Im Porträt

Zwischen Mathematik und Tanz: Bielefelderin vereint zwei ungewöhnliche Talente

Carolin Grumbach verdient mit Mathematik ihr Geld. Ihr großes Hobby, das sie semi-professionell verfolgt, steht im krassen Kontrast zur täglichen Kopfarbeit.

Carolin Grumbach ist Mathematikerin und hat noch "einen zweiten Vollzeitjob". | © Oliver Krato

Heike Krüger
04.12.2023 | 04.12.2023, 09:16

Ihr Tag muss definitiv mehr als 24 Stunden haben. Carolin Grumbach arbeitet in Vollzeit als Mathematikerin am Institut für Umweltsystemforschung der Uni Osnabrück – das ist ihr Brotberuf und ihre Leidenschaft. Daneben lebt die 28-jährige Bielefelderin, sozusagen als Kontrast und Ausgleich, einen ganz anderen Teil ihrer Persönlichkeit aus, den künstlerischen. Seit Jahren ist sie Mitglied der semi-professionellen Tanz-Company „E-Motion“.

Die ist am Theater Bielefeld angedockt und wird in jeder Spielzeit in mehreren Produktionen, meist innerhalb des Musiktheaters, eingesetzt. Aktuell probt Grumbach mit ihren Mitstreiterinnen für Szenen im „Barbier von Sevilla“, der am kommenden Sonntag Premiere feiert.

„Wenn sich jeder gesehen fühlt, ist das Ergebnis gut“

Das tänzerische Engagement fühle sich besonders kurz vor den Premieren mit ihren vielen Proben wie „ein zweiter Vollzeit-Job“ an, gibt sie unumwunden zu. Doch diese Zeit „opfert“ sie gerne, weil auch der Tanz für sie pure Leidenschaft ist. Seine Körperlichkeit, die ständige Bewegung stellt für sie einen willkommenen Ausgleich zur Kopfarbeit der Mathematikerin dar.

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Und als wäre das alles nicht genug, erarbeitet die 28-Jährige nun auch eigene Choreografien. Während der Tanzgala im Mai am Stadttheater lief ihre Produktion „Laws of Energy“ vom Stapel. Und wurde begeistert vom Publikum aufgenommen. Bei den „Energiegesetzen“ hatte sie zudem eine Kreuzung ihrer Berufungen ersonnen und sich das Newton’sche „Energieerhaltungsgesetz“ als Thema ausgesucht: „Man kann Energie weder gewinnen noch verlieren, man kann sie nur umwandeln“, erklärt sie das mit knappen Worten dem physikalischen Laien.

Carolin Grumbach (in Lila, 4. v. l.) bei der Tanzgala 2023, für die sie das Stück „Laws of Energy“ entwickelte. - © Theater Bielefeld
Carolin Grumbach (in Lila, 4. v. l.) bei der Tanzgala 2023, für die sie das Stück „Laws of Energy“ entwickelte. | © Theater Bielefeld

Denn darum geht es beim Tanzen ja auch – um den Einsatz von Energie, mithin um deren Umwandlung in Bewegung. Aber auch andere Themen hat sie bereits beackert, etwa das Thema Transsexualität für einen Beitrag zu den „Bielefelder Geschichten“. „Hier habe ich mit den Klischees gespielt, etwa eine Drag-Queen installiert, um diese Klischees später humorvoll aufzulösen“, berichtet sie. Beim Tanzen wie in der Choreografen-Arbeit sei sie dabei, einen eigenen Stil zu entwickeln – der befinde sich irgendwo zwischen Klassischem Ballett, Modern und zeitgenössischem Tanztheater.

„Sie ist eine wundervolle Lehrerin und Tanzpädagogin“

In der Arbeit mit einem Ensemble setzt sie auf Improvisationen zu Beginn des Probenprozesses. Und auf die Dynamik der Gruppe: „Wenn man sich als Gruppe wahrnimmt, wenn jede(r) sich im Entstehungsprozess gesehen fühlen kann, dann ist das Ergebnis gut und authentisch“, ist sie überzeugt. Das Tanzen hat bei Carolin Grumbach eine lange Geschichte. Mit acht Jahren startete sie mit den Basics in den Ballettkursen der Theaterballettschule unter der Leitung von Maria Haus. Später kam Modern Dance hinzu.

„Sie ist eine wundervolle Lehrerin und Pädagogin“, ist Grumbach voll des Lobes für die langjährige Tanzpädagogin. Haus vermittele nicht nur die Freude am Tanzen und die notwendige Disziplin. Sie sorge auch dafür, dass niemand seinen Körper überfordere. Achtsamkeit gekoppelt mit der passenden Technik, die den Körper stärkt, habe ihr ein Körperbewusstsein vermittelt, das sie bis heute trage.

Empowerment für weiblichen MINT-Nachwuchs

Einen sportlichen Ausgleich zum intensiven Tanztraining benötigt das Multitalent allerdings auch noch – sie findet ihn beim Yoga und beim Laufen. Und weil so mancher Tag noch ein paar Stunden übrig lässt, engagiert sich die Naturwissenschaftlerin Grumbach in Osnabrück für den weiblichen Wissenschaftler-Nachwuchs, neudeutsch für das „Empowerment“ in den sogenannten MINT-Fächern.

Aber auch jene, die sich schwerer tun mit Grumbachs Paradedisziplin Mathematik verliert sie nicht aus dem Blick: Beim Bielefelder Mädchentreff und bei Arbeiterkind e. V. gibt sie ehrenamtlich Mathematik-Nachhilfe. Das ist für sie Ehrensache. Und sollte es zeitlich mal eng werden, hat sie Rezepte parat: „Ich habe ein großes Repertoire an Problem-Lösungs-Skills“, sagt sie selbstbewusst und lacht.