Landgericht verurteilt Bielefelder Anwalt in außergewöhnlichem Fall

Bielefeld. Weil er sich nicht ausreichend bezahlt fühlte, behielt ein Bielefelder Rechtsanwalt Geld, das einer Mandantin zustand, kurzerhand über mehrere Jahre hinweg ein. Das Landgericht verurteilte den 56-Jährigen nun wegen Untreue durch Unterlassen zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro. Die Mandantin erhielt mehr als 100.000 Euro In einem - da waren sich alle Prozessbeteiligten einig - sicherlich sehr arbeitsintensiven Verfahren hatte der Angeklagte ab 2010 eine Mandantin vor dem Berliner Sozialgericht vertreten. Mit Erfolg: Der Frau wurde letztlich neben einer monatliche Erwerbsminderungsrente eine Zahlung in Höhe von rund 108.500 Euro zugesprochen. Diese Summe überwies die Rentenversicherung im Frühjahr 2015 in zwei Tranchen auf das Konto der Kanzlei, für die er Angeklagte tätig ist. In den folgenden Wochen überwies der Anwalt insgesamt 10.000 Euro an seine auf Mallorca lebende Mandantin. Doch fühlte er sich ob des erfolgreich abgeschlossenen Verfahrens ganz offenbar nicht ausreichend honoriert - dämmerte es ihm doch, dass von der Rechtsschutzversicherung der Frau ein Betrag zu erwarten war, der seine jahrelange Arbeit nicht annähernd abdeckte. "Kein Anwalt kann ernsthaft glauben, Anspruch auf 50 Prozent zu haben" Und tatsächlich überwies die Versicherung im Oktober 2015 lediglich rund 1.750 Euro an den Angeklagten. Dass hier Aufwand und Ertrag sicherlich in einem Missverhältnis standen, mochte die 11. kleine Strafkammer des Landgerichts unter dem Vorsitz von Richter Thorsten Gerdes dem Rechtsanwalt in der nun durchgeführten mehrtägigen Verhandlung durchaus zugestehen. Keinerlei Verständnis hatte das Gericht jedoch für das damalige weitere Vorgehen des Angeklagten. Denn dieser versuchte nun, seine Mandantin zum Abschluss einer bis dahin nicht vorliegenden Honorarvereinbarung zu drängen. Ihm stünden rund 50.000 Euro zu, offenbarte der Angeklagte damals seiner erstaunten und gleichzeitig entsetzten Mandantin. "Er wollte beinahe 50 Prozent der von der Rentenversicherung ausgezahlten Summe bekommen. Kein Anwalt kann ernsthaft glauben, Anspruch auf 50 Prozent zu haben", sagte Oberstaatsanwältin Ina Leinkauf in der Verhandlung vor dem Landgericht, "darüber hinaus weiß auch jeder Anwalt, dass man auf eine etwaige nachträgliche mündliche Vereinbarung keinerlei Anspruch hat." Die Mandantin beauftragte einen weiteren Rechtsanwalt Denn auf eine solche mündliche Vereinbarung berief sich der Angeklagte nun: Seine Mandantin habe ihm telefonisch ein Honorar in Höhe von 25.000 bis 30.000 Euro in Aussicht gestellt, gab er zu Protokoll. Dies erscheint äußerst fraglich, beauftragte die Mandantin doch im September 2015 einen anderen Anwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen. Dieser schrieb den Angeklagten an und forderte ihn zur Auskehrung der noch ausstehenden Summe auf. Der Angeklagte überwies sodann einen Großteil der in Rede stehenden Summe. 36.234,28 Euro behielt er jedoch als das ihm aus seiner Sicht zustehende Honorar ein. "An das tatsächliche Bestehen eines Gebührenanspruchs von über 30.000 Euro glaubte auch der Angeklagte nicht ernstlich", hieß es nun im Urteil der 11. kleinen Strafkammer. "Eine mildere Strafe kommt nicht in Betracht" Als der Rechtsanwalt das Geld auch auf weitere Aufforderung hin nicht auskehrte, klagte seine Mandantin vor dem Landgericht. Im Mai 2017 verurteilte ihn eine Zivilkammer zur vollen Auszahlung des Betrags, die im August des Folgejahrs schließlich erfolgte. Da das Verhalten des Juristen bei der damals zuständigen Richterin die Frage nach einem etwaigen strafrechtlich relevanten Verhalten aufwarf, informierte diese die Staatsanwaltschaft - das Strafverfahren kam ins Rollen. Das Amtsgericht verurteilte den Anwalt im Februar dieses Jahrs wegen Untreue zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen à 50 Euro. Der Jurist legte Berufung gegen diese Entscheidung ein - mit mäßigem Erfolg. Zwar verurteilte ihn das Landgericht nun zu lediglich 120 Tagessätzen - doch komme, so hieß es im Urteil, "eine mildere Strafe auch unter besonderer Berücksichtigung etwaiger berufsrechtlicher Konsequenzen nicht in Betracht".

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