Rettung in letzte Minute: endlich eine Lösung für die Petristraße

Bielefeld. Eigentlich gibt es nur Gewinner: Nach 40 Jahren endet für das stattliche Stadthaus an der Ecke Petristraße / Hakenort der erzwungene Leerstand; nach 40 Jahren entsteht auf dem benachbarten Areal mit dem Komplex aus Garagen und ehemaliger Werkstatt neuer Wohnraum in Form eines modernen Acht-Familien-Hauses. Das baut Karl-Jörg Kollmeyer, der Eigentümer des Grundstücks, nach den Entwürfen des Architekturbüros Lampe. Der imposante Altbau aus der Gründerzeit nebenan, Kollmeyers Elternhaus und zugleich Ursprung des familiären Transport-Unternehmens, geht an die Initiative &bdquo;Petristraße 2“. Für dieses Ergebnis votierten die Ratsmitglieder am Donnerstagabend im nichtöffentlichen Teil ihrer letzten Sitzung vor der Sommerpause. &bdquo;Mit dem politisch gewollten Kompromiss kann ich leben“, sagt der 57-Jährige. Bereits vor 30 Jahren habe er versucht, den ehemaligen Familienbesitz von der Stadt zurückzukaufen, nachdem klar gewesen sei, dass die einst dort geplante Verbindungsstraße nie gebaut werde – keine Chance. Die Familie musste das Gelände damals wegen des asphaltlastigen Bauprojekts an die Stadt verkaufen. Seitdem befinden sich die Grundstücke im öffentlichen Besitz, mehr oder weniger dem Verfall preisgegeben. Dagegen wehrten sich in der Vergangenheit auch diverse Initiativen. Die jüngste von ihnen, die seit 2018 um den Erhalt sowie den Erwerb des Hauses aus der Gründerzeit kämpft, erhielt vom städtischen Immobilienservicebetrieb (ISB) den Zuschlag – sowie eine bis Ende Januar laufende Frist zur Verwirklichung der Finanzierung. Die unter der Ägide des Mietshäuser Syndikats agierende Initiative wolle das Geld für die Kaufsumme primär über Direktkredite von Unterstützern der angestrebten alternativen Wohnform einsammeln, erzählte das Kollektiv bei einem Treffen im Mai. Neben der Zahlung an die Stadt für die Immobilie müssen die Aktiven weiteres Kapital aufbringen für die angedachte Kernsanierung samt Innendämmung. Die Initiative beziffert die Gesamtkosten mit rund einer Million Euro – kalkuliert zu alten Preisen. Neubau entsteht auf KfW40-Basis Die gegenwärtige Situation im Baugewerbe erweise sich für alle Beteiligten als latente Euphoriebremse, beschreibt Kollmeyer seinen Gemütszustand. Das werde jedoch nichts an den ambitionierten Bauplänen für das Mehrfamilienhaus ändern. &bdquo;Wir lehnen uns mit der Gestaltung der Fassade an das Eckhaus an, doch ohne historisierend die Fassade aus der Gründerzeit nachzubilden“, skizziert Architekt Thomas Lampe die optische Erscheinung des Neubaus mit dem Gebäudestandard auf KfW-40-Basis inklusive Erdwärmeheizung und Photovoltaik-Option fürs Dach. Dabei erhalte das Energieeffizienzhaus als Hommage an die alten Qualitäten ebenfalls einen Gebäudesockel, der die Privatsphäre der Bewohner in den Erdgeschosswohnungen garantiere. Ein weiteres Highlight der Dreigeschossigkeit: Die Deckenhöhe in den Wohnungen werde 2,80 Meter betragen. Damit bekomme jede der acht nach Süden ausgerichteten Mietwohnungen, deren Größen voraussichtlich zwischen 60 und 80 Quadratmeter variieren, eine besondere Wertigkeit. Baupreise fördern sozialen Wohnungsbau Ursprünglich sollten zwei der acht Wohnungen im geförderten Wohnungsbau realisiert werden, doch durch die enorm gestiegenen Baupreise werde das Projekt wohl Förderungen für alle acht beantragen: &bdquo;Wenn uns der Quadratmeter im frei finanzierten Wohnungsbau um die 3.500 Euro kostet, dann können wir dafür an dem Standort nicht die entsprechenden Mieten erzielen“, konstatiert Kollmeyer mit einem der Gesamtlaufzeit des Verfahrens geschuldeten Gleichmut. Schließlich würden sich nach den vielen Jahren alle Beteiligten im Sinne der Stadtentwicklung über die Aufwertung des oft vergessenen Quartiers freuen. Trage das Eckhaus doch noch heute den Titel &bdquo;Tor zum 5.Kanton“, und das nicht nur aus architektonischen Gründen: Im Erdgeschoss existierte damals eine von Arbeitern besuchte Kneipe neben einem Lebensmittelgeschäft, darüber wohnten die Unternehmer-Familien Panhorst und Kollmeyer, und unterm Dach logierten die Kutscher und später Fahrer der Firma. Bis demnächst auf dem Gelände wieder alles unter Dach und Fach ist, wird es aber noch eine Weile dauern: Kollmeyer rechnet für sein Mehrfamilienhaus mit einem Baubeginn im März 2023. Sei der Rohbau nach einem halben Jahr vollendet, würde wohl die Initiative mit der Sanierung der Fassade beginnen, bevor es dann in den Innenräumen weitergehe. Initiative setzt auf Sympathisanten und Sponsoren für die Finanzierung In einer ersten Veranstaltung im Arbeiter Jugend Zentrum an der Heeper Straße präsentierte die Initiative bereits ihr Projekt und warb um finanzielle Unterstützung, in einer zweiten Veranstaltung am 20. Juli in der Bürgerwache am Siegfriedplatz startet das Kollektiv die nächste Runde der Sponsorensuche. Sollte die Finanzierung allerdings scheitern, dann wäre laut Vertragswerk mit dem ISB wieder Kollmeyer am Zug und dürfte für sein Elternhaus ein vereinbartes Vorkaufsrecht geltend machen. Wie sich die Wettbewerbs-Situation in den nächsten Monaten auch entwickeln wird – der großer Gewinner ist schon jetzt der 5. Kanton.

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