Kommentar Brisanter Vorwurf der Bielefelder Radfahr-Aktivisten kommt schon bald

Bielefeld. Bestimmte Themen bieten so viel Streitpotenzial, dass sie verlässlich viele Gemüter in Wallung bringen. Nichts jedoch versetzt die Bielefelder schneller in Rage als die Fahrrad-Auto-Debatte. Jetzt hat sie neues Futter bekommen. Das Verkehrsamt hat in dieser Woche mitgeteilt, dass die Artur-Ladebeck-Straße nun doch vierspurig bleibt. Verzichtet wird dafür auf den geplanten Bau eines geschützten Fahrradweges, der so genannten Protectet Bike Line. Dieser war eine der Forderungen der Initiative Radentscheid, mit der die Stadt vor der Kommunalwahl 2019 einen Vertrag abgeschlossen hat. In diesem wurden konkrete Ziele vereinbart. Zum Beispiel breitere, deutlich zu erkennende Radwege, mehr Sicherheit für Radler, der Umbau des Ehlentruper Weges und der Rohrteichstraße zu Fahrradstraßen und fahrradfreundliche Ampeln. In allen diesen Punkten lassen die Veränderungen noch auf sich warten. Passiert ist bisher kaum etwas. Das dürfte die 26.000 Unterzeichner dieses Bürgerbegehrens kaum zufriedenstellen. Vorwurf: Oberbürgermeister wollte sich Wählerstimmen sichern So mancher wirft dem Oberbürgermeister vor, dass dieser sich vor der Wahl vor allem Wählerstimmen sichern wollte. Zutreffend ist, dass sich Clausen bei der praktischen Umsetzung der Ziele zumindest nicht auffällig engagiert. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Umsetzung von Radverkehrsprojekten vor Ort oft ein komplexes und konfliktträchtiges Vorhaben ist, bei dem unterschiedliche Interessen berücksichtigt werden müssen. Das ist am Ehlentruper Weg der Fall und wird am Beispiel der Artur-Ladebeck-Straße deutlich. Schon in den Planungsphasen hat es reichlich Missverständnisse und viel Kritik gegeben. Oetker und Bethel äußerten scharfe Kritik Der geplante Rückbau der Artur-Ladebeck-Straße hatte Wirtschaftsverbände, Unternehmen wie Oetker oder die von Bodelschwinghschen Anstalten alarmiert. Die IHK befürchtete, dass die Innenstadt schlechter erreichbar wird. Staus, Umwege und Schleichverkehr würden zu neuen Problemen führen, so die Sorge. Auch Feuerwehr und Rettungsdienste warnten vor Behinderungen bei Einsatzfahrten. Die Aufregung sorgte dafür, dass die Stadt zurückruderte. Über den Beginn der Bauarbeiten gab es obendrein Zoff zwischen Stadt und Politik. Am Ende schoben sich beide gegenseitig den schwarzen Peter zu. Täglich 30.000 Autos auf der artur-Ladebeck-Straße Das Vorhaben wurde verschoben. Es folgten Gutachten, deren Ergebnisse aber nie öffentlich vorgestellt wurden. Jetzt heißt es plötzlich, dass ein Rückbau der Straße nicht in Frage komme, weil schlichtweg zu viele Autos auf der Strecke zwischen Betheleck und Adenauerplatz unterwegs seien. Täglich 30.000 Fahrzeuge. Das hätte man viel früher wissen können. Warum sind die Verkehrsanalysen nicht sofort gemacht worden? Man wolle auf keinen Fall Rettungswege erschweren und dafür verantwortlich sein, dass es ein Patient nicht rechtzeitig ins Krankenhaus schaffe, heißt es nun im Verkehrsamt. Die Aktivisten des Radentscheides haben das zähneknirschend zur Kenntnis genommen. Die Kommunikation des Verkehrsamtes ist eigenwillig Es ist nicht das erste Mal, dass die Bielefelder Verkehrsplaner für Verwirrung sorgen. Die Kommunikation des Verkehrsamts ist eigenwillig und sorgt immer wieder für Überraschungen. Vor drei Wochen sorgte die Verwaltung für erstaunte Gesichter, als das Amt kurzfristig eine monatelange Großbaustelle am Adenauerplatz ankündigte. Weder Politik, Handel, Unternehmerverbände noch Pendler hatten das Bauvorhaben kommen sehen. Wieder hagelte es Kritik. Fahrspur Richtung Brackwede blieb doch zu Ein Kompromiss sollte die Sache entschärfen – die Stadt teilte mit, dass eine Fahrspur Richtung Brackwede offenbleibe, um die schlimmsten Staus zu verhindern. Das zumindest kündigte Verkehrsdezernent Martin Adamski drei Tage vor Beginn der Bauarbeiten an und nahm so viel Druck vom Kessel. Überraschenderweise hielt das Amt aber sein Versprechen nicht. Wie man hinterher hörte, wohl aus verkehrsrechtlichen Gründen. Den Mitarbeitern war schlicht nicht klar, dass die Spur eine Mindestbreite braucht, die wegen der angrenzenden Bauarbeiten noch nicht eingehalten werden kann. Politik darf nicht dem Schwarz-Weiß-Denken verfallen Insgesamt betrachtet ist die Lage dennoch aktuell ruhig. Kritiker grollen und schmollen offenbar im Hintergrund. Gut wäre dennoch, wenn die Stadt konstruktiver an die Verkehrsplanung herangehen und die Politik weniger dem Schwarz-Weiß-Denken verfallen würde. Denn trotz unbestreitbarer Barrieren wird im Vergleich mit anderen Städten sichtbar, wir groß der Handlungsspielraum für schnellere Verfahren und konsequentere Flächenumverteilung ist. Da ist in Bielefeld noch Luft nach oben.

Mehr zum Thema