Blick in den Spiegel: Deshalb schließen all die traditionsreichen Bielefelder Geschäfte

Bielefeld. Ein Kommen und ein Gehen, sagen manche, wenn Läden schließen und andere öffnen. Das sei schon immer so gewesen. Das stimmt, doch so lapidar lässt sich das, was seit Monaten, teilweise seit Jahren in Bielefeld geschieht, nicht mehr abtun. Denn es fällt auf, dass die verschwinden, die kompetente Menschen beschäftigten, gute Inhaber hatten, Beratung boten, kurz: das Besondere leisteten. Und die, die kommen, sind überwiegend jene, die mit Outlet-Preisen werben, Kette sind, Karo-einfach bieten. Ein paar Schlaglichter: Das Hotel-Restaurant Büscher schließt nach 140 Jahren. Es ist der Präsident des Gastro-Verbandes Dehoga, der aufhört. Und an der Sparrenburg schließt nach gut 50 Jahren die Familie Niegisch ihr Familienkapitel der besseren Koch-Art. Sie gehörten zur Köche-Vereinigung &bdquo;Die Fünf“ – Menschen, die sich der hochwertigen Gastronomie verschrieben hatten, die immer wieder mit neuen Ideen bei den Bielefeldern für sich und besonderes Essen warben. Weiter geht’s mit dem Absturz: Plettenberg schließt nach 137 Jahren, ein Juwelier, der weit über Bielefelds Grenzen hinaus bekannt war, für Qualität, auch in der Beratung. Von Klein bis Groß So etwas gibt es auch in klein: &bdquo;Backsüchtig“, ein 2016 gestartetes Bäckerei-Experiment der besonders hochwertigen Art musste schließen, wagte einen Neustart, ist nun wieder am Ende. Und nach mehr als 100 Jahren gab dieses Jahr auch das Café Gutzeit auf. Das Aus steht auch in der Express-Schuhbar an – zwar erst in 2024, aber dennoch ist es traurige Tatsache. Schuhe werden am liebsten derart billig gekauft, dass Reparieren keinen Sinn mehr ergibt. Das Geschäftsmodell &bdquo;Beste Beratung bei Top-Qualität“ ist für die Füße, also: ein Auslaufmodell. Dass hier immer wieder Schuhe in ein zweites, drittes Leben gerettet worden sind? Aus, vorbei. Besondere Läden wie &bdquo;Kunst und Leben“ verkleinern sich, die kleine Buchhandlung in Bethel hält der Konkurrenz nicht mehr stand, auch hier endet eine lange Historie im nächsten Sommer. Im Jubiläumsjahr, 150 Jahre sind es dann. Oft nach Jahrzehnten das Aus Schon 2021 schloss der Fachladen &bdquo;Boardmonkeys“ – superfitte Experten für Snow-, Wake- und Longboards gaben auf. Auch Petra Richter, Expertin für hochwertige Mode, gab an der Rathausstraße nach 38 Jahren auf. Das Kosmetik-Institut von Margot Weber am Alten Markt schloss nach mehr als 50 Jahren. Weitere Namen aus 2022 und 2021: Café Thumel, Wernings Weinstuben, Juwelier Haselhorst, Foto Birwe (nach mehr als 50 Jahren). Sie alle eint: Engagierte Inhaber mit großem Fachwissen wollten persönlich und mit viel Qualität dafür sorgen, dass Kunden zufrieden sind. Rabatte statt Beratung Sinnbildlich für so manches Aus ist das, was dann kommt. Es erzählt einiges über uns, unser Kaufverhalten. 2017 schloss an der Ritterstraße das Musikhaus Niemeyer. Hier saßen kompetente Menschen, die alles wussten – von der Note bis zum Instrument. Die beraten haben, bis der Kaffee kalt war. Und was kommt jetzt? Ein &bdquo;Alles-80-Prozent-billiger“-Outletladen. Er steht repräsentativ fürs Thema Der Kreis schließt sich beim Blick auf einen Laden, der 2016 aufgab. Da schloss Holger Focken-Kremer in der Altstadt sein &bdquo;Globetrotter Camp“. Nach 32 Jahren. Sein Team wusste auf jede Frage eine Antwort, er stellte Zelte zum Testen in den Kunsthallenpark, jeder durfte alles ausprobieren. Und dann? Gab er auf, hatte Tränen in den Augen. Doch seine Idee, toll zu beraten, kulant zu sein, hilfsbereit und nachhaltig, wurde konterkariert. Am Ende zogen ihm jene Kunden den Nerv, die seine Wanderschuhe ausprobierten, seine Zelte testeten, seine Jacken anprobierten – und dann das Preisschild abfotografierten und das Modell online 20 Euro billiger kauften. Erst beraten lassen, dann online gehen Er, der nur zu gerne darauf hinwies, wo die Ware hergestellt wurde, zu welchen Bedingungen, wer die Wanderschuhe reparierte, er wurde eines Besseren belehrt: Lieber schauten die Kunden bei ihm die Ware an, bestellten dann acht Paar Schuhe online, schickten alles immer schön hin und her – und kauften so was Passendes. Egal, wo hergestellt, egal, ob zu reparieren . . . oder auch nicht. Hauptsache günstig. Und wenn wir jetzt dem Kommen und Gehen zuschauen, die Ketten beäugen, das Essengehen auf Pizza, Döner und Burger reduzieren – und uns vor lauter billy-billig nicht mehr retten können, dann ist es leider so, dass ein Blick in den Spiegel reicht, um die Schuldigen zu entdecken.

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