

„Es ist ein Problem, dass die Menschen ihre Rechte oftmals gar nicht kennen und auch die Sprache nicht richtig beherrschen“, sagt Till Roschinski von der Bielefelder Gesellschaft für Arbeits- und Berufsförderung. Daher verteilten die Berater Infoflyer über Arbeitsrechte in zwölf Sprachen. Rund 80 Fahrer hätten sie so erreicht, berichtet Roschinski.

„Viele der Fahrer sind in Subunternehmen angestellt“, sagt Othman. Aus seinen Gesprächen mit ihnen habe er erfahren, unter wie viel Druck sie arbeiten müssten. „Fahrer haben mir in Beratungsgesprächen erzählt, dass sie nicht mehr eingesetzt werden, wenn sie es nicht schaffen, genug Pakete auszuliefern“, berichtet Othman.

Wer sich wehrt, kommt angeblich auf eine schwarze Liste

Da die vorwiegend aus Südosteuropa oder aus afrikanischen Drittstaaten kommenden Menschen oftmals von Armut betroffen seien, würden sie vieles hinnehmen, um ihren Job zu sichern. Bei laut Verdi bis zu 300 zugestellten Paketen pro Tag und Fahrer zählten dazu auch unbezahlte Überstunden.

Zusätzlicher Druck würde über die Subunternehmen aufgebaut, da auch hier Amazon nach einer Art Punktesystem entscheiden würde, wie viel Einsätze ein Subunternehmen überhaupt bekomme. Daher fordert Verdi auch ein Verbot von Subunternehmen in der Paketbranche.

Gerade die ausländischen Fahrer würden sich oft schwertun, ihre Rechte durchzusetzen. Selbst nach ausführlichen Beratungen von staatlich geförderten Stellen. „Die Leute haben Angst, sich vor Gericht zu wehren. Einige Fahrer berichten, dass Kollegen, die sich beschweren, nicht mehr angestellt werden. Auch nicht bei anderen Subunternehmen, sie behaupten, die Namen werden weitergegeben und man käme auf eine schwarze Liste“, sagt Othman.

Amazon bestreitet die Vorwürfe

Amazon selbst bestreitet diese Vorwürfe auf Anfrage der NW entschieden. Das Unternehmen würde weder schwarze Listen über eigene, noch über Beschäftigte anderer Unternehmen führen. Keiner der Fahrer müsste Konsequenzen befürchten, wenn er mit nicht zugestellten Paketen zurückkehren würde.

Dem Unternehmen sei aber bewusst, dass Fahrer in seltenen Fällen keine guten Erfahrungen machen würden. Daher würde Amazon hohe Anforderungen an die Partnerunternehmen stellen.

„Unsere Lieferpartner unterzeichnen unsere Programmvereinbarung und die Programmrichtlinien, die verlangen, dass sie sich an die geltenden Gesetze halten, insbesondere in Bezug auf faire Löhne und angemessene Arbeitszeiten“, sagt ein Sprecher von Amazon.

Bei Verstößen würde Amazon die Zusammenarbeit beenden

Darüber hinaus würde Amazon die Subunternehmen regelmäßig auf Einhaltung der Gesetze und der Richtlinien überprüfen. Bei Vertragsverletzungen würde Amazon die Zusammenarbeit beenden.

„Wir haben in Deutschland außerdem eine Fahrer-Hotline eingerichtet, die allen Fahrerinnen und Fahrern in verschiedenen Sprachen zur Verfügung steht. Dort können die Zustellerinnen und Zusteller auch anonym Verstöße gegen geltendes deutsches Recht ansprechen. Wir gehen jedem Fall nach und klären mögliche Probleme mit dem zuständigen Arbeitgeber“, versichert der Sprecher.