Große Afghanistan-Demo in Bielefeld: "Luftbrücke jetzt!"

Bielefeld. Mit Entsetzen schauen viele derzeit nach Afghanistan. Die Taliban haben in Kabul die Macht übernommen, nicht nur langjährige Beobachter befürchten erneut eine brutale Terror-Herrschaft. Besonders Einheimische, die etwa Amerikanern oder Deutschen in der Vergangenheit beim Wiederaufbau ihres jahrzehntelang geschundenen Landes halfen, haben nun Todesangst. Es gibt erste Berichte, nach denen die neuen Herrscher bewaffnet von Tür zu Tür ziehen - auf der Jagd nach "Kollaborateuren", nach Verbündeten des Westens. Und was macht Deutschland? Zu wenig - das finden jedenfalls viele Menschen im Land, die sich zu Protestkundgebungen versammeln. In großen Städten wie Köln und Berlin gab es bereits am Dienstag erste Demonstrationen für eine andere Afghanistan-Politik der Bundesregierung – in Bielefeld gingen die Menschen am Mittwoch auf die Straße. Rund 500 Demonstranten versammelten sich am Abend vor dem Rathaus. Zu Beginn gab es eine Schweigeminute für die Menschen auf der Flucht oder in den Verstecken. Zum Thema: Alle aktuellen Infos im Afghanistan-Newsblog "In akuter Lebensgefahr" Etliche Afghanen schwenkten die Fahne ihres Landes - das einzige Symbol, das die Demo-Organisatoren von Seebrücke Bielefeld und AK Asyl Bielefeld gestattet hatten. Alle Redner forderten die Bundesregierung zum sofortigen Handeln auf und verurteilten das ihrer Meinung nach zögerliche wie bürokratische Vorgehen beim Retten der besonders gefährdeten Ortskräfte. So solle die Luftbrücke möglichst lange bedrohte Menschen in Sicherheit bringen, gemäß dem Motto der Demo: &bdquo;Luftbrücke jetzt! Gefährdete Menschen sofort ausfliegen!" Arija Faizy von AK Asyl sprach über die dramatische Situation für viele Frauen, die praktisch über Nacht aus dem Stadtbild von Kabul verschwunden seien. Für das gegenwärtige Taktieren der Bundesregierung empfinde sie Zorn und Wut, wenn sie daran denke, dass die Ortskräfte fürs Ausfliegen in Kabul einen Antrag einreichen müssen, während sie gleichzeitig aus vormals sicheren Häusern flüchten müssten und vielfach ganz auf sich allein gestellt seien. Tobias Reher von der gleichen Organisation sprach auch von den bereits im Exil lebenden Menschen, die jetzt um die Sicherheit ihrer Angehörigen fürchten. Das Verlesen eines Briefes machte die Ängste der Betroffenen deutlich: Der Verfasser erzählte von den schlimmen Stunden ohne Kontakt zu seinen Nächsten in der alten Heimat. Aufgebrachte Gegendemonstranten Berichtete vom forcierten Ausfall von Telefon oder Internet im Land und die damit verbundene Ungewissheit über das Wohl von Eltern und Geschwistern. Reher mahnte eine schnelle Zusammenführung der Familien an und verwehrte sich wie auch andere Redner gegen neue Flüchtlingslager an den Außengrenzen der EU. Labiba Ahmed von der Seebrücke dankte den Anwesenden für ihre Präsenz, erklärte zu Beginn die Demo-Regeln, rief auf zu Spenden für gefährdete Frauenprojekte und kümmerte sich im Verlauf der Veranstaltung um den Ausschluss einiger Querulanten von der Demo. Eine Gruppe junger Männer habe zuvor provoziert mit dem Zeigen des Bildes eines mutmaßlichen Kriegsverbrechers, erklärte sie die Rangelei am Rande des Geschehens. Nach einem ersten Kräftemessen mit den Ordnern nahmen sich die anwesenden Polizisten der Gruppe an. Sie erklärten den aufgebrachten Gegendemonstranten diskret, was der abstrakte Begriff der Entfernungspflicht konkret bedeutet. Unter dem Rufen diverser Schimpfworte folgte die Gruppe den Anregungen der Beamten und zog ab. Wie die Leitstelle der Polizei später noch mitteilte, sei es zu keinen weiteren Vorfällen gekommen. Zum Thema: Kabinett billigt Evakuierungsaktion der Bundeswehr Mehr Infografiken finden Sie bei Statista

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