Bielefelder äußern sich zu Karstadt-Sortiment: "Einheitsbrei, den keiner braucht"

Bielefeld. Die Wahrscheinlichkeit, dass bei Karstadt an der Bahnhofstraße Ende Januar 2024 endgültig die Lichter ausgehen, wächst von Stunde zu Stunde – auch, wenn hinter den Kulissen noch fleißig verhandelt wird. Wie jetzt bekannt wurde, erhalten die 100 Mitarbeitenden nach Ostern auf alle Fälle erst einmal ihre Kündigungen. Bielefelderinnen und Bielefelder verspüren am Tag nach der Bekanntgabe zwar großes Bedauern für die Betroffenen, aber wenig Mitleid mit dem Warenhauskonzern – allenfalls gibt es persönliche Reminiszenzen an frühere Glanzzeiten. Die Bielefelderin Frieda (59) wartet an diesem Morgen darauf, dass Galeria-Karstadt-Kaufhof (GKK) öffnet. Sie möchte etwas in der Lebensmittelabteilung im Untergeschoss besorgen. Auch sie ist mit Karstadt groß geworden, hat dort sogar mal als Studentin gejobbt. &bdquo;Es ist schade, aber was soll man machen“, sagt sie fatalistisch. &bdquo;Wir Älteren lieben es, da hat man so schön alles zusammen.“ Aber dann wird deutlich, dass selbst Fan Frieda das nur noch theoretisch meint. Denn sie räumt ein, dass sie außer Lebensmittel auf den rund 35.000 Quadratmetern Fläche des Kaufhauses sonst seit Jahren nichts mehr gekauft hat. &bdquo;Die Preise sind einfach zu hoch“, kritisiert die 59-Jährige, die offen sagt, dass sie zu den Ärmeren in Bielefeld gehört. Die Galeria-Martkhalle gehört nicht unbedingt zu den Geschäften mit Discount-Preisen. Aber der Vollsortimenter im Untergeschoss des Loom gefalle ihr nicht. Der Großeinkauf werde eh anderenorts erledigt. "Karstadt hat Umfeld und Konkurrenz ignoriert" &bdquo;Man hat das schon kommen sehen“, sagt Frieda, womit sie den Untergang nach mehreren Wiederbelebungsversuchen des Konzerns und seines Konzeptes meint. &bdquo;Es ist zwar alles vertraut, aber auch altbacken.“ Karstadt habe es über Jahre versäumt, mal gründlich zu modernisieren. Und habe verschlafen, dass die Preise für die gleichen Produkte in der Nachbarschaft häufig günstiger seien. &bdquo;Man hat das Umfeld und die Konkurrenz einfach ignoriert“, meint Frieda. Das sieht Simone (33) genau so. &bdquo;Und die Sortimentsauswahl ist ein Problem. Zu viel, zu viel durcheinander.“ Der Mode-Bereich sei ein &bdquo;Einheitsbrei auf Masse, den keiner braucht“. Zu starr sei das Karstadt-System, schön gestaltete Shop-in-Shops wäre auch aus Sicht ihres Begleiters Volker (45) viel interessanter. Als positives Beispiel nennen beide das Kaufhaus L&T in Osnabrück. &bdquo;Die haben es geschafft, modern zu sein“, betont die 33-Jährige. Mit ihrem Angebot, der Aufenthaltsqualität mit Markthalle, Gastronomie und der Hase-Welle fürs Indoor-Surfen. Weitere Kritik: Bahnhofstraße insgesamt zu grau und farblos Der Real-Werbespruch &bdquo;Einmal hin, alles drin“, funktioniere auch bei Karstadt nicht mehr. Simone blickt durchs Schaufenster in die Uhren-Abteilung. &bdquo;40 Modelle veralteter analoger Wecker“, wer brauche so was noch, fragt Simone. Ihr Urteil fürs Karstadt-Sortiment fällt insgesamt vernichtend aus: &bdquo;Aus jedem Dorf ein veralteter Köter . . .“ Lediglich die Haushaltswaren- und Schmuckabteilung sowie die Lebensmittelabteilung finden vor ihren Auge Gnade. Die Preiskritik aber bleibt. Helen und Pia, beide 30, kommen aus dem Bielefelder Westen. Einkaufen bei Karstadt kommt ihnen äußerst selten in den Sinn. Insgesamt sehen sie die Bahnhofstraße eher als notwendiges Übel. Zu grau und farblos, zu ungemütlich, ohne Aufenthaltsqualität. &bdquo;Ich schieße da eher so durch, um meine Besorgungen möglichst schnell zu erledigen“, sagt Pia. Das Angebot im benachbarten Loom ist schon eher ihr Ding. &bdquo;Obwohl“, sagt Helen, &bdquo;so richtig wohl fühle ich mich auch dort nicht. Zu voll.“ Vielleicht noch Corona-Nachwehen, meint die 30-Jährige. Die beiden jungen Frauen bevorzugen in jedem Fall einzelne Läden. Bielefeldern fällt es schwer, sich die Karstadt-Immobilie wegzudenken Was denn anstelle von Karstadt treten könnte? Niemand hat eine konkrete Vorstellung, der riesige Karstadt-Komplex mit seinen 8.000 Quadratmetern Grundfläche ist einfach schon so lange da – zur Schließung dann genau 60 Jahre -, dass es schwerfällt, ihn sich wegzudenken. Peter Schütte (66), der auch nur den Bäcker im Eingangsbereich von Karstadt nutzt und vor vielen Jahren mal bei Karstadt seine Matratze dort gekauft hat, zuckt ebenfalls ratlos die Achseln. &bdquo;Das Gebäude ist ja schon recht alt . . .“, meint er mit einem mitleidigen Blick. Die Investoren Philipp Freiherr von Bechtolsheim und Joseph Zamberk sind mit ihren Überlegungen schon ein Stück weiter. Zwar setzen sie weiterhin auf Galeria Karstadt Kaufhof als Ankermieter. In alles bestehenden Szenarien sei jedoch "ein attraktiver, stimmiger und nachhaltiger Nutzungsmix angedacht, welcher die Innenstadt umfangreich bereichern soll und wird", sagte Zamberk vor Kurzem gegenüber der NW. Angedacht sind Büros, Gastronomie und Einzelhandel. Außerdem scheint es die Idee zu geben, einen Teil des bestehenden Gebäudekomplexes, an der Friedenstraße gelegen, abzureißen und durch Hotel, Parkhaus und Kindertagesstätte zu ersetzen. So war es jedenfalls aus dem Rathaus zu hören. Insgesamt will GKK 47 seiner bundesweit 129 Warenhäuser schließen.

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