NW-Zustellpaar mit fast 90 Jahren noch morgens um 4 Uhr in Bieledeld unterwegs

Bielefeld. Es ist ein ungewöhnlich heißer September. Doch morgens um kurz vor vier ist es noch recht kühl. Außer ein paar fleißigen Bäckern schläft noch alles, die Häuser sind dunkel, der Himmel auch. An der Zeitungsablagestelle an der Friedrichsdorfer Straße in Windflöte ist es still. Die leere Landstraße wirkt gespenstisch; bis die Schlingmanns in ihrem kleinen silberfarbenen Auto angedüst kommen, aussteigen und, ohne sich allzu lang mit der Begrüßung aufzuhalten, emsig an die Arbeit machen. Die Zeitung muss schließlich pünktlich um 6 Uhr zugestellt sein. Der 88-jährige Rolf Schlingmann ist wohl der NW-Mitarbeiter mit der längsten Dienstzeit. Als er in den 60er Jahren anfing, nachts Zeitungen zu verteilen, da gab es die Neue Westfälische noch gar nicht. Damals fuhr er für die Freie Presse früh morgens los und brachte die Zeitungsbündel zu den Ablageorten, an denen sie anschließend von den Zustellern zu den heimischen Briefkästen gebracht wurden. Erst 1967 wurde aus der Freien Presse und der Westfälischen Zeitung dann die Neue Westfälische. 90 Zeitungen werden ausgetragen Heute ist Rolf Schlingmann nur noch in seinem Heimatbezirk Windflöte unterwegs und seine 87-jährige Frau Rosemarie begleitet ihn. Jeden Morgen, von Montag bis Samstag, stehen die beiden um halb vier auf und fahren die Zeitungen - und seit 2020 auch die Briefe der Citipost - zu den Bewohnern im Bielefelder Süden. Sie sind ein eingespieltes Team. Jeder Handgriff sitzt. Rolf Schlingmann hievt die schweren Zeitungsbündel ins Auto, währenddessen holt seine Frau die Post aus einer abschließbaren Truhe. Sie lösen die Schnüre, die die Zeitungsbündel zusammen halten und legen sich für jede Straße einen abgezählten Haufen auf dem Armaturenbrett zurecht. Insgesamt tragen sie täglich etwa 90 Zeitungen aus. Rosemarie Schlingmann-Grospitz hat eine handgeschriebene Liste, auf der Namen und Anschriften der Zeitungsabonnenten stehen. Die brauchen sie aber kaum noch. Sie wissen, wer in ihrem Bezirk eine Zeitung abonniert hat. Bevor es losgeht, muss noch die Post nach Straßen sortiert werden. Dann fahren die beiden zur ersten Adresse.Anfang der 2000er Jahre fuhr Rolf Schlingmann die Route noch alleine mit dem Auto. Zeitgleich war seine Frau in einem anderen Teil von Windflöte mit einem Zeitungskarren unterwegs: &bdquo;Mein Mann ist gefahren, ich bin mit der Karre losgelaufen.“ Häufig übernahmen die Schlingmanns auch für Kollegen, die ausfielen, eine Schicht, sodass sie dann drei Schichten in einer Nacht erledigten. Da mussten sie dann auch schon mal um 2 Uhr morgens loslegen. &bdquo;Manchmal waren die Zeitungen dann noch gar nicht da“, erzählt Schlingmann-Grospitz. Schnee und Regen hält sie nicht auf Der Zustellerdienst brachte die Schlingmanns in die verschiedensten Ecken von OWL. "Wir haben schon überall ausgeteilt", sagt Rolf Schlingmann und fängt an aufzuzählen: "Friedrichsdorf, Schloß Holte, Paderborn und überall in Bielefeld". Als dann zu den Zeitungen noch die Postzustellung dazu kam, wurde das Gepäck zu viel für die Karre von Rosemarie Schlingmann-Grospitz. Seitdem fahren die Eheleute jeden Morgen zusammen mit dem Auto los, von montags bis samstags, bei jedem Wetter. Von ein wenig Regen und Schnee lassen sich die Schlingmanns nicht unterkriegen. Im Winter kam es auch schon mal vor, dass einer der beiden bei Glatteis ausgerutscht ist. Eine schlimme Verletzung haben sie sich dabei zum Glück nie zugezogen, sagen die Eheleute. Ein anderes Mal sind sie an einem Wintermorgen mit ihrem Auto im Schnee stecken geblieben. &bdquo;Da hat uns dann der Bauer mit seinem Trecker rausgezogen“, erzählt Rosemarie Schlingmann-Grospitz. Bei dem Mega-Schnee im Februar 2021 blieben aber selbst die Schlingmanns zu Hause. Nach über 15 Jahren gemeinsam im Einsatz, sind die Abläufe routiniert. Rosemarie Schlingmann-Grospitz sitzt auf dem Beifahrersitz und hält schon die nächste Zustellung in der Hand. Ihr Mann lenkt den Wagen durch die schwach beleuchtete Allee &bdquo;An der Windflöte“ und steuert zielstrebig den nächsten, gut bekannten Halt an. Der Bezirk ist durchmischt. Es finden sich Ein- und Mehrfamilienhäuser auf ihrer Route und auch die Grundschule Windflöte bekommt von den Schlingmanns eine Zeitung zugestellt. Immer dabei: Arminia-Schal Der Motor des Wagens läuft weiter, während die beiden zu den Häusern laufen und die Zeitung und Post einwerfen. Zwischendurch schaut Rosemarie Schlingmann-Grospitz auf ihre Liste und gibt ihrem Mann Anweisung, wenn nötig: "Hier halten wir nicht. Die bekommen heut' keine Zeitung." Für die Arbeit tragen beide bequeme Kleidung: locker sitzende Jeans, T-Shirt und Sportschuhe. Auf ihren Touren immer mit dabei auf der Hutablage: ihr Arminia-Fan-Schal. Die Spiele ihres Vereins verfolgen die beiden am liebsten zusammen mit anderen Fans in der Kneipe um die Ecke. Rosemarie Schlingmann-Grospitz startete als Zustellerin, nachdem die NW-Filiale in Brackwede geschlossen wurde. Dort hatte sie zuvor im Büro gearbeitet. Früh morgens nahm sie Anrufe von Kunden entgegen, die keine Zeitung bekommen hatten. Ihr Mann fuhr dann mit dem Auto durch ganz Bielefeld und lieferte die fehlenden Exemplare. Beide arbeiteten damals bis 8 Uhr morgens für die Neue Westfälische und gingen anschließend noch ihrer Hauptbeschäftigung nach. Er arbeitete als Schwimmmeister und später als Leiter im Schwimmbad Brake. Sie arbeitete in einer Wäscherei an der Heißmangel. Rosemarie Schlingmann-Grospitz blickt zurück: &bdquo;Wir haben immer viel geschuftet, aber auch gut verdient.“ Diese Arbeitsmoral spürt man auch heute noch bei dem fast 90-jährigen Ehepaar. Vielleicht kommt sie daher, weil ihnen ihr Job Spaß macht. "Die Arbeit wird mir fehlen", sagt Rosemarie Schlingmann-Grospitz und erzählt, wieso: "Die Bewegung tut einfach gut. Und das Sortieren hält den Kopf fit." Ihr Mann ergänzt: "Aber langsam haben wir gedacht, dass jetzt mal Schluss ist.“ In Zukunft haben die Schlingmanns nun mehr Zeit für ihre Hobbys. Beide lesen gerne. Er Western, sie Romane, am liebsten Krimis: "Spannend muss es sein", sagt Rosemarie Schlingmann-Grospitz. Für den wohlverdienten Ruhestand wünscht die NW alles Gute!

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