Leinewebermarkt in Bielefeld vor dem Aus? Jetzt reden die Kritiker

Bielefeld. Dass die Stimmung diesmal eine andere ist, das hätten die Mitarbeiter von Bielefeld Marketing schon gespürt, als sie vergangene Woche mit Sprühkreide die Begrenzungen für die Stände für den Leineweber-Markt markierten, berichtet Marketing-Chef Martin Knabenreich. Bloß nicht so nah vor meiner Tür, hätte es da von einigen Händlern in der Altstadt geheißen, sagt er. Das habe sich über die Veranstaltungstage fortgesetzt, sich teils in wüsten Beschimpfungen geäußert. Und auch deshalb habe er zum Abschluss des Festes seinem Ärger über diese unschönen Begleitumstände Luft gemacht. &bdquo;Wir haben die Schnauze voll“, hatte Knabenreich am Sonntag drastisch erklärt und eine Fortsetzung im nächsten Jahr gar in Frage gestellt. &bdquo;Ich wollte damit aufrütteln“, so Knabenreich am Montag. Kommunikationsprobleme Dechant Norbert Nacke, Seelsorger in St. Jodokus, hat das ganz anders erlebt. &bdquo;Niemand hat mit uns darüber geredet, dass auf dem St.-Jodokus-Kirchplatz ein DJ so laut Musik macht“, berichtet er. Wenigstens einen Hinweis hätte es geben können. Das Gemeindeleben sei massiv gestört worden. Uta Hammerschmidt, Leiterin der Klosterschule, sagt, im Vorfeld habe es zwar Absprachen mit Bielefeld Marketing zur Nutzung des Klosterplatzes gegeben. &bdquo;Doch die, die sie umsetzen sollten, hielten sich nicht daran.“ So sollte der Klosterplatz, der am ersten Veranstaltungstag, am Mittwoch, eigentlich noch bis 16.30 Uhr als Pausenhof für die Kinder im offenen Ganztag der Schule diente, bereits ab 16 Uhr für eine Leineweber-Veranstaltung genutzt werden. &bdquo;So etwas muss eher kommuniziert werden.“ Ein Starkstromkasten sei nicht abgeschlossen gewesen, hätte zur Gefahr für die Kinder werden können, ergänzt sie. &bdquo;Kritik darf es geben und bleibt bei einem Fest mit mehr als 350.000 Besuchern nicht aus“, meint Martin Knabenreich. &bdquo;Aber es kommt auch darauf an, wie sie vermittelt wird.“ In diesem Jahr seien seine Mitarbeiter teils massiv angegangen worden. Das sei nicht hinnehmbar. Konzept noch mal überdenken Für wüste Beschimpfungen und Pöbeleien hat Henner Zimmat, Chef der Altstadt-Kaufleute, kein Verständnis. Er geht davon aus, dass nur ein geringer Teil der Händler im Altstadt-Hufeisen so reagiert haben, wie Knabenreich es schildert. &bdquo;Wir begrüßen ausdrücklich, dass es den Leineweber-Markt wieder gibt. Das sind höchstens fünf Prozent, die Stress machen“, schätzt er. Was überdacht werden müsse, sei der verkaufsoffene Leineweber-Sonntag. &bdquo;Die Händler hatten einen tollen Freitag, einen guten Samstag und einen Sonntag, an dem die Kunden dann vor allem geschaut, aber weniger gekauft haben.“ Regina Tönsing, Hauptgeschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA), regt an, über das Konzept des Leineweber-Marktes noch einmal nachzudenken. Zwar seien in diesem Jahr wieder viele Menschen gekommen. &bdquo;Doch der Konsum war etwas verhalten.“ Es gebe offenbar ein anderes Ausgehverhalten, weil bei vielen Menschen der Geldbeutel nicht mehr so locker säße. Dem müsse mit der Gestaltung des Leineweber-Marktes auch Rechnung getragen werden. Auch in der Politik wird Knabenreichs Abrechnung mit den Leineweber-Kritikern diskutiert. &bdquo;Das muss Thema in den Gremien werden“, hatte Oberbürgermeister Pit Clausen (SPD) bereits am Wochenende erklärt. &bdquo;Alle sollten jetzt vernünftig miteinander reden“, findet CDU-Fraktionschef Ralf Nettelstroth. Sein SPD-Kollege Riza Öztürk sagt, eine Veranstaltung wie der Leineweber habe auch eine zusammenführende Wirkung. Da dürfe manches &bdquo;nicht so engstirnig“ gesehen werden. Mehr miteinander reden Gudrun Hennke (Grüne), Bezirksbürgermeisterin im Stadtbezirk Mitte, regt an, künftig im Vorfeld großer Veranstaltungen wie dem Leineweber-Markt noch mehr das Gespräch zwischen Machern und betroffenen Nachbarn zu suchen. &bdquo;Dann kommt es nicht zu solchen Verwerfungen.“ Auch in den sozialen Netzwerken wurde Knabenreichs &bdquo;Wutrede“ vom Sonntag aufgenommen und kommentiert. Wer in der Innenstadt lebe oder dort ein Geschäft betreibe, müsse sich mit solchen Veranstaltungen abfinden, ist dort der Tenor vieler Kommentare. &bdquo;Eine Stadt wie Bielefeld braucht solche Feste“, schreibt etwa eine Userin auf der NW-Facebook-Seite. --- Kommentar "Die Verantwortlichen bei Bielefeld Marketing sind sauer, weil sie vor und während des &bdquo;Leinewebers“ von Einzelhändlern und Anwohnern massiv angegangen wurden. Die St.-Jodokus-Gemeinde oder die Klosterschule sind verärgert, weil Bielefeld Marketing sich ihrer Ansicht nach nicht an Absprachen gehalten hat. Das klingt nach Redebedarf, nach einer Aussprache, die solche Missverständnisse künftig ausschließt. Denn eines hat der Leineweber ’22 gezeigt: Das Bedürfnis der Menschen, ein buntes Stadtfest zu feiern, ist da. Es ist noch mal so groß nach der Unterbrechung wegen Corona. Es wäre schade, wenn solch ein städtisches Aushängeschild dauerhaften Schaden nehmen würde."

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