Zuschauer in Bielefeld irritiert: Bei "Flic Flac" ist noch Luft nach oben

Bielefeld. Manchmal sagen Gesichtsausdrücke mehr als tausend Worte. Wer sich am Dienstagabend die Reihen der knapp 1.200 Zuschauer im Zelt an der Radrennbahn ansah, der entdeckte immer wieder Irritation, Ungeduld und Sprachlosigkeit. Wo sonst das Staunen und Mitfiebern genauso in der Luft lagen wie der leichte Benzingeruch, kam diesmal gar Unverständnis auf. Höher, schneller, weiter – Flic Flac stand einst für die Jagd nach immer neuen Rekorden. Bei den Vorstellungen stockte Besuchern teils der Atem, so aufregend und fesselnd waren sie. Doch den Zenit hat das einst neuartige Konzept wohl überschritten. Nach so vielen Jahren mit teils immer gleichen Nummern verwundert das auch kaum. Tito Vanegas ist einer der Artisten, der nun wieder auf dem sogenannten Todesrad sein Können beweist. Während sich die fast manegenbreite Apparatur mit zwei kreisrunden Metallkäfigen dreht, springt er von drinnen nach draußen und zeigt sogar Seilspring-Einlagen. Das war einst eine Sensation, doch nun schon fast Routine. Auch die Motocross-Fahrer, die hoch oben durch das Zelt von Rampe zu Rampe springen, schaffen es nicht mehr, zu überraschen – obschon ihre Darbietung den größten Respekt verdient. Flic Flac in Bielefeld: Ein roter Faden durch die Show fehlt Auch andere Artisten beweisen Können und Körperbeherrschung. Tsaja Dobravec aus Slowenien etwa wird eins mit einer großen Metallspirale. Das Duo Leosvel und Diosmani agiert an der Stange, als gäbe es gar keine Schwerkraft. Und die Medini-Geschwister schwingen quietschbunt auf ihren Rollschuhen umher. Vieles ist schön anzusehen, doch die Qualität der einzelnen Nummern war in der Vergangenheit deutlich höher als in diesem Jahr. Kaum ein Jongleur ist dabei, der ohne Patzer auftritt. Auch auf dem Hochseil geht es wackliger zu, als man es von Flic Flac einst gewohnt war. Doch eine Art roter Faden, der die Zuschauer durch die zweistündige Show führt, fehlte. Mit der richtigen Musik und geschickten Überleitungen schuf der Zirkus in früheren Jahren oft eine stimmige Choreographie. Die vermisst man dieses Mal schmerzlich. Die Pausen werden mit leidenschaftslosem Klamauk gefüllt Mit einem weinenden, aber nun kaum noch lachenden Auge blickt man auch zurück auf die oft charmanten Comedians, die anstelle klassischer Zirkusclowns die Lücken zwischen den Artisten mit Kurzweil und einem Augenzwinkern füllten. Stattdessen werden die Pausen dieses Mal mit leidenschaftslosem Klamauk gefüllt. Fabrizio Rosell steckt Eimer ineinander, manchmal stapelt er sie. Immer und immer wieder. Am Ende setzt er sich in einen Eimer hinein, springt auf einen anderen herauf – und der zerbricht. Noch schlimmer ist Camilo, der dafür gleich drei Mal auftreten darf. Mal versucht er sich an Gymnastik, mal musikalisch als Dirigent. Quälend lange pudert er sich dabei vor jeder Anstrengung vor allem seinen Schritt. Weit unter die Gürtellinie schafft es auch &bdquo;El Tipo“. Der Trans-Mensch ist zunächst als Gigolo im Anzug verkleidet und gibt sich als Aufreißer. Mit Seilen peitscht er um sich, auch immer wieder auf den Po einer Zuschauerin, die sich zum Mitmachen in die Manege getraut hat. Bielefelder Zuschauer können sich noch bis zum 8. Januar eine eigene Meinung bilden Spätestens als er sie bei der Verabschiedung dank eines Tricks auf den Mund küsst, dürfte sie das bereut haben. Wie unwohl sie sich in dieser Situation fühlt, ist ihr anzusehen. Nach diesem Akt der Übergriffigkeit entblättert sich &bdquo;El Tipo“ bis auf einen knappen Bikini und tanzt. Noch bis zum 8. Januar sind die Darbietungen an der Radrennbahn zu sehen. Zwei Mal täglich haben die Zuschauer dann Gelegenheit, sich eine eigene Meinung zu bilden. Vielleicht nutzen die Macher ja die Zeit, um noch an so mancher Stellschraube zu drehen.

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