Bielefelder Stadtbahn-Modell verschwindet: Ende einer Ära nach über 40 Jahren

Bielefeld. Was ist denn da los? An der Haltestelle Sieker, aber auch an anderen Stellen entlang der Stadtbahnstrecke Richtung Adenauerplatz, stehen am Montagvormittag Menschen mit Fotoapparaten und Handys und blicken gespannt auf die Schienen. Pünktlich um 10.15 Uhr kommt dann der Star aus der Halle des Betriebshofs des Verkehrsunternehmens Mobiel an der Haltestelle Sieker: die letzte Straßenbahn des Typ M8C (achtachsig, mit Meterspurbetrieb und Gleichstromstellersteuerung, auf Englisch Chopper), die Bahn mit der Nummer 555. Über 40 Jahre haben die Modelle den Bielefelderinnen und Bielefeldern treue Dienste geleistet. Mit den Sonderfahrten endet jetzt eine Straßenbahn-Ära in der Stadt. &bdquo;Ein Teil geht jetzt nach Polen, ein anderer wird verschrottet“, berichtet Jey Vijayukumer. Für ihn sei es eine besondere Ehre, die Bahn auf den vier kostenlosen Sonderfahrten zu steuern, sagt der 29-Jährige, der sonst als Disponent bei Mobiel arbeitet. Nicht nur er ist ein echter Fan der Modelle. &bdquo;Man verbindet ganz viele Kindheits- und Jugenderinnerungen mit diesen Bahnen“, sagt Dirk Lüngen (47), der mit seiner Familie und einem Freund aus Schulzeiten mitfährt. &bdquo;Wie oft habe ich auf der Fahrt zur Schule noch schnell die Hausaufgaben abgeschrieben?“, sagt er. Es sei immer rappelvoll gewesen morgens in der Bahn, &bdquo;aber es war immer was los, wir hatten immer Spaß und haben auch echt eine Menge Quatsch gemacht“. Als er dann mit den Kumpels loszog zum Feiern, habe er immer morgens die erste Bahn Richtung Sieker genommen, um aus der Stadt wieder nach Hause nach Hillegossen zu kommen. &bdquo;Zum Glück hatte das Elfenbein immer lange genug auf“, ergänzt er. Von Sieker zum Adenauerplatz, aufs Ausweichgleis gegenüber der Kunsthalle Bielefeld Von Sieker geht die Fahrt zum Adenauerplatz, dort dann aufs Ausweichgleis im Grünstreifen gegenüber der Kunsthalle. 20 Minuten Pause, Zeit für Erinnerungsfotos. Auch auf dem Fahrsitz dürfen die Fans Platz nehmen, die Klingen mit dem prägnanten Ton erklingen lassen. Aber Rollschuhe, Pommes, Eis: alles verboten in der Bahn, wie schon vor 40 Jahren. Das zeigen die entsprechenden Schilder oben neben der Tür zur Fahrerkabine, direkt neben der Wagenummer 555, an. Inbetriebnahme: Juni 1987, Gewicht 38.000 Kilogramm, Geschwindigkeit: 70 Stundenkilometer, 54 Sitz- und 86 Stehplätze: Die Fahrgäste kennen alle Details zur Straßenbahngeneration. &bdquo;Kann man auch hier auf dem Schild lesen“, sagt Yannik Rotenberg (16). Er finde das Modell &bdquo;viel schöner“ als die neuen Vamos-Bahnen. Eine M8C stehe noch auf dem Abstellgleis zwischen Jahnplatz und Hauptbahnhof, berichtet der Schüler. Das bestätigt Raphael Meitzner. Der 20-Jährige ist selbst Stadtbahnfahrer bei Mobiel und hat im Dezember vergangenen Jahres den Verein &bdquo;Verkehrshistorische Arbeitsgemeinschaft Bielefeld“ mitgegründet. Das erste Projekt, den Erhalt von zwei Stadtbahnwagen der Generation M8C, sei mit Spendengeldern realisiert worden. &bdquo;Die eine Bahn steht in Polen und soll da in ein Museum kommen, die andere ist die hier auf dem Abstellgleis“, sagt er. Noch sei nicht klar, ob sie hier in Bielefeld bleiben könne – aus Platzgründen. Für Bielefelds ÖPNV-Historie haben die Modelle eine besondere Bedeutung. Anfang bis Mitte der 1980er Jahre wurden hier 44 Stadtbahnen des Typs M8C in Betrieb genommen. Die orangefarbene Flotte wurde ein großer Erfolg, die Fahrgastzahlen stiegen kontinuierlich. Dann wechselte Mobiel 2011 zum Vamos-Modell und läutete damit das langsame Ende der schmaleren M8C-Wagen ein. M8C waren die ersten Stadtbahnen in Bielefeld &bdquo;Sie waren in Bielefeld die ersten Stadtbahnen“, ergänzt Meitzner. &bdquo;Vorher gab’s hier nur ein reines Straßenbahnsystem, ohne Hochbahnsteige und Tunnel.“ Die M8C dagegen waren mit Trittstufen ausgestattet und so auch für den Hochflurbetrieb gut gerüstet. Ein Teil der ältesten Wagen (517 bis 520) ist längst verschrottet, andere wurden nach Polen verkauft. Einen M8C behalten wir erst mal noch für betriebliche Zwecke, zum Beispiel um eine Lore zu ziehen“, berichtet Mobiel-Pressesprecherin Yvonne Liebold. &bdquo;Von mir aus hätten die alten Bahnen gern noch weiter hier fahren können, sie sind doch noch gut in Schuss“, sagt Heidemarie Kaminski und lässt ihren Blick durch die Bahn schweifen. Sie ist eine der wenigen Frauen, die am Montag bei der letzten Fahrt der letzten M8C dabei sind. Auch sie verbindet mit den Straßenbahnmodellen Erinnerungen an vergangenen Zeiten. &bdquo;Als ich 17 war, habe ich in der Innenstadt eine Ausbildung gemacht und bin immer damit zur Arbeit gefahren“, sagt Kaminski.

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