Rettung für insolventen Bielefelder Pflegedienst - Hunderte Kunden betroffen

Bielefeld. Nach 45 Jahren ist einer der wichtigsten Kooperationspartner und Mitbegründer des Bielefelder Modells bald Geschichte. Der angeschlagene Verein und Pflegeanbieter &bdquo;Alt und Jung Nord-Ost“ steht vor der Auflösung, wie Insolvenzverwalter Axel Geese von der Kanzlei Streitbörger auf Anfrage mitteilt. Die gute Nachricht: Ein neu gegründeter Pflegedienst hat zum 1. April große Teile des Betriebs übernommen und wird rund 120 Arbeitsplätze und die Betreuung von rund 300 Kunden sichern. Ein Verein soll weitere Kunden auffangen. Ein erstes Aufatmen bei der Stadt und der Bielefelder Gesellschaft für Wohnen und Immobiliendienstleistungen (BGW) – sie haben mit dem Pflegedienst &bdquo;Melly Cox GmbH & Co. KG“ einen neuen Partner gefunden für das Vorreiterprojekt. Seit den 1990er Jahren ermöglicht das sogenannte &bdquo;Bielefelder Modell“ hilfe- und pflegebedürftigen Menschen ein selbstbestimmtes Wohnen mit Versorgungssicherheit in Wohnquartieren in der ganzen Stadt. An sieben Standorten kann es damit trotz &bdquo;Alt und Jung“-Insolvenz jetzt weitergehen dank Jeanette Cox – Namensgeberin, Geschäftsführerin und Pflegedienstleitung beim Nachfolger. Cox sei &bdquo;sehr daran gelegen, die Grundidee des selbstbestimmten Wohnens weiterzuführen und fortzuentwickeln sowie ehrenamtliches Engagement im Pflegebereich zu fördern“, teilt das Unternehmen mit. &bdquo;Sie hat selbst jahrelang beim Verein Alt und Jung gearbeitet. Es gibt einen engen persönlichen Bezug“, sagt Karsten Schlimgen, kaufmännischer Leiter und zweiter Geschäftsführer bei &bdquo;Melly Cox“. Zwei Standorte des Bielefelder Modells werden vom neuen Pflegedienst nicht übernommen In den Wohnquartieren am Kammermühlenweg, an der Heinrichstraße, der Westerfeldstraße und der Braker Straße wird der neue ambulante Pflegedienst die pflegerische Betreuung in Kooperation mit Stadt und BGW fortführen. Inwieweit jedoch alle Kooperationsverträge vom neuen Anbieter im Detail übernommen werden könnten, wie in Zukunft Quartiersarbeit, Wohncafés und Tagesangebote aussehen sollen, sei noch in der Abstimmung, sagt Sozialdezernent Ingo Nürnberger. Schlimgen erklärt dazu: &bdquo;Da viele dieser Angebote bisher mit Ehrenamtlichen organisiert worden sind, sind wir rein rechtlich nicht in der Position, diese weiterzuführen.“ Hier arbeite man mit BGW und Stadt an einer Lösung. Darüber hinaus übernimmt &bdquo;Melly Cox“ vom insolventen Vorgänger die Wohngemeinschaft &bdquo;Huchzermeierstraße“, Pflegeteam und Wohngemeinschaft &bdquo;Am Meierteich“ sowie das Projekt &bdquo;Am Brakhof“. Der Großteil der Kunden werde durch das vertraute Pflegepersonal, das der Pflegedienst ebenfalls übernimmt, weiter betreut, betont Schlimgen. Nicht fortführen werde &bdquo;Melly Cox“ die Modell-Standorte in Baumheide und am Nordpark. &bdquo;Aus wirtschaftlichen Gründen“, so Schlimgen. Am Nordpark werde ein anderer Pflegedienst die Lücke schließen, die Versorgung der Pflegebedürftigen in Baumheide durch den Umzug in andere Projekte und an andere Standorte sichergestellt. Das Bielefelder Modell muss sich verändern, damit es sich weiter finanzieren lässt Noch seien nicht alle Versorgungsverträge mit den rund 300 übernommenen Kunden neu abgeschlossen worden, sagt Geschäftsführer Schlimgen. &bdquo;Wir sind da dran.“ Auch am neuen Unternehmenssitz im stadtbekannten Graffiti-Haus an der Hermannstraße 76 / Ecke Teutoburger Straße müsse erst noch gründlich renoviert werden. &bdquo;Wir sind zufrieden, dass die ambulanten Pflegedienstleistungen, das Wichtigste in unseren Wohnquartieren mit Bielefelder Modell, übernommen und fortgesetzt werden“, so BGW-Geschäftsführerin Sabine Kubitza. Sie sei zudem zuversichtlich, dass auch die von &bdquo;Alt und Jung“ betreute Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung gesichert werden könne. Eine Lösung mit &bdquo;nahtlosem Übergang“ hat Insolvenzverwalter Geese bereits angebahnt: Zum 1. Mai werde der neu eingetragene Verein &bdquo;Alt und Jung Soziales“, in dem sich ehemalige Mitarbeiter des insolventen Vorgängers organisiert haben, den Bereich übernehmen. Der Abschied von &bdquo;Alt und Jung Nord-Ost“ bleibt für das Bielefelder Modell eine Zäsur. In Zukunft werde es ein größeres finanzielles Engagement von Stadt und BGW geben müssen, sagt Sozialdezernent Nürnberger. &bdquo;Damit sich das Bielefelder Modell besser trägt, muss es in den Quartieren zudem eine angemessen hohe Zahl an Menschen geben, die ambulante Pflege benötigen.“ Aktuell ist der Bielefelder Pflegesektor von zahlreichen Insolvenzen betroffen. Bei einem Pflegegipfel im Mai 2023 sollen Lösungen für die Krisensituation in der Pflege gefunden werden.

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