Wie ein Bielefelder Professor Verschwörungstheorien verbreitet

Bielefeld. "Jeder, der beim Thema Corona mitreden möchte, sollte sich die Ausführungen von Prof. Martin Schwab in voller Länge anschauen", steht unter einem Video, das im vom Musiker Xavier Naidoo betriebenen Kanal des Nachrichtendienstes Telegram geteilt wird. Der Sänger war im vergangenen Jahr besonders aufgefallen, weil er über die Social Media Plattform antisemitische und verschwörungsideologische Inhalte verbreitete. Doch warum empfehlen er sowie andere Rechte und Rechtsextreme bei Telegram immer wieder einen Jura-Professor aus Bielefeld? Martin Schwab arbeitet seit 2016 als Professor an der Universität Bielefeld. Bei den Studierenden scheint er beliebt zu sein. Laut einem ehemaligen Studenten sei Schwab &bdquo;einer der besten Professoren, was seine Lehre angeht" und wäre besonders gut da darin, seine Studierenden zu motivieren. Doch dann kommt die Coronakrise. Seitdem ist Schwab häufig als Redner und Jura-Experte für verschiedene Coronaleugner-Gruppen unterwegs. Seine Äußerungen beschränken sich dabei nicht nur auf sein Fachgebiet. Mehr Infografiken finden Sie bei Statista So zählt er bei einem Rednerauftritt in Mönchegladbach-Rheydt auf, was er an der Corona-Pandemie &bdquo;glaubt" und was nicht. Zwar leugnet er nicht die Pandemie inklusive Toter und schwerer Verläufe als solche, aber er stellt grundlegende Forschungsergebnisse zum Virus in Frage. So glaube er weder daran, dass PCR Tests-verlässlich eine Infektion nachweisen können, noch an asymptomatische Infektionen oder an die Effektivität von Corona-Schutzmaßnahmen wie Masken oder Quarantänen. "Der Mann weiß nicht was der Unterschied zwischen einer Erkrankung und einer Infektion ist und er weiß nicht, wie ein PCR-Test funktioniert. Er guckt ohne Fachwissen auf die Situation und liest selektiert schlechte Studien und baut sich dann daraus sein Weltbild", sagt Friedemann Weber, Direktor am Institut für Virologie der Justus-Liebig-Universität in Gießen. Schwabs Behauptungen zum Virus seien anhand des aktuellen Forschungsstandes nicht haltbar. Trotzdem verleiht es Coronaleugner-Gruppen natürlich Glaubwürdigkeit, wenn sie sich auf die Expertise eines Jura-Professors berufen können. Für die Partei &bdquo;Die Basis" kandidiert Schwab zur Bundestagswahl. Die Partei war während der Corona-Krise als Teil der Protestbewegung gegen die Corona-Maßnahmen entstanden und sieht sich fortwährend dem Vorwurf ausgesetzt, eine rechte Partei zu sein. So kam es erst vor kurzem zum Eklat, weil sich der Bundestagskandidat Sucharit Bhakdi offen antisemitisch äußerte – ohne dass sich die Partei davon distanzierte. Mehr Infografiken finden Sie bei Statista Schwab publiziert auch zu Corona. Er verbreitet eine über 180 Seiten lange Arbeit dazu sowohl auf einer Szene-Webseite als auch auf seiner offiziellen Uni-Homepage. Die Arbeit beruht auf einer Mischung aus seriösen und unseriösen Quellen und dreht sich rund um das Virus. Vordergründig geht es aber um die Analyse einer Reihe von Faktenchecks zu Falschinformationen, die der damalige SPD-Politiker Wolfgang Wodarg im vergangenen Jahr über Corona verbreitet hatte. In der Berichterstattung über Wodarg vermutet Schwab mehrfach eine gezielte Verschwörung. So schreibt er zum Beispiel: &bdquo;Sollte hier eine unbequeme Stimme gezielt zum Verstummen gebracht werden?" Beweise dafür führt er nicht an. Stattdessen arbeitet er viel mit offenen Fragen und Andeutungen. Die gleiche Taktik verwendet Schwab, als er bei einer Demonstration in Mönchengladbach über den &bdquo;Great Reset" spricht. Hinter diesem Begriff stecke eine von &bdquo;antisemitischen Narrativen durchzogene Verschwörungserzählung", erklärt Ismail Küpeli, Projektleiter der Aktion &bdquo;Antidot – Engagiert gegen Verschwörungserzählungen" der Amadeu Antonio Stiftung. Der Name kommt von einer realen Initiative des Weltwirtschaftsforums. Verschwörungsideologen würden daraus aber eine "Verschwörung nicht näher genannter 'globaler Eliten' zur Einführung einer 'neuen Weltordnung'" machen, so Küpeli. Schwab schafft eine gewisse Distanz zu diesem Narrativ, indem er zunächst sagt: &bdquo;Ich selber habe mich mit dem Thema Great Reset viel zu wenig beschäftigt, um überhaupt eine schlüssige Geschichte dazu erzählen zu können." Mehr Infografiken finden Sie bei Statista Nur um dann direkt zu sagen: &bdquo;Mir machen die Dinge, die da kursieren, Angst." Dazu sagt die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus OWL: &bdquo;Damit bleibt er bewusst vage, stimmt der Erzählung durch seine Aussagen aber eigentlich zu. Anhänger dieser Verschwörungsideologien wissen, was gemeint ist und fühlen sich verstanden." Auf Nachfrage der NW zu seiner Rezeption in der rechten Szene sagt Schwab: "Damit töten Sie jeden Diskurs." Er wolle sich bei seinen Aussagen nicht davon einschränken lassen, wie ihn Rechtsextreme verstehen könnten. &bdquo;Ich habe mit Nazis nichts zu tun und das habe ich auch in aller Deutlichkeit gesagt", sagt er. Trotzdem gibt es bei ihm mehrere Kontakte in die rechte Szene hinein. Auf Screenshots in einer lokalen Coronaleugner-Telegramm-Gruppe schreibt eine Frau, sie wolle eine Aktionsgruppe gegen Impfzentren gründen, Schwab würde dazu einen Text beisteuern. Der Professor bestätigt diesen Kontakt. Laut dem antifaschistischen Recherchekollektiv OWL handelt es sich bei der Frau um eine Rechtsextreme aus der Region, die auch auf Fotos von Unterstützer-Demos für die Holocaust-Leugnerin Usula Haverbeck zu erkennen ist. Nach dem Gespräch mit Schwab kontaktiert die Frau die NW und droht mit juristischen Schritten, falls sie als rechtsextrem bezeichnet werden würde. Im gleichen Atemzug gibt sie aber auch ihre Beteiligung an den Demos für die Holocausleugnerin Haverbeck zu. Konfrontiert sagt Schwab, er hätte von diesen Hintergründen nichts gewusst. &bdquo;Ich kann mich eigentlich mit gar niemanden umgeben, ohne einen ausführlichen Youtube-, oder Google-Check gemacht zu haben", sagt er. Das sei aber nicht leistbar. &bdquo;Dann kann ich das Arbeiten gleich einstellen", so Schwab. In einer Stellungnahme betont die Universität, dass sie hinter den staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie steht. Zu der Verbreitung von medizinischen Falschinformationen durch Schwab sagt Jörg Heeren, Referent für Wissenschaftskommunikation an der Uni.: "Diversität von wissenschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Meinungen ist Teil der Universität Bielefeld als Institution." Solange keine verfassungsrechtlichen Grenzen überschritten würden, seien die Aussagen von Schwab von der Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit gedeckt. Das gelte auch bei Schwabs Äußerungen zum "Great Reset". Darüber hinaus sagt Heeren, dass sich die Uni von menschenverachtenden und antisemitischen Positionen distanziert. Zu Schwabs rechten Kontakten heißt es: "Wir gehen davon aus, dass Professor Schwab seinen Pflichten als Beamter entsprechend die demokratische Grundordnung vertritt."

Meistgelesen