Bau-Experte: „Bielefeld braucht eine neue Bahnhofstraße“

Bielefeld. &bdquo;Bitte keine Blumentöpfe“, mahnte Florian Mausbach, und spielte damit an auf die schwierige Begrünung des Jahnplatzes. Den findet Bielefelds ehemaliger Baudezernent &bdquo;gelungen und ganz freundlich“. Als er sich in seiner Amtszeit zwischen 1990 und 1995 um den &bdquo;Nabel der Stadt“ kümmern musste, galt das Augenmerk noch dem Autoverkehr, Fußgänger verschwanden vorzugsweise unter die Erde. Dorthin begab sich Florian Mausbach auch bei seiner Stippvisite an alter Wirkstätte – und was er dort sah, gefiel ihm gar nicht: &bdquo;schrecklich“ lautet sein Fazit zum Zustand des Jahnplatzforums. Mausbach weilte auf Einladung des Vereins Kompetenznetz in Bielefeld. Der Club der kooperierenden Dienstleister hatte den Stadtplaner und langjährigen Präsidenten der Bundesbaudirektion als Gastredner für seine Jahresveranstaltung gewonnen. Möglich machte das auch der ganz kurze Dienstweg zwischen der Wohnung des vielseitig engagierten Pensionärs und dem Büro von Michael Fredebeul. Der Bielefelder Immobilien-Mann und einer der Initiatoren des Kompetenznetzwerkes unterhält mittlerweile auch eine Dependance in der Landeshauptstadt, was die wegweisende Begegnung durchaus begünstigte. Strukturwandel in der Innenstadt verlangt ein Umdenken Am Dienstag spazierte das Duo allerdings durch Bielefeld, und dabei auch entlang der Bahnhofstraße. Die Tristesse der Einkaufsmeile falle schon auf, sagte Mausbach, der seinem alten Zuhause ansonsten eine &bdquo;tolle Lebendigkeit“ attestierte. &bdquo;Es bewegt sich was in der Stadt, der hellere Jahnplatz bietet den Menschen mehr Platz und die Aufenthaltsqualität in der Altstadt ist groß, das zeigen ja schon die vielen Menschen in den Cafés“, sagte Mausbach. Doch in der Bahnhofstraße müsse sich etwas tun. Vielleicht sei die Zeit für so monoton gestaltete Einkaufszonen einfach vorüber, gab er zu bedenken. &bdquo;In den Innenstadt-Quartieren findet ein Strukturwandel statt, es ist Zeit für ein Umdenken.“ Am Abend präsentierte der Berliner Denker dann im Haus des bronzenen Denkers seinem Publikum ein Potpourri von Anekdoten aus dem reichhaltigen Fundus seines Arbeitslebens. Nachdem ihn die Politik in Bielefeld ziemlich kaltgestellt hatte, &bdquo;am Ende blieben mir nur noch die Bauaufsicht und das Vermessungsamt, das war etwas wenig für einen Stadtplaner“, bewarb sich Mausbach auf andere Stellen und machte einen kolossalen Karrieresprung von der Provinz, &bdquo;Bielefeld liegt ja schon etwas ab“ in die neue Bundeshauptstadt. Als Präsident der Bundesbaudirektion managte er den Umzug von Teilen der Regierung sowie des Parlaments aus Bonn zu den neuen Wirkungsstätten. Renommierte Architekten setzten dabei bedeutende Akzente: Ein monumentaler Nazibau wie das einstige Propagandaministerium bekam einen Minipark im Hof, die Ruine des Reichstags erhielt eine kuppellastige Kernsanierung, Neubauten wie das Bundeskanzleramt vereinen Beton und Glas zu einem &bdquo;Kanzlerschloss“, wie es Mausbach titulierte, das nun das schlichte &bdquo;Bürohaus“ in Bonn aus Adenauerzeit ablöste. Als Mausbach nach seinem Bielefeld-Intermezzo in Berlin eintraf, war ihm die Stadt durchaus vertraut – als Student und Sympathisant der ersten Hausbesetzer-Szene. Die wehrte sich in Kreuzberg gegen den Abriss eines ehemaligen und ortsprägenden Krankenhauses. Der Jung-68er und frische Stadtplaner erstritt mit dem Erhalt des Hauses auch seinen ersten Sieg als Denkmalschützer. Anschließend verhalf er in Peking zusammen mit seiner Frau Ursula und deren Holzschnitten sowie Freunden aus einem Verlag dem chinesischen Reformer Deng Xiaoping an die Macht. Zurück in Deutschland widmete er sich in Frankfurt der zukünftigen Skyline von Mainhattan. Denn Hochhäuser zählen bis heute zu seinen Favoriten – aber nur dort, wo sie auch wirklich hinpassen, wie er sagt. Was in Bielefeld nicht wirklich der Fall sei. Rennbahn und Untersee blieben auf der Strecke Hier verwirklichte er sich auch, allerdings eher im kleinen Stil und manchmal aus der Not heraus. Die Uhr sowie die Würstchenbude auf dem Jahnplatz zählen beispielsweise zu seinem Vermächtnis an exponierter Stelle. &bdquo;Beim Jahnplatz-Umbau damals sollte die Herforder Straße zur Einbahnstraße werden“ erinnert sich Mausbach. Grund dafür sei die überirdisch geplante Stadtbahnhaltestelle gegenüber des Kino-Komplexes gewesen. Mausbach besuchte die Baustelle, sah sich um und kam auf die Idee, die Haltestelle von der Straße in ein Geschäft zu verbannen – in das Ladenlokal der damaligen Fleischerei Damisch. Der Senior der Dynastie stimmte zu, unter einer Bedingung: eine Würstchenbude auf dem Jahnplatz. Dort grillt und frittiert die Familie bis heute. Und die Uhr? Ein klassischer Kompromiss: Die eine Politfraktion favorisierte eine Skulptur des Namensgebers des Platzes, die andere votierte für abstrakte Kunst im öffentlichen Raum. Weil sich beide Lager absehbar nie einigen würden, machte der Baudezernent einen Alleingang: &bdquo;Uhren gehen immer an so exponierter Stelle, und vorher stand dort ja auch eine“, sagte Mausbach. Und leicht verrückt zeigt sie auch nach dem millionenschweren Umbau an, was die Stunde geschlagen hat. Zu seinen &bdquo;Unvollendeten“ zählt Mausbach die Pferderennbahn und den Untersee – zur nächsten &bdquo;Vollendeten“ mausert sich das &bdquo;Einheitsdenkmal“ in Berlin. Die begehbare monumentale Wippe vor dem wiedererrichteten Schloss soll die Demokratie in Bewegung symbolisieren, dass sich etwas bewegt, wenn sich genug Menschen zusammentun, wie bei der friedlichen Revolution 1989.

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