Partyspaß: Darf man das?, fragen sich aktuell viele Bielefelder

Bielefeld. Hoch die Tassen, das Leben muss ja irgendwie weitergehen. Unverantwortlich, trotz 2G, meinen andere. Während die Coronazahlen weiter steigen, haben die Bielefelder zwiespältige Gefühle. Gehen wir zur großen Party, auf die wir uns so lange gefreut haben, oder überwiegt das ungute Gefühl? Warum werden sicherheitshalber nicht überall, wo größere Menschenmengen zusammenkommen, auch Geimpfte und Genesene getestet? Wie lange geht das überhaupt gut mit dem Weihnachtsmarkt? "Viele sind aktuell sehr unsicher, wie es weitergeht und in Bezug darauf, was jetzt richtig ist", bestätigt Kristina Hennig-Fast, Psychologin am Evangelischen Krankenhaus Bethel (EvKB). Ganz unterschiedlich sieht's bei den Bielefeldern aktuell aus mit der Lust auf Partyspaß: "Es habe einfach gut getan, bei der Aprés-Ski-Party im Lokschuppen am Wochenende mal wieder unter Leute zu kommen und zu feiern," sagt eine 39-jährige Bielefelderin. "Keine Lust auf nix, ich bleibe zu Hause," hingegen eine NW-Leserin auf Facebook. Daheim habe er genug Spaß - sei auch viel billiger, so ein anderer Nutzer. "Seit ein Bekannter von mir, Anfang 50, kerngesund, trotz zweifacher Impfung mit Corona erst kürzlich zehn Tage lang mit schweren Symptomen zuhause flach lag, gehe ich nicht mehr als unbedingt nötig unter Menschen, und ganz sicher nicht auf irgendwelche Veranstaltungen mit 2G ohne zusätzliche Tests", schreibt jemand auf nw.de. Er lasse sich die Laune nicht verderben, wiederum ein anderer Leser. "Musste ich mir gestern nach ein paar flapsigen Bemerkungen zur Lage noch fast schon vorhalten lassen, aber auf Party, Weihnachtsmarkt & Co. hab' ich echt noch keinen Bock. Nächstes Jahr vielleicht wieder." Ist 2G+ die Lösung? Warum setzen nicht alle Veranstalter auf 2Gplus?, fragen viele. Denn schließlich könnten auch Geimpfte Corona bekommen und - oft eben unerkannt - übertragen. "Das ist zukünftig sicher ein Thema", sagt Henner Zimmat. Mit der Agentur "Extrem beweglich" hat er am Wochenende im Lokschuppen die Aprés-Ski-Party mit rund 1.200 Gästen veranstaltet. Es galt 3G. "Wir haben uns an die geltenden gesetzlichen Vorgaben orientiert, wollten die Gäste nicht kurzfristig irritieren", sagt er. Alle seien "überglücklich dankbar" gewesen, nochmal feiern zu dürfen. Und sehr respektvoll im Umgang miteinander. Etwa 25 Prozent seien hingegen nicht gekommen. Sie hätten das aber als ihre persönliche Entscheidung angesehen und auf eine Erstattung der gekauften Karten verzichtet. Ob Party oder Weihnachtsmarkt: Man merke einfach, wie wichtig das den Menschen fürs Lebensgefühl sei. Das bestätigt auch Psychologin Kristina Hennig-Fast. Bindung, also menschliche Nähe, Kontrolle und Selbstbestimmung und Lust zu haben sowie Unlust zu vermeiden, seien wichtige menschliche Grundbedürfnisse. Und damit sei es schwierig in der Coronazeit. "Man möchte eingebunden, verbunden sein", sagt die Expertin. Und das sei aktuell oft sehr reduziert. Handlungsspielraum und Selbstbestimmung würden nicht nur durch die Maßnahmen, sondern häufig auch durch die Umgebung stark eingeschränkt. Lustvolle Erfahrungen kämen zu kurz. Viele hätten gehofft, dass durchs Impfen dieser Herbst entspannter werden würde. Und seien jetzt enttäuscht, dass es längst noch nicht wieder so unbeschwert ist wie erwartet. "Wer mit dem Zeigefinger auf andere zeigt, macht das häufig aus Angst" Da sei es hilfreich, sich Belohnungsalternativen zu suchen: Statt des geplanten großen Weihnachtsessens mit den Kollegen gibt's vielleicht eine gemeinsame Wanderung durch den Wald. Auch, zur Abwechslung mal weniger sich selbst, sondern die Gemeinschaft als Ganzes im Blick zu haben, könne dazu führen, dass man in Kauf genommene Einschränkungen nicht als negativ empfindet, sondern froh darüber ist, etwas zum Wohle aller beitragen zu können. Und längst nicht jeder Weihnachtsmarktbesuch oder jede größere Veranstaltung stelle ja per se eine allgemeine Gefährdung dar. "Wichtig ist, dass man achtsam ist und überlegt, wie man sich und andere da bestmöglich schützen kann und so Verantwortung übernimmt", sagt Hennig-Fast. Isolation, wie sie aktuell beispielsweise für Ungeimpfte diskutiert wird, sieht sie kritisch. Oder in puncto Kontakten auch die Bevormundung von alten Menschen. Isolation könne schlimme Folgen haben. Immer mehr Menschen litten unter Depressionen. Ganz wichtig sei auch, Verständnis für die Meinung und das Handeln der anderen aufzubringen, respektvoll miteinander umzugehen und nicht die eigenen Maßstäbe als allgemeingültig anzusehen. "Wer mit dem Zeigefinger auf andere zeigt, macht das häufig aus Angst", sagt Hennig-Fast.

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