Überschallknall erschreckt Bielefelder: Luftwaffe fängt niederländische Boeing ab

Bielefeld. Montag, 1. Mai: Die einen sind noch am Demonstrieren, die anderen schon beim Feiern oder Chillen im Sonnenschein - doch um 12.55 Uhr horcht fast ganz OWL auf: Zwei heftige Donnerschläge dröhnten durch die Luft. Fenster und Türen wackelten durch den Luftdruck, wegen der Erschütterung klapperte das Geschirr in den Schränken. Manche Menschen sprachen sogar vom bebenden Boden unter ihren Füßen - viele zuckten beim Doppel-Donner erschrocken zusammen. Schlagartig verstummte das Vogelgezwitsche: Was war passiert? In den Leitstellen von Polizei und Feuerwehr gingen die Notrufe ein im Sekundentakt, für einen Moment herrschte Konfusion. Dann rückte ein großer Tross von Feuerwehrfahrzeugen aus nach Brackwede - war dort etwas Schlimmes passiert? Gerüchte machten die Runde, doch die Entwarnung folgt unmittelbar - sowie die Aufklärung für den massiven Krach. Und die lieferte Oberstleutnant Matthias Boehnke. Der Pressesprecher der Luftwaffe in Berlin erklärt den Vorfall: "Tatsächlich handelte es sich um keine Übung, sondern um einen regulären Einsatz unserer QRA der Luftwaffe." Zwei Eurofighter von der Quick Reaction Alert, der Alarmbereitschaft der Luftwaffe, seien um 12.26 Uhr alarmiert worden, weil eine zivile Passagiermaschine nicht auf das Anfunken durch die Flugüberwachung reagiert habe. Wie sich im Verlauf des Einsatzes herausstellte, habe es sich um eine Boeing 737 der niederländischen Fluggesellschaft Transavia gehandelt. Die Maschine sei von Heraklion in Griechenland kommend auf dem Weg nach Amsterdam gewesen. Als die Maschine gegen 12.22 Uhr von der Tschechischen Republik kommend über Bayern in den deutschen Luftraum flog, sei der Kontakt abgebrochen. Kampfjets flankieren niederländischen Urlaubsflieger Alarm auf dem Fliegerhorst Laage bei Rostock: Während sich die Piloten des Taktischen Luftwaffengeschwaders 73 aufmachen zu ihren bereitstehenden Maschinen, sperrt die Flugsicherung den Korridor von Laage bis nach Münster, dem sich der Urlaubsflieger von Süden langsam nähert. Zeitgleich wurde die Fluggesellschaft über das Problem informiert. Zehn Minuten nach dem Alarm seien die beiden Abfangjäger dann vom nördlichen Stützpunkt der QRA gestartet. Für die Distanz von über 400 Kilometern brauchten die beiden Piloten knapp 20 Minuten bis sie in rund 12 Kilometer Höhe zu der Boeing 737 aufschließen konnten. Kurz vor dem Sichtkontakt zündeten die Eurofighter ihre Turbos, bei Hannover donnerten sie durch die Schallmauer - denn um 12.55 Uhr wackelte es in Bielefeld und fast ganz OWL sowie in Gebieten in Niedersachsen. Im Überschallflug jagte die Patrouille dem Ziel entgegen - auf Flight Level 400, besagten 40.000 Fuß, drosselten die Piloten ihr Tempo und gingen in Position. "Ein Eurofighter blieb hinter der zivilen Maschine und der andere setzte sich neben den Verkehrsflieger und signalisierte per Handzeichen, dass es ein Problem mit dem Funk gebe", erklärt Boehnke das aus Filmen bekannte Flugmanöver. Das passierte Punkt 12.56 Uhr. "Das merken die schon, wenn plötzlich ein Kampfjet neben ihnen auftaucht", sagt der Offizier. Der Pilot der Luftwaffen checkte vor allem, ob überhaupt jemand im Cockpit saß oder sich Fremde dort aufhielten, und gab dann die im Flugverkehr bekannten Zeichen. Überschallknall über Hannover. Unsere Quick Reaction Alert (2 Eurofighter) stieg aus Laage auf um ein Flugzeug in Richtung Amsterdam ohne Funkkontakt zu überprüfen. Als der Pilot uns südlich von Münster bemerkte, konnte der Kontakt wieder hergestellt werden. In der Zwischenzeit pic.twitter.com/cNzY11ZABX Team Luftwaffe (@Team_Luftwaffe) May 1, 2023 Nach dem Auftauchen der unerwarteten Eskorte muss die Crew in der Boeing dann fix den Fehler gefunden haben, denn um 12.59 Uhr meldete die Flugsicherung Maastricht, dass es wieder eine Verbindung gebe zu der Transavia-Maschine. "Kurz darauf bestätigte die Flugsicherung, dass es sich um einen Pilotenfehler gehandelt habe, die Crew hatte mutmaßlich die falsche Frequenz eingestellt, was dann umgehend korrigiert wurde", schildert Boehnke den minutiösen Ablauf des Einsatzes. Punkt 13.02 Uhr drehten die beiden Eurofighter ab und machten sich wieder auf den Heimweg zum Fliegerhorst in Laage, wo sie laut Boehnke um 13.38 Uhr sicher landeten. Das machte auch die Boeing 737 in Amsterdam, deren Passagiere kurz vor Ende des Urlaubs noch eine echtes Abenteuer erlebten. Der gesamte QRA-Einsatz dauerte rund 70 Minuten und zeigte auch am Boden große Wirkung, wo besorgte Menschen noch länger in den Leitstellen von Polizei und Feuerwehr anriefen und nach der Ursache der vermeintlichen Explosionen fragten. Wegen der kräftigen Druckwelle, die theoretisch zu Schäden hatte führen können, bot die Luftwaffe eine Hotline an, wo sich Betroffene melden konnten. Tatsächlich habe es zwei Anrufe gegeben, erklärte Boehnke am Mittwoch: zwei Risse in zwei Scheiben, die Prüfung des Anspruchs auf Schadensersatz laufe. Die Kosten für das Abfang-Unternehmen gehe zu Lasten des Budgets der Luftwaffe, da es sich bei der Cockpit-Crew um ein Versehen gehandelt habe. Im Falle einer großen Fahrlässigkeit würden Regressansprüche von deutscher Seite geltend gemacht. Update zum Ablauf Boing 727 aus Mikonos in Richtung Amsterdam12:22 kein Funkkontakt bei Einflug deutscher Luftraum 12:26 QRA Laage wird alarmiert 12:30 Befehl: AScramble12:30 Geschwader meldet Start in 10 min12:36 Start der beiden #eurofighter FL400 ca. 12 Km Höhe 12:56 Team Luftwaffe (@Team_Luftwaffe) May 1, 2023

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