Universität Bielefeld: Erste Frau an der Spitze der Hochschule fühlt sich stärker beobachtet

Bielefeld. Sie ist eine absolute Ausnahmeerscheinung – nicht nur an der Universität Bielefeld. Mit dem 1. Oktober wird Angelika Epple zur ersten Uni-Rektorin in der Geschichte der größten Hochschule in Ostwestfalen-Lippe. Dass mit ihr obendrein eine Geisteswissenschaftlerin an die Spitze tritt, sei eigentlich noch ungewöhnlicher, sagt die Historikerin beim Treffen mit dieser Redaktion mit einem Augenzwinkern. Wer der lebhaften 57-Jährigen mit dem blonden Pagenkopfschnitt gegenübersitzt, merkt schnell, dass mit Epple auch ein neuer, moderner Führungsstil Einzug hält. Dass sie sich damit angreifbar machen könnte, ist ihr bewusst. Schrecken tut es sie nicht. Ihr geht es nicht um Macht. Sondern ums Machen. Epple ist eine Frau mit klaren Visionen und Worten. &bdquo;Ein teamorientierter Führungsstil ist mein Ideal. So sehe ich die Welt, und das braucht unsere Gesellschaft.“ Das werde jedoch schwer zu verwirklichen sein. &bdquo;Team-Orientierung steht für flache Hierarchien, hat aber nichts mit einem vermeintlich weiblichen Führungsstil zu tun. Dies immer wieder zu betonen, ist wichtig.“ Im konstruktiven Austausch, offen für andere Meinungen und nahbar, so will die neue Uni-Chefin von Anfang an ihr Amt gestalten. Dazu passt der erste öffentliche Auftritt als Rektorin, den sie sich für ihren ersten Arbeitstag vorgenommen hat. Eindrucksvolle Karriere an der Uni Bielefeld Zwei Stunden lang will Epple in der zentralen Unihalle mit Studierenden und Uni-Beschäftigten ins Gespräch kommen. Es ist ein Dienstantritt mit Erdung, nachdem sie auf dem von langer Hand vorbereiteten Höhepunkt ihrer Karriere an der Uni Bielefeld angekommen ist. Denn vorstellen muss sich die Baden-Württembergerin, die in Heilbronn geboren und aufgewachsen ist, hier eigentlich nicht. Sie hat sich längst einen Namen gemacht. Bereits seit 2008 ist Epple Professorin für die Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts an der Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie, war mehr als vier Jahre Dekanin und Prodekanin. Seit 2015 ist sie Teil des Rektorats, war als Prorektorin zuständig für die Themen Internationales, Diversität und Forschung und seit 2021 zudem Stellvertreterin von Unirektor Gerhard Sagerer – ihrem Vorgänger und Förderer. Gleichstellung sei ein Projekt, das Männer und Frauen nur gemeinsam voranbringen könnten, ist Epple überzeugt. Epple will ein neues Miteinander an der Uni Jetzt sind die Erwartungen hoch, dass sie besonders schnell im Amt ankommt und als erste Rektorin dennoch vieles anders machen wird. &bdquo;Dabei stehe ich stärker unter Beobachtung als ein Mann, das ist so.“ Ist die Universität denn noch immer eine Männerdomäne? Da muss Epple nicht überlegen: &bdquo;Vielfach ja. Das ist in den verschiedenen Disziplinen aber sehr unterschiedlich. Es gibt an der Universität Bielefeld auch Fächer, in denen beispielsweise Professorinnen in der Mehrheit sind.“ Es gehe jedoch darum, stereotype Verhaltensweisen nachhaltig zu verändern, insbesondere erfordere es eine neue Diskussionskultur: &bdquo;So haben Männer in Konferenzen noch immer einen viel höheren Redeanteil. Das läuft oft unbewusst und intuitiv. Frauen tragen ihren Anteil dazu bei, denn sie neigen dazu, das Geschehen erst einmal zu beobachten. Das muss sich ändern, den Anspruch habe ich.“ Zwei &bdquo;Mammutaufgaben“, wie sie es nennt, übernimmt Epple obendrein von ihrem Vorgänger: Den Aufbau der Medizinischen Fakultät und den Uni-Umbau, der die Hochschule noch bis voraussichtlich 2036 zur Großbaustelle machen wird. Es sind schwierige Grundvoraussetzungen, um im immer härter werdenden Wettbewerb um den besten wissenschaftlichen Nachwuchs bestehen zu können. In internationalen Rankings ist die Uni vom Rang einer deutschen Top-Universität weit entfernt. Spitzenforscherin für Rankings, aber kein Fan davon Mit derartigen Bewertungsskalen kennt sich Epple aus. Und sie ist kein Fan davon. Rankings seien ein populäres, einfaches, aber auch irreführendes Mittel des Vergleichens, sagt sie und stellt klar: &bdquo;Wir konkurrieren nicht in allen Bereichen mit Heidelberg, München, Berlin. Wir konkurrieren in bestimmten Fachgebieten, in denen wir exzellent sein wollen.“ Und das betreffe nicht nur die Exzellenzforschung. So habe die Universität Bielefeld eine &bdquo;hervorragende Lehramtsausbildung“ in Zeiten, in denen gute Lehrerinnen und Lehrer immer dringender gebraucht würden. &bdquo;Da müssen wir auch weiter einen Fokus behalten. Ich möchte eine Lehramtsausbildung mit hohen Praxisanteilen aufbauen. Das halte ich für extrem wichtig.“ Für all das bringt sie viel Erfahrung und positive Energie mit. Man merkt, sie freut sich darauf, jetzt selbst am Steuer zu sitzen. Wo andere Probleme sehen, sieht Epple Lösungen. Doch hat sie den Biss, ihre Visionen auch durchzusetzen? &bdquo;Ich bin freundlich und diskutiere gerne“, sagt sie lächelnd. &bdquo;Kann aber auch sehr hartnäckig sein.“ Im Kloster kann sich die Uni-Rektorin am besten konzentrieren Dabei kann sie störende Stimmen auch ausblenden. Gerade hat sie 14 Tage in einem Kloster in Meschede verbracht. Um in absoluter Stille an ihrem aktuellen wissenschaftlichen Buch zu schreiben. &bdquo;So kann ich mich am besten konzentrieren.“ Ob sie gläubig ist? Da sei sie noch zu keinem abschließenden Ergebnis gekommen, sagt Epple zögernd und vermittelt das erste Mal den Eindruck, einer zu privaten Frage auszuweichen. Lieber redet sie darüber, wie gerne sie im Teutoburger Wald spazieren geht. Den hat sie gleich um die Ecke, in Hoberge, wo sie lebt. Im Wald kann sie entspannen. Seit 15 Jahren ist sie mit ihrem Mann, dem Drehbuchautor André Georgi, in Bielefeld zuhause, die beiden Töchter (25 und 27 Jahre) sind bereits ausgezogen. Lesen Sie auch: Nach stundenlanger Wahl: Angelika Epple wird neue Rektorin der Bielefelder Uni Ist sie für sie ein Vorbild? Für ein Geschichtsstudium wie die Mutter habe sich jedenfalls keine der beiden entschieden, meint Epple lachend. &bdquo;Es ist eher so, dass ich auch von meinen Töchtern viel lerne, und ich bin sehr stolz auf sie.“ Ihr Mann ist Drehbuchautor, aber den "Tatort" schaut sie lieber allein Dann verrät Epple noch etwas, das nicht ihre Stärke ist: das Kochen. &bdquo;Das macht meistens mein Mann.“ Zum Beispiel während Epple am Sonntag &bdquo;Tatort“ schaut. Alleine. Ihr Mann, der für die Kult-Krimireihe bereits Drehbücher geschrieben hat, sei mit seinem professionellen Blick dabei keine gute Gesellschaft. Seit 37 Jahren sind die beiden ein Paar. Von ihrem Mann hat Epple auch die kleine Skulptur eines Goldgräbers bekommen, der ab Oktober auf ihrem Schreibtisch im Rektorat seinen Platz finden wird. &bdquo;Er mahnt mich zu Geduld und Ausdauer.“

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