Mega-Warteschlange: Booster-Welle überfordert die mobilen Stationen

Bielefeld. Mehrere Hundert Meter lang waren am Wochenende die Warteschlangen vor den mobilen Impf-Stationen von ASB, DRK und JUH. Leser berichten von knapp vier Stunden Wartezeit, abgewiesenen Senioren mit Handicap und fehlendem Impfstoff. Die Kritik ist groß. Der Andrang war tatsächlich ungewöhnlich, bestätigte ASB-Leiter Ingo Schlotterbeck. Die Zahl der Impfwilligen war am Wochenende plötzlich explodiert. Doch die Verantwortung für die Probleme sieht Schlotterbeck woanders. Die Politik und viele Hausärzte ließen sie im Regen stehen. Ingo Gieske berichtet vom Marktkauf Oldentrup, wo das Impfteam am Samstag von 10 bis 18 Uhr stand: &bdquo;Drei Stunden Wartezeit war extrem. Erschreckend war aber, dass Impfwillige mit ersichtlichen Behinderungen abgewiesen wurden.“ Er berichtet, dass Menschen mit Gehhilfen und Rollatoren, die nicht in der Lage waren, sich anzustellen, darum gebeten hätten, vorgelassen zu werden. Das habe es aber nicht gegeben. Nach zwei Stunden Wartezeit nach Hause geschickt Rudolf Stender gehörte zu denjenigen, die noch am Nachmittag ihr Glück in Oldentrup versuchten: &bdquo;Hier wurden die Impfwilligen, die zum großen Teil schon mehr als zwei Stunden geduldig in der Warteschlange ausgeharrt hatten, um 17.30 Uhr nach Hause geschickt – mit der Begründung, es sei kein Impfstoff mehr da.“ Auch am Sonntag auf dem Verkehrsübungsplatz in Dalbke war der Andrang ähnlich groß, die Warteschlangen waren enorm. Tatsächlich bestätigt Schlotterbeck, dass das Team am Samstag bestimmt 50 Personen habe wegschicken müssen: &bdquo;Wir haben das möglichst frühzeitig getan“, sagt er. Dafür sei extra eine Technik entwickelt worden, wonach absehbar sei, dass es nicht mehr für alle reicht. Dann kämen die Einsatzleiter in die Warteschlange und informierten diejenigen, die keinesfalls mehr eine Chance auf eine Impfung hätten. Den Ärger der Betroffenen könne Schlotterbeck dennoch verstehen. "Wir können nicht mehr und wir wollen nicht mehr" Sein Team habe am Samstag in 8 Stunden 410 Impfdosen injiziert. &bdquo;Wir können nicht mehr und wir wollen auch nicht mehr schaffen. Wir stoßen nicht nur bei den Impfdosen an Grenzen, sondern auch personell“, betont der technische Leiter des im September aufgegebenen Impfzentrums an der Stadthalle. Was ist plötzlich anders? &bdquo;Eigentlich sind wir mit dem mobilen Team unterwegs, um die letzten Bürger für die Erstimpfungen zu erreichen. Doch jetzt kommt plötzlich die Masse der Geimpften wieder“, erklärt der ASB-Leiter. Tausende Bielefelder hatten ihre vollständige Impfung im Sommer erhalten. Je nach Inhaltsstoff steht für sie nach 4 oder 6 Monaten jetzt eine Dritt- oder Nachimpfung an. Die Politik forciere angesichts der allgemeinen Entwicklung im Land die Werbung für das Boostern. "Die Booster-PR fliegt uns um die Ohren" Diese Nachimpfung sei sicherlich sinnvoll. Doch die Logistik dafür stehe nicht mehr bereit. &bdquo;Was wir hier machen, ist von der Politik produzierter Blödsinn“, sagt Schlotterbeck spürbar wütend: &bdquo;Wir bekommen von vielen das Feedback, dass die Hausärzte ihre Patienten entweder auf Februar vertrösten, oder die Praxen erst gar nicht zu erreichen sind. Gleichzeitig löse aber die politische Booster-Debatte zusammen mit den steigenden Zahlen Angst bei den Geimpften aus. &bdquo;Entsprechend sehen plötzlich Hunderte die Ultima Ratio beim Impfmobil, weil man hier keinen Termin benötigt.“ Doch das aufsuchende Angebot sei nur ein Mosaiksteinchen in einem großen gemeinsamen Konzept. Offensichtlich fehlten plötzlich die anderen Mosaiksteinchen. &bdquo;Diese Booster-PR fliegt uns gerade um die Ohren.“ Viele Praxen blocken beim Thema Impfen ab Wie berichtet, hatte auch Krisenstabschef Ingo Nürnberger Werbung für das beinahe tägliche Angebot der mobilen Teams gemacht, die im November Booster-Impfungen unabhängig vom Altern anböten. Gleichzeitig hatte er aber auch &bdquo;die Einrichtung mehrerer fester Impfstationen im Winter“ angekündigt. Damit wolle die Stadt die Anstrengungen der niedergelassenen Ärzte unterstützen. Schlotterbeck bittet um Geduld: &bdquo;Schuldzuweisungen helfen uns jetzt nicht. Wir brauchen wieder ein konzertiertes Miteinander.“ Seiner Einschätzung nach machten etwa 50 Prozent der Hausärzte alles möglich. Es gebe aber auch viele Praxen, die bereits mitten in der Grippezeit steckten und so ausgelastet seien, dass sie beim Thema Impfen abblockten.Gehandicapte sollten beim Hausarzt Druck machen Dass das Team Gehandicapte an den mobilen Stationen abweise, verneint Schlotterbeck nicht. &bdquo;Handverlesen lassen wir manche vor. Aber wir können nicht alle vorziehen.“ Dafür müsste es dann wieder einen Sicherheitsdienst geben und klare Regeln, wer vorgezogen werden werde und wer nicht. Schlotterbeck appelliert deshalb an alle Impfwilligen mit Handicap: &bdquo;Bürger mit Einschränkungen sind dringend aufgerufen, bei ihrem Hausarzt Druck zu machen, um dort einen Termin zu bekommen.“Zum Thema: Boostern gegen Corona: Stadt Bielefeld verschickt 45.000 Impfbriefe Genehmigung für Booster-Impfungen: Das müssen Impfwillige jetzt wissen Anspruch seit September: Drittimpfungen belasten Arztpraxen

Meistgelesen