Furcht vor Pleitewelle: Bäcker und Konditor akut in Not

Bielefeld. Die Industrie- und Handelskammer OWL (IHK) hat gerade eine Umfrage ausgewertet. Mehr als 660 Unternehmen in und um Bielefeld aus Industrie, Handel und Dienstleistung wurden nach ihrer Zukunftseinschätzung gefragt. Das Ergebnis: 20 Prozent der Industriebetriebe rechnen mit einer wirtschaftlichen Verschlechterung, 17 Prozent der Dienstleistungsfirmen sehen es ebenso. Mit einer richtig bitteren Phase rechnen vor allem Handelsunternehmen: Von ihnen gehen fast 50 Prozent von Umsatzeinbußen aus. Ursache des Pessimismus sind die extrem steigenden Kosten für Energie und Rohstoffe. Die Angst um eine Pleitewelle geht um, auf der anderen Seite gibt es Hoffnung und Zuversicht. Maschinenbau, Glasherstellung, Gießerei, Kunststoffherstellung, Lebensmittelhandel, Gastronomie oder Schuhgeschäft – jede Form von Unternehmertum sorgt für Arbeitsplätze und Steueraufkommen. &bdquo;Die Wirtschaft erzeugt den Wohlstand“, sagt Jörg Deibert von der IHK. Die Erwähnung dieser banalen Tatsache ist Richtung Politik und Gesellschaft gerichtet. Die Botschaft: Unternehmen müssen in dieser Lage unterstützt werden, damit sie bestehen können und die Wirtschaft nicht zusammenbricht. Geschehe das nicht oder zu spät, könne es sein, &bdquo;dass einige die Phase nicht überleben“, wie Deibert fürchtet. "Teile der Menschen könnten in die Armut rutschen" Entlassungen wegen Schließungen wären auch für die örtlichen Gewerkschaften ein düsteres Szenario. &bdquo;Wir machen uns Sorgen“, sagt Anke Unger, Regionsgeschäftsführerin beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) in Bielefeld. Sie denkt an Handwerksbetriebe, ebenso an die Gastronomie. &bdquo;Die kommen schon aus einer schwierigen Zeit.“ Martina Schu von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi fürchtet, &bdquo;dass Teile der Menschen in Armut reinrutschen“, wenn sich eine Spirale entwickelt von Kaufzurückhaltung-Umsatzeinbußen-Entlassungen. &bdquo;Irgendwo werden die Menschen sparen.“ Aus Sicht der Wirtschaft könnte es zu einer weiteren Negativbewegung kommen – und zwar neben den enormen Energie- und Rohstoffkostensteigerungen zusätzlich deutlich höhere Arbeitskosten. Gerade stehen Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie an. Mit einer Acht-Prozent-Forderung der IG Metall hat die Runde begonnen. Unger sagt dazu aber: &bdquo;Wir können über die Tarife nicht die Inflation ausgleichen, dafür muss die Politik sorgen“. Ein spürbares Plus soll es für die Beschäftigten jedoch schon geben. &bdquo;Natürlich erwarten die Menschen in den Betrieben einen bestimmten Ausgleich“, ergänzt Schu von Verdi. Im Moment blicken alle angespannt auf die kommenden Monate. Anzeichen einer größeren Pleite- und damit Entlassungswelle sieht Martina Schu &bdquo;im Moment noch keine“. Allerdings gibt es die ersten Betriebe, die aktuell Liquiditätsschwierigkeiten verzeichnen. Es sind laut Mathias Steinbild, Justiziar der Handwerkskammer in Bielefeld, die Betriebe im Lebensmittelhandwerk: Bäcker, Konditoren, Eishersteller und Fleischer insbesondere. &bdquo;In diesem Segment droht unmittelbar eine Insolvenzwelle“, warnt er. Zudem registrieren Handwerksbetriebe auch in anderen Gewerken Auftragsstornierungen. Die Menschen warten ab, halten sich zurück beim Geldausgeben. "Wir brauchen unmittelbare Liquiditätshilfen" Diese Dramatik ist noch keine allgemeine Zustandsbeschreibung der Wirtschaft, aber vielleicht ein Vorbote. Jörg Deibert von der IHK fasst die Lage so zusammen: &bdquo;Bielefelds Unternehmen stehen vor großen Belastungen, sie unternehmen etwas, um die Schwierigkeiten zu meistern – deswegen heißen sie ja Unternehmer.“ Doch ohne Unterstützung aus der Politik gehe das nicht. &bdquo;Wir brauchen unmittelbare Liquiditätshilfen für die gefährdeten Betriebe“, sagt auch Steinbild von der Handwerkskammer. &bdquo;Es wird viel angekündigt, aber es braucht zu viel Zeit und noch ist nichts klar“, ergänzt Deibert. Damit trifft der IHK-Sprecher den Nerv bei Bielefelds großem Fenster- und Fassaden-Hersteller Schüco. &bdquo;Wir würden gerne wissen, worauf wie uns einstellen müssen“, sagt Unternehmenssprecher Thomas Lauritzen. Schüco selbst habe intern Klarheit geschaffen mit einem so genannten Ampelsystem, das regelt, was bei Energieknappheit zuerst unternommen werden müsse; und auch, was zuletzt drankommt. Schüco hat einen bis 2024 laufenden Versorgungsvertrag mit den Stadtwerken abgeschlossen. Das gibt Sicherheit. Ungewissheit kommt von Seiten der Lieferanten. Sowohl Kunststoff-, Aluminium- wie auch Glasherstellung seien sehr energieintensiv, sagt Lauritzen. Wenn die nicht arbeiten könnten, stünde Schüco ohne Material da. &bdquo;Wir brauchen vor allem Klarheit“, betont Lauritzen deshalb. Angesichts der allgemeinen Verunsicherung wäre etwa eine verbindliche Ankündigung über eine längere Laufzeit der Atomkraftwerke hilfreich. Sie würde Vertrauen in die Energieversorgung schaffen, den Handlungsspielraum erhöhen und &bdquo;für Ruhe bei Bevölkerung und Unternehmen sorgen“, vermutet der Schüco-Sprecher.

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