Ein Einblick: So wohnt es sich über bekanntem Bielefelder Bestattungshaus

Bielefeld. Sie hätten einfach mal angefragt, ob sie bei der Sanierung nicht noch eine Etage draufsetzen können, berichtet Johann Felix Schormann. Und er bekam grünes Licht vom Bauamt. Wer die neu geschaffene Wohnung im Dachgeschoss des bekannten Bielefelder Bestattungshauses am Oberntorwall 12b betritt, sieht sofort: Hier wohnt ein Profi. Es sieht aus wie in einem Wohnmagazin. Beeindruckend ist aber vor allem auch der Blick von der zur Mauerstraße hin gelegenen Dachloggia. Über den Dächern der Altstadt sind das ehemalige Telekom-Hochhaus, das gerade saniert wird, die Süster-, Altstädter Nikolai- und Neustädter Marienkirche und auch die Sparrenburg zu sehen. Und das ist nur die eine Seite. Weiße Wände, heller Eichenparkett mit dunklen Astlöchern, zur offenen Küche hin großflächige sandfarbene Fließen: "Ich hätte das genau so gemacht", sagt die Mieterin, eine junge Architektin, die gerade zusammen mit ihrem Ehemann aus Frankfurt nach Bielefeld gezogen ist - der Jobs wegen. Weniger ist mehr ist ihre Devise beim Einrichten. Sehr entgegen komme dem Paar da der große Dachboden, der ebenfalls komplett nach neuestem Standard gedämmt wurde. Dort ist reichlich Platz, unter anderem für einige Gitarren des Biotechnologen, der nebenher in einer Band spielt. Nach hinten gelegenen Balkone etagenweise versetzt Zufällig habe das Paar das Mietangebot im Internet gefunden. Ab morgens komme die Sonne durch die großen Fensterelemente auf der Küchenseite, der Sonnenuntergang ist dann vom großen Sofa aus auf der gegenüberliegenden Seite des Wohnraums zu genießen. Für möglichst viel Helligkeit in allen Wohnungen wurden die nach hinten zur Mauerstraße gelegenen Balkone etagenweise versetzt. Vom Club "Sam's", der vom Oberntorwall aus gesehen direkt rechts an das sanierte Schormann-Haus grenzt, sei ab und an mal etwas zu hören, so die Mieter. Aber das gehöre zum Stadtleben ja auch dazu. Die Immobilie wurde jetzt ohnehin verkauft, das "Sam's" muss zum Jahresende schließen. Auch hier soll das brachliegende Potenzial für den Bau eines mehrgeschossigen Wohnhauses genutzt werden. Nachverdichtung und Aufstockung in der Innenstadt sei eines der wichtigen Wohnthemen der Zukunft, ergänzt die Mieterin. Auf den Resten der alten Stadtmauer Drei Vollgeschosse, lautete beim Schormannobjekt ursprünglich die Vorgabe. "Aber weil unser Haus älter ist als die Nachbarbebauung, die wiederum aber deutlich höher ist, durften wir noch die Dachgeschosswohnung aufstocken", berichtet Schormann, der das Familienunternehmen in sechster Generation führt. Der 40-Jährige, heute selbst Vater dreier Kinder, ist in dem Wohn- und Geschäftshaus, das auf den Resten der alten Stadtmauer steht, aufgewachsen. Es wurde 1958 gebaut, als das Elternhaus seines Vater auf der gegenüberliegenden Straßenseite dem Ausbau der Alfred-Bozi-Straße weichen musste. Was ihn ärgert: Eine hohe vierstellige Summe habe er zahlen müssen, als Ausgleichszahlung für fehlende Parkplätze. "Das war genau zu der Zeit, als die Stadt bekannt gab, dass für Bielefelder, die aufs Auto verzichten, finanzielle Anreize geschaffen werden", sagt er. Ansonsten sei die Sanierung aber gut gelaufen. Sicher auch, weil er den Architekten Philip Klasing vom Büro crayen bergedieck klasing noch aus Schulzeiten kennt. &bdquo;Es ist schön, wenn bei einem Projekt bereits eine Vertrauensbasis vorhanden ist, insbesondere, wenn ein Umbau im laufenden Betrieb abgestimmt werden muss“ berichtet Klasing. Zudem wurden Handwerksbetriebe beauftragt, mit denen das Familienunternehmen ohnehin schon lange zusammenarbeite. Wertig, zurückhaltend, stilvoll und dennoch einladend: Für die neu gestaltete Fassade, an der täglich Tausende vorbei fahren, bekomme er viele Komplimente. Was viele nicht wüssten sei, dass die Betriebsräume im Erdgeschoss bis zur Mauerstraße gehen. "Wir haben so hier unten allein rund 350 Quadratmeter Fläche", berichtet Schormann. Mit der Sanierung wurden auch die Eingänge getrennt: Links geht es nun zu den vier Wohnungen. In einer davon wohnt Schormanns Mutter. Rechts ist der Eingang zum Bestattungsinstitut, dessen Innenarchitektur ebenfalls von cbk architekten geplant wurde. Photovoltaikanlage produziert Strom, auch für die Klimaanlage des Unternehmens Auch hier dominieren helle Farben, weiße Wände, sanftes Licht und Eichenparkett. "Ganz anders, als es vorher hier über 50 Jahre lang aussah", sagt Schormann. Bei der Sanierung sei stark auf Wertigkeit und Nachhaltigkeit geachtet worden. Und auf moderne Technik. Auf dem Dach produziert eine Photovoltaikanlage Strom, der unter anderem auch für die Klimaanlage des Unternehmens genutzt wird. Ein Fahrstuhl sei aus Platzgründen allerdings nicht eingebaut worden. Erhalten wurde das Treppengelände mit Holzhandlauf, der jetzt in hellem Grau lackiert wurde. Aus Sicherheitsgründen musste zusätzlich Stahlstreben nachgerüstet werden. "Es war manchmal schon halsbrecherisch, wenn wir hier als Kinder runtergedüst sind", erinnert sich Johann Felix Schormann.

Meistgelesen