Vater aus Bielefeld schmeißt alles hin - und wird Erzieher in einer Kita

Bielefeld. Das Herz hat seine Gründe, die die Vernunft nicht kennt. Obwohl er finanziell deutlich zurückstecken muss, fängt Benjamin Petrzika nochmal von vorne an. Die Agentur für Arbeit sei allerdings nicht hilfreich gewesen, als er dort vor einiger Zeit wegen einer Umschulung zum Erzieher vorgesprochen habe. Schließlich hätte er ja schon einen Job als Mediengestalter. Doch der 35-jährige zweifache Vater folgt seinem Herzen. Nach einer knapp einjährigen Ausbildung zum Helfer in der DRK-Kita Bullerbü in Sennestadt startet er dort zum 1. August mit der dreijährigen, sogenannten praxisintegrierten Ausbildung zum Erzieher. So geht's nicht weiter: 15 Jahre lang hat der gelernte Mediengestalter in der Druckbranche gearbeitet. Unter enormen Druck, wie er sagt. Unentgeltliche Überstunden seien an der Tagesordnung gewesen, Verträge wurden häufig nur befristet verlängert. Wenn er krank war, hätten alle nur gefragt, wann er denn wieder kommt. Nicht aber, wie es ihm geht. Grundsätzlich nämlich überhaupt nicht mehr gut, schon seit Monaten, sagt Petrzika. "Selbst wenn ich abends mal etwas früher nach Hause kam, war ich nicht mehr in der Lage, nach acht bis zehn Stunden vor dem Monitor noch irgendetwas mit meiner Tochter zu machen." Er sei einfach nur fertig gewesen. "Wenn Sie das schon nicht schaffen, was wollen Sie denn dann in der Kita?" "Wenn Sie das schon nicht schaffen, was wollen Sie denn dann in der Kita?", habe man ihn bei der Agentur für Arbeit gefragt. Dass das eine sehr bewusste Entscheidung war, er viel über Berufung und Sinn seiner Tätigkeit nachgedacht habe, habe dort niemanden interessiert. Zum Glück aber das Deutsche Rote Kreuz (DRK). Und Hanne Holtkamp, Leiterin der Kita Bullerbü. Motivierte Mitarbeiter sind nicht nur dort mehr als willkommen. Wie mehrfach berichtet, führten Fachkräftemangel und die Auswirkungen von Corona in etlichen Bielefelder Kitas in den vergangenen Monaten immer wieder dazu, dass Gruppen oder ganze Einrichtungen vorübergehend geschlossen werden mussten. "Da müsste doch eigentlich alles dafür getan werden, dass alle, die den Beruf wirklich machen möchten, unterstützt und bestärkt und nicht abgewiesen werden", sagt Petrzika. Mit der praxisintegrierten Ausbildung zum Erzieher wurde es nach seiner Bewerbung beim DRK dann im vergangenen Jahr zwar erstmal nichts. Petrzika fehlte der dafür notwendige Schulplatz. "Den muss man sich auch selbst organisieren, und die Plätze sind rar", berichtet er. "Auch ein Versäumnis der Politik." Das DRK wollte den motivierten Vater aber auf jeden Fall halten und ermöglichte ihm zumindest erst einmal die knapp einjährige Ausbildung zum Kita-Helfer. "Dieser unterste Bildungsgang ist neu seit vergangenem Jahr", sagt Holtkamp. Er resultiert aus dem Programm Alltagshelfer, das in der Coronazeit zur Unterstützung aufgelegt wurde, dann aber zum 31. Juli 2021 endete. Wenn seine Ehefrau nicht so gut verdienen würde, könnte er sich das nicht leisten Wenn seine Ehefrau als Pflegedienstkoordinatorin nicht so gut verdienen würde, könnte er es sich nicht leisten, jetzt nochmal eine ganz neue Ausbildung anzufangen, sagt Petrzika. Außerdem arbeitet er auf 450-Euro-Basis abends und am Wochenende in Babenhausen in einem Supermarkt. "Anders ginge es nicht, und das ist schade", sagt der gebürtige Bielefelder, der mit seiner Familie in Theesen lebt. Denn schließlich seien doch Kinder die Zukunft. Ihnen etwas mit auf den Weg geben zu können, sie zu stärken und zu ermutigen, sich die Welt zu erobern - friedlich selbstverständlich - sei aus seiner Sicht unglaublich sinnvoll. Und erfüllend. Man bekäme so viel zurück: Vertrauen, Zuneigung, Glücksgefühle. Kinder seien entwaffnend ehrlich. Als Mediengestalter täglich an Verpackungen mitzuarbeiten, die dann doch schnell auf dem Müll landeten, sei für ihn einfach schon lange nicht mehr sinnhaft gewesen. Das Arbeitspensum in der Kita sei zwar auch nicht ohne, aber der Beruf wirklich erfüllend. "Es geht mir damit jetzt auf jeden Fall deutlich besser", ergänzt Petrzika. Und obwohl er den ganzen Tag schon mit Kindern zu tun hat, habe er nach Dienstschluss endlich wieder viel mehr Energie für seine Familie. Weitere Bewerberinnen und Bewerber immer willkommen Damit sich mehr junge oder gern auch schon etwas ältere Menschen, und eben auch Männer, überhaupt für den Erzieherberuf entscheiden, müsse auch die Honorierung verbessert werden, ergänzt DRK-Pressereferentin Sonja Hiller. Das DRK versuche zudem, auch flexible Lösungen anzubieten, und freue sich immer über Bewerberinnen und Bewerber. Kontakt: mitarbeit@drk-bielefeld.de.

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