Der Wochenkommentar Eigenverantwortung ist das Zauberwort beim täglichen Miteinander

Bielefeld. Erklären Sie den Weihnachtsmarkt für beendet – bitte! Menschen, dicht an dicht, die essen und trinken.“ Man müsse kein Virologe sein, um die Gefahr zu erahnen. Mit diesem emotionalen Kommentar hat sich ein Journalist Anfang der Woche öffentlich an Oberbürgermeister Pit Clausen gewandt. Bei vielen Bielefeldern ist die Stimmung gemischt: Einige haben ebenfalls ein mulmiges Gefühl, andere sehen draußen deutlich weniger Gefahr als beispielsweise im großen Gedränge in manchen Geschäften jetzt bei der Schnäppchenjagd am Black Friday. Längst nicht jeder Weihnachtsmarktbesuch oder jede größere Veranstaltung stelle per se eine allgemeine Gefährdung dar, sagt dazu eine Psychologin. Stimmt, denn jeder von uns kann doch erst einmal für sich ganz persönlich entscheiden, ob er hingeht oder nicht. Und auch, wie er sich dort verhält. Ich muss nicht unbedingt am Wochenende dicht gedrängt auf dem Alten Markt meinem Glühwein trinken. Das war auch schon vor Corona so. Da verabrede ich mich lieber in der Woche zum Weihnachtsmarktbummel – und wir stehen dann auch gern ein bisschen abseits. So kann man gleich auch besser quatschen. Unmöglich, dass die Nachbarn noch so groß einladen, kritisiert einer, der auch sonst immer weiß, was richtig ist und was falsch. Finde ich nicht. Auch ich war Freitagabend bei der Geburtstagsfeier einer Freundin. Für uns alle selbstverständlich: Auch wir als Geimpfte testen uns vorher. Schreibt uns keiner vor, aber so haben einfach alle ein besseres Gefühl. Der ungeimpfte Trainer &bdquo;Echt beschissen“ habe er sich gefühlt, berichtet der Bekannte eines Freundes, der bis jetzt eine Jugendmannschaft im Fußball trainiert hat. Montag musste er sich bei den Kindern verabschieden, denn als Ungeimpfter darf er sie ab sofort nicht weiter trainieren, denn sein Verein fordert, anders als die neue Regelung des Landes, 2G. Er sei &bdquo;dermaßen runtergemacht worden“ von den Müttern. Wie er es habe wagen können, ungeschützt die Kinder so lange noch zu trainieren. Sie hätten ihn dargestellt, als sei er der alleinige Sündenbock für die ganze Coronapandemie.Wollen wir wirklich so miteinander umgehen? Und zulassen, dass sich die Gesellschaft immer weiter spaltet? Was ist mit gegenseitigem Respekt, auch wenn man anderer Überzeugung ist? Ich jedenfalls fände es allemal besser, wenn ein ungeimpfter, selbstverständlich regelmäßig getesteter Trainer in diesem ohnehin schon trüben, von Entbehrungen geprägten Winter für unsere Jungs da sein dürfte. Draußen, mit viel Platz und Abstand. Und den Kindern nicht auch das schon wieder genommen wird.Zuverlässige Trainer, die – meist unbezahlt – mehrmals in der Woche und auch noch am Wochenende, bei Wind und Wetter auf dem Platz stehen und ihre Freizeit opfern, stehen leider auch nicht gerade Schlange. Im Gegenteil. Wie es dem besagten Fußballtrainer geht, der vor kurzem seinen Job verloren hat und in dieser Zeit schwer Vorstellungsgespräche bekommt, und warum er sich aktuell nicht impfen lässt, hat keinen interessiert. Das finde ich traurig, undankbar – und unanständig.Isolation kann schlimme Folgen haben Isolation kann schlimme Folgen haben, auch das hat uns Corona verdeutlicht. Immer mehr Menschen, auch viele Kinder und Jugendliche, leiden unter Depressionen. Ganz wichtig sei, Verständnis für die Meinung und das Handeln der anderen aufzubringen, respektvoll miteinander umzugehen und nicht die eigenen Maßstäbe als allgemeingültig anzusehen, sagt die Psychologin. Das wäre doch ein frommer Wunsch jetzt in der Vorweihnachtszeit. Und nicht die Politik und andere für alles verantwortlich zu machen, sondern selbst mal zu überlegen und Dinge zu hinterfragen.Hilft es jetzt wirklich, wenn ich lange darüber lamentiere, wer schuld daran ist, dass es aktuell wieder schwierig ist mit den Impfkapazitäten, viele ältere Menschen stundenlang anstehen, um sich ihre Boosterimpfung am Impfmobil abzuholen? Ich finds da doch klüger, nicht selbst den kurzfristig möglichen Termin dafür bei seinem Hausarzt anzunehmen, sondern den Tipp dem älteren, alleinstehenden Nachbarn zu geben – und die Chance dort gleich für ihn zu sichern. Mich wundert es, wie viele Menschen in meinem Alter sich jetzt schon haben boostern lassen. Dabei ist es laut Medizinern für uns fitte, jüngere Personen sogar besser, wenn man die Spanne noch etwas ausdehnt. Sicher, die Politik ruft jetzt alle dazu auf. Aber auch hier kann ich mich eigenverantwortlich entscheiden. Total-Lockdown und Bundesnotbremse Was mich aber schon erschreckt: Die Zahlen und Prognosen sind wirklich düster, und schon wieder eine neue Variante. Plötzlich kursieren wieder Begriffe wie Total-Lockdown und Bundesnotbremse. Die Entscheidung darüber, wie drastisch solche Einschränkungen werden können, hängt auch davon ab, wie verantwortlich jeder Einzelne und wir alle gemeinsam uns jetzt verhalten. Ich glaube auch da an das Gute.

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