Wie sich ein kleines Geschäft am Jahnplatz seit 175 Jahren halten kann

Bielefeld. Seit 175 Jahren gibt es das Fachgeschäft Riemeier "Zoo, Garten und Kräuter" in diesem Jahr - am Jahnplatz, mitten in der City. So lange wie kaum ein anderes in Bielefeld. Dabei ist das Ladenlokal mit 500 Quadratmetern über zwei Etagen vergleichsweise klein. Wie also ist es gelungen, sich so lange zu halten? Trotz Corona, trotz des abgelegeneren Standorts, trotz des Jahnplatzumbaus und trotz der großflächigen Busdächer direkt vor der Tür, die die Sichtbarkeit spürbar einschränken? Geschichte 1847 beginnt Julius Frieber, Gärtnermeister des Alten Friedhofs, damit, Sämereien in Tüten zu verkaufen. 40 Jahre später gründet Friedrich Riemeier (1859 bis 1916) am Altstädter Kirchplatz einen Kolonialwarenladen. 1905 kauft er den Frieberschen Samenhandel und das repräsentative vierstöckige Geschäftshaus, damals Jahnplatz 3, und wandelt den Kolonialwarenbereich in eine Drogerie um. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs und großflächigen Zerstörungen eröffnet die Firma neu, zwischenzeitlich gibt's ab 1950 sogar zwei weitere Filialen, an der Turnerstraße und am ehemaligen Berliner Platz (heute Willy-Brand-Platz). Dem steigenden Verdrängungswettbewerb begegnet die Familie mit Spezialisierung und Erweiterung. So entstehen 1977 die Bereiche Garten und Kräuter, 1988 kommt die Zoofachabteilung hinzu. Riemeier wird damit zu einem der umsatzstärksten Zoohändler in OWL.Geschäftsverkauf 1995 übernimmt Jürgen Beckmann das Fachgeschäft, der dort bereit seit 1967 arbeitete, und pachtet den Laden. Auch das Haus wurde verkauft. 2003 wird die Zooabteilung umgebaut, die Verkaufsfläche verdoppelt. 2009 kommt der Bereich "Boutique" mit Dekoartikeln hinzu. "Ein sehr saisonales Geschäft", meint Nicole Beckmann, die seit 2014 ins Geschäft eintrat und ihrem Vater heute als Prokuristin zur Seite steht. 2019 werden die ersten Schritte in den Sozialen Medien gestartet. Inzwischen hat die Friedrich Riemeier AG eine eigene Homepage, sie ist auf Facebook, Instagram, WhatsApp Business und Google. Aktuell besteht das Team im Geschäft neben dem Inhaber und seiner Tochter aus sieben Mitarbeitern und einer Auszubildenden.Produktvielfalt Wer das erste Mal das Geschäft betritt, fühlt sich wie in einer lang gestreckten Wundertüte. Gefüllt mit Blumentöpfen und -erde, Gewürzen, Tees und losen Kräutern - Jürgen Beckmann: "Wir kennen die Lieferanten seit rund 40 Jahren" -, Sämereien und Blumenzwiebeln, Frühlingsblühern, Wildtierfutter, Vogel-, Insekten- und Fledermausbehausungen, Gartengeräte, Gießkannen und hübschem Krimskrams. Dazu unten in der Zooabteilung alles für Hund und Katz`, für Fisch, Vogel, Nager & Co. Dazu eine Auswahl von "Hausinsekten" wie etwa ein Wandelndes Blatt (Gespenstschrecken), außerdem Kleinnager, Vögel und Fische.Service Während ein Webshop für Teile des Sortiments noch in Planung ist, gibt es die "Vorstufe" seit Langem: einen hauseigenen Lieferdienst. "Und der wird auch wahrgenommen", unterstreicht Nicole Beckmann. Beim Kauf von schweren Produkten etwa wie Aquarien, von meist älteren Menschen aber auch gern für kleinere Dinge. "Oder von Leuten, die in Quarantäne sind." Hochgehalten wird die Beratung, bei den Sämereien, was wo am besteh gedeiht, genauso wie beim Pflanzenschutz. "Die Kunden kommen mit erkrankten Pflanzenteilen oder mit verseuchter Erde", erzählt Jürgen Beckmann, der als "Pflanzendoktor" jahrzehntelange Erfahrung hat.Corona Corona hat auch die Friedrich Riemeier KG hart getroffen. Von einem Tag zum anderen wurde Bielefeld zur Geisterstadt, erinnert sich Nicole Beckmann, nur etwa Drogerien, Apotheken oder Optiker waren noch geöffnet. "Und wir." Riemeier galt ebenfalls als systemrelevant. "Das war Segen und Fluch zugleich." Denn einerseits fielen Kundenfrequenz und Umsatz in den Keller, finanzielle Hilfen gab's nicht. Als Stützen blieben die Stammkunden im Laden und der Lieferservice. Andererseits "waren wir froh, dass wir aufbleiben konnten", meint Nicole Beckmann. Und verweist auf die Rückzahlungen, mit denen viele nun kämpfen. "Das bleibt uns erspart."Jahnplatzumbau Und dann sei auch noch die Jahnplatz-Baustelle gekommen - "on top", sagt Nicole Beckmann. Mit Schotterbahnen und Gummimatten, die gerade für ältere Menschen schwierig zu bewältigen seien, und sich stetig ändernden Wegen zum Geschäft hin. "Das ist schon eine herausfordernde Zeit." Absatz und Kundenzahlen seien nun zwar besser geworden, aber noch immer stark schwankend. Zukunftswünsche Und so wünschen sich Beckmanns wie so viele, dass das alles bald vorbei ist. Dass Bielefeld mit einem Eröffnungsfest und viel Öffentlichkeitsarbeit wieder ein gutes Image bekommt, die Aufenthaltsqualität verbessert wird, durch hübsche Sitzgelegenheiten etwa, durch "vernünftig große Mülleimer" und ausreichend Parkplätze. Und dass auch ihr Geschäft wieder in "ruhigeres Fahrwasser" kommt. Nicole Beckmann: "Und dann kann man neue Pläne schmieden."

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