Ein Bielefelder Lehrer erzog den letzten deutschen Kaiser

Bielefeld. Geschichte ist in Bielefeld lebendig. Zum 106. Mal präsentiert der &bdquo;Historische Verein für die Grafschaft Ravensberg" seinen Jahresbericht. In acht Abhandlungen auf über 250 Seiten erfährt der Leser darin Neues und Überraschendes über das gesellschaftliche Leben vom Mittelalter bis zur Nachkriegszeit in der Grafschaft zwischen dem Wiehengebirge, dem Teutoburger Wald und dem Lipperland. Im Stadtarchiv stellten einige Autoren ihre historischen Nachforschungen vor. Da rollten Köpfe über den Alten Markt So forschte der Mediävistik-Professor und Vorsitzende des Historischen Vereins, Ulrich Andermann, über die so genannte Bürgersprache in Bielefeld. Dabei handelt es sich um eine Art Stadtrecht mit ordnungspolitischen Vorschriften wie bei einem Bußgeldkatalog, der allerdings zuvor von der Stadtbevölkerung - im Spätmittelalter lebten etwa 3.500 Menschen in Bielefeld - als &bdquo;Selbstunterwerfungseid" abgesegnet werden musste. Die Verlesung dieser Vorschriften (&bdquo;Brüchten" – jemand, der etwas verbrochen hat) erfolgte bei einer Bürgerversammlung vor dem Rathaus – das heutige Theater am Alten Markt – immer am Michaelistag, dem 29. September. Der Katalog regelte Ordnungswidrigkeiten wie Saufgelage oder Wucher ebenso wie Kapitalverbrechen. Da rollte schon mal ein Kopf über den Alten Markt, wo der Pranger stand. Und auch die ein oder andere Hand wurde abgehackt. Auch Geldstrafen oder Naturalabgaben wurden als Strafe verhängt. Die Hälfte dieser &bdquo;Einnahmen" bekam seinerzeit der Stadtherr. Die Stadtordnung umfasste 60 Statuten. Bedeutender Sohn - absichtlich verachtet? Unbekannte Briefe von Georg Ernst Hinzpeter trug Andermanns Vorgänger als Vereinsvorsitzender, Johannes Altenberend, zusammen und analysierte sie im historischen Kontext. Der ehemalige Lehrer für Geschichte, Politik und Religion am Gymnasium Am Waldhof, stellt fest, dass Hinzpeter einer der bedeutendsten Söhne der Stadt ist. Dieser, einst Lehrer am Ratsgymnasium, war Erzieher und später Berater des Prinzen Wilhelm von Preußen, des späteren Kaisers Wilhelm II. und ist in Bielefeld recht unbekannt – absichtlich? Seine Erziehungsmethoden waren extrem streng und galten im Nachgang als strittig. &bdquo;Er nahm", wie Altenberend es formuliert, &bdquo;in sozialen und pädagogischen Fragen einen festen, wenn auch umstrittenen Platz ein. Diese Diskrepanz zwischen öffentlicher Wahrnehmung einerseits und lokaler Geringschätzung andererseits zu erklären, fällt nicht leicht". Fast auf den Tag genau vor 114 Jahren war die ganze Stadt in Aufruhr: Hinzpeter wurde auf dem Bielefelder Johannisfriedhof beigesetzt und der letzte deutsche Kaiser gab ihm vor Ort das letzte Geleit. Mehrmonatige Möbelmesse auf dem Kesselbrink Bei Maren-Sophie Fünderich stehen Möbel und Wohnungseinrichtungen nach 1900 im Fokus ihrer Forschung. Die promovierte Kunsthistorikerin zählt über 130 Tischlerbetriebe in Bielefeld auf, aber nur vier Möbelgeschäfte, die allesamt in Altstadt lagen. Fünderich stellt fest, dass Möbel, Tapeten, Teppiche und Vorhänge für die bürgerliche Familien &bdquo;in der Selbstdarstellung genauso wichtig waren, wie das standesgemäße Wohnviertel und das mit Säulen und Giebeln verzierte Wohnhaus. Ein solcher Lebensstil war teuer, und wenn das Geld nicht reichte, sparte die Mittelschicht dort, wo es am wenigsten auffiel". Für diese Schicht wurde ein neuer Wohnungstyp geschaffen, vor allem im Bielefelder Westen, mit Badezimmer und elektrischer Beleuchtung. Auf dem Kaiser-Wilhelm-Platz (heute Kesselbrink) fand 1912 eine mehrmonatige Möbelmesse statt, eine Leistungsschau von 44 Ausstellern, flankiert mit Konzerten und Kirmesbuden. Weitere Aufsätze mit Bielefelder Bezug beschäftigen sich mit der Gründung des Vereins &bdquo;Gesellschaft Ressource" 1795 (dem ältesten Verein der Stadt), sowie mit der Entwicklung der Geburtshilfe im evangelischen Krankenhaus in Bethel 1926 bis 1951. Der Jahresbericht ist erhältlich für 15 Euro im Stadtarchiv am Neumarkt.

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