"Das Geld wird knapp": Geschäften in Bielefeld droht das Aus

Bielefeld. Das Geld fehlt gerade in diesem Monat an allen Ecken und Enden: Sprit ist teurer geworden, die Energiekosten schießen in die Höhe, und auch die Discounter haben die Preise erhöht. Und es kommt noch doller. Das alles wirkt sich auch auf andere Branchen aus. Der stationäre Einzelhandel beklagt Umsatzrückgänge, gerade kleinere Läden in der City sind in großer Sorge. &bdquo;Seit Ausbruch des Krieges spüren wir eine Kaufzurückhaltung“, sagt Thomas Kunz, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands OWL. Der Krieg drücke nicht nur auf die Stimmung, die Auswirkungen seien auch im Portemonnaie zu spüren. &bdquo;Man kann das Geld nur einmal ausgeben“, sagt Karl-Uwe Eggert, Vorsitzender der Werbe- und Interessengemeinschaft Brackwede. Wenn Autofahrer wie gerade mehr Geld als sonst an der Tankstelle lassen, so Eggert, sei es weg für andere Sachen. Für den stationären Handel bedeute das, die Frequenz werde weniger und die Leute kaufen günstiger ein. Hinzu kommt: Auch der Handel zahle bei den Energiekosten drauf, ebenso steigen die Personalkosten. Der Händler müsse von seiner Spanne also mehr Geld abgeben und sei nicht mehr marktfähig. Im schlimmsten Fall muss er schließen, so Eggert. &bdquo;Keiner weiß, wohin das führt.“ &bdquo;Den Menschen fehlt das Geld, um sich etwas Schönes zu kaufen“ Fakt ist: Viele Bielefelder sind gerade zurückhaltend, drehen jeden Cent dreimal um. Nicole Schwarzenberger aus dem &bdquo;Roeckl“-Partner-Store an der Rathausstraße merkt das. &bdquo;Erst Corona, dann der Krieg“, sagt sie. &bdquo;Das wirkt sich aus.“ Statt um 10 Uhr morgens öffnet der Laden mittlerweile erst um 11 Uhr, mittags ist jetzt eine Dreiviertelstunde zu, und statt um 18.30 Uhr macht sie abends um 18 Uhr dicht. &bdquo;Den Menschen fehlt das Geld, um sich etwas Schönes zu kaufen.“ Sie selbst wohnt in Leopoldshöhe, zusätzlich zu den Parkgebühren in Höhe von 8 Euro am Tag käme jetzt noch der höhere Benzinpreis obendrauf. &bdquo;Man muss das Geld einfach mehr zusammenhalten.“ Petra Krüger, Mitarbeiterin in der Schuhmanufaktur &bdquo;Bär“ an der Obernstraße, fährt mit Bus und Bahn zur Arbeit. Sie hat beobachtet, dass es im ÖPNV voller geworden ist, seit die Spritpreise gestiegen sind. &bdquo;Die Menschen sind vom Auto auf die öffentlichen Verkehrsmittel umgestiegen“, sagt sie. Und auch die Kunden würden mit ihrem Geld haushalten. Diejenigen, die Schuhe bräuchten, kämen, sagt Chefin Angelina Schitz. Lustkäufe seien aber weniger geworden. &bdquo;Wer schon vorher aufs Geld achten wollte oder musste, wird das jetzt fortsetzen und gegebenenfalls noch strenger handhaben“, sagt Marcel Schütz, Soziologe an der Uni Bielefeld.Abstriche bei Luxusartikeln Und im Supermarkt – sind die Kunden dort jetzt auch zurückhaltender? Laut Schütz werden die Grundnahrungsmittel wohl weiterhin ähnlich konsumiert. &bdquo;Abstriche machen viele Menschen am ehesten bei Luxusartikeln bzw. hochwertigeren Produkten, die nicht unbedingt erforderlich sind und die man sich zu besonderen Zeiten gönnt.“ Schütz zufolge zeigen die Erfahrungen aber auch, dass man sich an solche Preissteigerungen schleichend gewöhnt. Aber das Ende der Fahnenstange scheint noch nicht erreicht zu sein. Mechthild Frentrup ist Diplom-Agraringenieurin und promovierte Agrarökonomin. Als Aufsichtsrätin beim Deutschen Milchkontor, der größten deutschen Molkereigenossenschaft, hat sie einen guten Einblick in die Ernährungsindustrie. Sie sagt: &bdquo;Lebensmittel werden für die Verbraucher noch teurer werden.“ Ursächlich dafür sei der Angriffskrieg Putins in der Ukraine. Agrarprodukte werden über den ganzen Erdball gehandelt, Umwälzungen durch Krieg oder auch Naturkatastrophen wirken sich in diesem Handelssystem unmittelbar aus, so Frentrup. &bdquo;In Deutschland in Form von höheren Preisen für Lebensmittel, in anderen Ländern der Welt in Form von existenzbedrohender Knappheit essenzieller Nahrungsmittel.“ Wichtige Transportrouten sind zerstört Schon jetzt seien wichtige Transportrouten sowie die Hafeninfrastruktur zerstört, so dass aus der Ukraine heraus keine Agrarprodukte wie Weizen, Mais oder Sonnenblumenöl exportiert werden können, erklärt Frentrup. &bdquo;Außerdem findet in der Ukraine aktuell kaum Aussaat statt, so dass im Sommer auch nicht geerntet werden kann.“ In Deutschland, so Frentrup weiter, fehlen vor allem Futtermittel für die Ernährung von Kühen, Schweinen oder Hühnern. &bdquo;Angebot und Nachfrage regeln die Agrarmärkte, das heißt: Futter für die Tiere auf deutschen Bauernhöfen wird knapp und teuer.“ Und das führe zu Preissteigerungen bei tierischen Erzeugnissen wie Milchprodukten und Fleisch. Aber auch werde durch die geopolitischen Verwerfungen mit Russland Energie knapp und teuer, bis hin zu einem eventuellen Lieferstopp. &bdquo;Damit fehlt Energie für die Produktion von mineralischen Düngemitteln“, erklärt Frentrup. Und weniger Dünger auf den Feldern führe zu geringeren Erträgen bei allen pflanzlichen Agrarprodukten vom Brotweizen über Kartoffeln und Gemüse bis hin zum Mais oder Getreide als Tierfutter. Preissteigerungen bei Lebensmitteln werde es außerdem durch die gestiegenen Kosten beim Treibstoff geben, denn der Transport der Produkte vom Erzeuger über die Verarbeitung der Rohwaren bis in den Laden und zum Verbraucher spielt in den Lieferketten ebenfalls eine große Rolle, so Frentrup. Ist Bielefeld für eine &bdquo;Ersatzwirtschaft“ geeignet? Einige Bielefelder sind in der Corona-Krise schon zu Selbstversorgern geworden. Das könnte weiter voranschreiten, es funktioniert aber nicht überall: &bdquo;In Theesen und Brackwede sieht das wohl etwas anders aus als mitten in der City“, sagt Soziologe Schütz. Die Lebensverhältnisse der meisten Menschen einer Großstadt seien aber nicht mehr für eine solche &bdquo;Ersatzwirtschaft“ geeignet. &bdquo;Obst- und Gemüseanbau, der ja auch viel Zeit in Anspruch nimmt, hat für Private heute viel mehr mit Hobby zu tun.“

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