Auf diesem Dach startete vor 30 Jahren das Bielefelder Mobilfunkzeitalter

Bielefeld. Als die Bauarbeiter vor 30 Jahren in knapp 30 Metern Höhe eigentlich recht unscheinbare Kästen an einen ebenfalls nicht gerade spektakulären Mast montierten, werden einige Passanten an der Schneidemühler Straße vielleicht irritiert nach oben geschaut haben. Die meisten werden dann Schultern zuckend einfach weiter ihres Weges gegangen sein. Vielleicht ärgerten sie sich noch über das just unter Bundestrainer Berti Vogts gegen Dänemark verlorene Finale der Fußball-EM 92, vielleicht diskutierten sie angeregt wie viele Bielefelder über die Vor- und Nachteile, dass demnächst IKEA in Brackwede aufmachen wollte. Die wenigsten werden aber werden bemerkt haben, dass sie gerade Zeuge wurden, wie Bielefeld in ein neues Kommunikationszeitalter begonnen hat. Denn hoch oben über dem Stieghorster Einkaufszentrum ging am 30. Juni 1992 der erste D-Netz-Mobilfunkmast der Stadt in Betrieb. In geschichtlichen Maßstäben sind 30 Jahre praktisch ein Wimpernschlag. Mit Blick auf die sich immer schneller entwickelnde Technik und vor allem auf den Bereich der Telekommunikation sind drei Jahrzehnte hingegen eine halbe Ewigkeit. Dass man einst nach Möglichkeit stets zwei Groschen dabei hatte, um im Notfall in einer Telefonzelle telefonieren zu können, raunen sich nur noch die Älteren zu. An die 1990 eingeführten Telefonkarten (&bdquo;Telefonieren ohne Münzen!“) erinnert man sich inzwischen auch nur noch im gesetzteren Alter und in Kombination mit dem Ausruf &bdquo;Ach ja, die gabs ja auch mal!“. Und die gelben Telefonzellen (&bdquo;Telefon was?“) kennen Kinder heutzutage höchstens noch umfunktioniert als öffentliche Bücherschränke. Heute hat nahezu jeder sein Telefon dabei, laut einer Erhebung von Statista nutzten im Jahr 2021 praktisch neun von zehn Deutschen ein Smartphone – selbst bei den Senioren über 70 lag der Anteil noch bei rund 70 Prozent. Das war vor 30 Jahren noch praktisch undenkbar. Als die Bauarbeiter in Stieghorst auf dem Dach herum kletterten, hatten von den damals rund 322.000 Bielefeldern statistisch gesehen knapp 2.300 Einwohner ein Mobilfunkgerät – also noch nicht einmal ein Prozent. Dies könnte nicht zuletzt auch an den Preisen gelegen haben. Zum Verkaufsstart der D-Netz-Telefone Anfang Juli meldete die Neue Westfälische, dass eine Minute 1,65 Mark kosten werde, die Grundgebühr bei der Telekom (D1) und dem Konkurrenten Mannesmann Mobilfunk (D2, heute Vodafone) lag bei rund 80 Mark pro Monat. Hinzu kam da noch der Preis der damals noch äußerst klobigen und schweren Endgeräte, die selbst in ihrer günstigeren Ausführung immer noch um 3.000 Mark kosteten. Demnach war die neue Technik erst einmal etwas für betuchtere Kunden – in dem NW-Artikel wurde entsprechend auch vom Telefonieren &bdquo;vom Auto, vom Pool oder vom Segelboot“ aus geschwärmt. Kein Wunder also, dass vielen Handy-Besitzern lange Zeit das Image des Angebers hatten. Dies sollte sich erst mit dem Start des Massengeschäfts ändern. Schon in den 90er Jahren sanken die Preise für Geräte und Telefonie, wodurch die Handys auch für Normalverdiener erschwinglich wurden. Und das Geschäft brummte: Die Telekom hatte laut NW zum Start des D-Netzes das Ziel herausgegeben, im Jahr 2000 rund drei Millionen Kunden zu betreuen - tatsächlich waren es zum Millennium bereits 19 Millionen. Zusammen mit den Kunden der Mitbewerber Vodafone und E-Plus gab es im Jahr 2000 in Deutschland sogar 48 Millionen Mobilfunknutzer, also knapp 60 Prozent der Bevölkerung. Für die Masse der Nutzer und auch für die Abdeckung der Fläche wurden im Verlauf der vergangenen 30 Jahre zahlreiche weitere Antennen errichtet. Die Telekom betreibt in Bielefeld rund 160 Standorte, Vodafone unterhält 68 Mobilfunkstationen in der Stadt – die meisten bereits mit dem LTE-Standard. Und der nächste Techniksprung steht bereits in den Startlöchern: 25 der 68 Vodafone-Standorte funken bereits mit 5G-Technologie. &bdquo;Und der Ausbau geht ständig weiter“, teilt das Unternehmen mit. &bdquo;Allein bis Mitte 2023 werden in Bielefeld zwölf Bauprojekte für das Mobilfunknetz realisiert.“ Weiterhin in Betrieb ist übrigens die Station auf dem Dach des Stieghorster Einkaufszentrums: Bei der Anlage wurden 2018 die alten GSM-Antennen ausgetauscht, sie ist 30 Jahre nach ihrer Premiere also praktisch auf dem neuesten Stand der Technik.

Meistgelesen