Florian Bochert im Porträt

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Harvard-Zusage vorm Abi: Der Hermannslauf-Sieger studierte an der berühmten Elite-Uni

Gerade hat Florian Bochert dem Rekordsieger Elias Sansar beim Hermannslauf 2025 den Sieg abgejagt. Die NW traf den Bielefelder schon 2023 für dieses Porträt.

Florian Bochert (22) hat Politikwissenschaften in Harvard studiert und darf als erfolgreicher Absolvent die Quaste am traditionellen Hut jetzt links neben dem Gesicht tragen. | © Jörg Dieckmann - www. dieckmann-fotodesign.de

Christine Panhorst
28.04.2025 | 28.04.2025, 11:55

Bielefeld. Es ist Dezember 2018, als Florian Bochert spät in der Nacht aufs Handy schaut. Da steht es plötzlich in einer E-Mail schwarz auf weiß: Er ist angenommen als Harvard-Student – und das schon vor dem Abitur. So unglaublich ist die Nachricht, dass sich der Schüler erst mal wieder hinlegt. „Meinen Eltern hab ich es erst am Morgen erzählt", sagt er lachend. Sein Studium der Politikwissenschaften an einer der renommiertesten Unis weltweit wird für ihn durch die Corona-Pandemie zum doppelten Abenteuer.

Ein Treffen am Obersee im Juni 2023 mit dem 22-jährigen Überflieger, der es trotz Hindernissen geschafft hat – mit Top-Abschluss und Absolventenhut aus Harvard. Dessen Quaste muss fürs Bild links von der Nase baumeln. Aber von vorne.

Wie kommt man als Bielefelder Gymnasiast der Marienschule in Schildesche an die amerikanische Elite-Uni Harvard? „Sich einfach bewerben und es versuchen", sagt Bochert. Das sei zwar nur der erste, aber der wichtigste Schritt. Davon, dass die Chance für die Aufnahme unter allen Bewerbern bei nur fünf Prozent liegt, lässt sich der junge Bielefelder nicht abschrecken, als er sich 2018 ins aufwendige Bewerbungsverfahren stürzt.

Barack Obama und John F. Kennedy besuchten schon als Studenten die Elite-Uni in der Nähe der Stadt Boston

Geschafft! Florian Bochert wirft auf dem Harvard-Campus den Absolventenhut in die Luft. Seit Juni ist der 22-Jährige zurück in Bielefeld. Und will in Deutschland bleiben. - © Florian Bochert
Geschafft! Florian Bochert wirft auf dem Harvard-Campus den Absolventenhut in die Luft. Seit Juni ist der 22-Jährige zurück in Bielefeld. Und will in Deutschland bleiben. | © Florian Bochert

Die Latte für ein Studium an der Privatuniversität bei Boston im Bundesstaat Massachusetts liegt extrem hoch, sehr gute Schulnoten sind selbstverständlich. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg und die US-Präsidenten Barack Obama und John F. Kennedy gehören zu den Absolventen. „Man muss auch mit seiner Persönlichkeit und Engagement überzeugen. Und dass man die Dinge leidenschaftlich macht, ist wichtig. Dazu benötigt man Empfehlungsschreiben von Lehrern und muss in Onlinetests sehr gut abschneiden", sagt Bochert, der sich die zudem notwendigen Englischkenntnisse beim einjährigen Schulbesuch in den USA angeeignet hat. Dort sei auch der Traum vom Harvard-Studium entstanden.

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Und tatsächlich kann der Bielefelder Schüler bei der Auswahl-Jury mit seinem politischen Ehrenamt punkten: An der Marienschule organisiert Bochert eine Podiumsdiskussion mit Politikern aller Parteien und engagiert sich im europäischen Jugendparlament. Sein Schulpraktikum macht er in der Verwaltung des Berliner Bundestags, und er tritt jung den Grünen bei.

Harvard verlangt Studiengebühren - ohne Stipendium und Unterstützung der Eltern geht es nicht

Seine Diszipliniertheit stellt Bochert zudem als Läufer unter Beweis, ist seit zehn Jahren Mitglied im TSVE 1890. Heute laufe er fast täglich um die 16 Kilometer, sagt der 22-Jährige, der in Obersee-Nähe aufgewachsen ist. Bis heute führt seine liebste Laufstrecke am Seeufer entlang.

Doch mal ehrlich, wer nach Harvard will, muss sich das Studium, das Hunderttausende kosten kann, leisten können. Ohne ein Stipendium und die Unterstützung seiner Eltern wäre es nicht gegangen, sagt auch Bochert, der Sohn einer Bielefelder Gynäkologin und eines Ingenieurs ist. „Ich bin ihnen sehr dankbar. Meine Studiengebühren wurden dann anhand der Steuererklärung meiner Eltern berechnet." Mit drin sei da zum Glück die Unterbringung in einem Wohnheim auf dem Campus.

Als Bocherts Harvard-Abenteuer im August 2019 beginnt, ist vieles spannend, neu, ungewohnt. Sein Zimmer teilt er sich mit zwei anderen Studenten, es gibt bizarre Traditionen und viele kluge Köpfe. „Allein von meinen Freunden und Mitstudenten habe ich unheimlich viel gelernt." Dann kommt der wahr gewordene Traum im Frühjahr 2020 abrupt zum Stillstand. Wegen der Corona-Pandemie schließt Harvard den Campus, Bochert kann für zwei Monate bei einem Freund unterkommen. Dann muss er zurück nach Bielefeld, das Harvard-Erlebnis wird zum Fernstudium.

Bielefelder Florian Bochert schafft den Harvard-Abschluss trotz Corona-Hindernissen mit Topnote

„Das war total schade, ging aber trotz Zeitverschiebung erstaunlich gut, weil die meisten Vorlesungen morgens stattfinden und ich sechs Stunden zeitversetzt nachmittags teilnehmen konnte." Und es sei ja vielen seiner Freunde in der Pandemie ähnlich ergangen. „Wir haben uns nach unseren Onlineveranstaltungen abends in Bielefeld wieder treffen können." Nur ausgerechnet der Freitagabend ist blockiert, weil Bochert für die 15-Uhr-Vorlesung in den USA ab 21 Uhr vorm Bildschirm sitzt.

Im Herbst 2021 kann der Bielefelder endlich auf den Harvard-Campus zurückkehren, muss Freundschaften neu aufbauen und erlebt Harvards beste Seiten. „Die Professoren schenken einem viel Vertrauen, sind immer ansprechbar, und man wird gefördert." Jetzt hat er den Bachelor mit Notendurchschnitt 1,03 in der Tasche, darf die Quaste am traditionellen schwarzen Hut von rechts nach links legen.

Harvard hat auch Bocherts Blick auf das eigene Land verändert: „Wir haben ein politisches System, das noch funktioniert. Ich habe gemerkt, dass Deutschland eher meine Heimat ist und ich hier leben möchte." Und vielleicht politisch Karriere machen. Während Harvard-Freunde Top-Jobs bei Amazon oder Beraterfirmen ergattern, freut sich Bochert aufs Masterstudium in Berlin – im Fach „Internationale Beziehungen".