Außergewöhnlich: Angeklagter flüchtet vor Bielefelder Reportern

Bielefeld. Die sogenannte Rohr-Mafia ist aktuell in Bielefeld massiv im Einsatz. Die vermeintlichen Handwerker nutzen die Notlage der Kunden aus und drängen sehr schnell auf Vorauszahlungen. Ist genug Geld geflossen, hauen sie ab. Die Justiz hat bisher immer wieder Probleme, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Viele der Verfahren werden frühzeitig eingestellt. Doch in einem Bielefelder Fall liegen endlich genügend belastende Erkenntnisse für einen Prozess vor. Am Freitag sollte sich einer der Männer, die mit solchen Methoden bundesweit Geld verdienen, wegen Wuchers verantworten. Doch der Mann aus dem niedersächsischen Syke machte im Amtsgericht auf dem Absatz kehrt. Wucherpreise? 390 Euro pro Meter statt 160 Euro Was war passiert? Im März 2020 hatte die Jöllenbeckerin Petra R. eine verstopfte Toilette. Schnell musste eine Lösung her. Per Google-Suche stößt sie auf eine vermeintliche Bielefelder Firma. In der Google-Anzeige ist deutlich sichtbar "Bielefeld" zu lesen. Sie beauftragt die Firma mit der Beseitigung der Verstopfung. Und kurz darauf erscheinen auch Mitarbeiter einer auswärtigen Firma aus Niedersachsen. Nach einem ersten Loch im Garten werden bereits 1.500 Euro fällig. Während R. davon ausging, damit alles bezahlt zu haben, erhält sie kurz darauf eine Kurznachricht einer zweiten Firma. Die Jöllenbeckerin soll am Handy bestätigen, dass diese Firma nun ihre Abwasserrohre für 390 Euro pro laufenden Meter saniert. Ortsüblich sind aber 160 Euro, berichtet ein Insider. Wer nicht zahlt, dem drohen die vermeintlichen Handwerker Petra R. bestätigt in ihrer Not die Handyanfrage. Die Firma erscheint schnell und geht sofort an die Arbeit. Zeit zum Nachdenken soll hier keiner bekommen. Gleich drei Mal soll sie im Verlauf der Arbeiten neue Abschlagszahlungen leisten - erst 1.600, dann 2.000 und zuletzt 1.400 Euro. Als sie zögert, soll ihr der nun angeklagte Mann gedroht haben, wenn sie nicht zahle, werde er die bereits begonnenen Arbeiten einstellen und alles stehen und liegenlassen. Inzwischen ist die Frau 6.500 Euro los geworden. Am darauffolgenden Tag kommen die Rohrsanierer nicht zurück. Ein eigens kontaktierter Sachverständiger rät: &bdquo;Rufen Sie sofort die Polizei." Als es abends zu einem letzten Streitgespräch mit dem doch noch erschienenen Vorarbeiter kommt, rastet Petra R. aus. Sie will nun die Polizei rufen, den Mann festhalten. Doch der ergreift in seinem Mercedes die Flucht. Petra R. erstattet Anzeige gegen den Mann. Allein die Fertigstellung der Sanierung durch eine seriöse Bielefelder Handwerkerfirma kostet weitere 3.800 Euro. Ob die Tiefbauarbeiten in ihrem Garten überhaupt nötig waren, bezweifeln die Experten. Zudem sollen die neu verlegten Rohre nicht fachgemäß erfolgt sein. Ein Gutachter dazu macht weitere Kosten nötig. Keine Lust auf die Medien Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren zunächst ein. Weil aber von verschiedenen Seiten Beschwerde dagegen eingelegt wurde, ergeht schließlich ein Strafbefehl über 1.200 Euro (40 Tagessätze à 30 Euro) wegen Wuchers. Gegen den Strafbefehl legt der Beschuldigte Einspruch ein, erscheint dann aber am Freitag nicht vor Gericht. Er soll vor Ort gewesen sein. Angeblich weil er keine Lust auf die Medien im Gericht gehabt habe, sei er dann aber wieder abgereist. Das soll er gegenüber einem TV-Team von Sat.1 gesagt haben. Richterin Larissa Misera verwirft daraufhin auf Antrag der Staatsanwaltschaft den Einspruch gegen den Strafbefehl. Nun muss er doch zahlen. Petra R. ist dennoch fassungslos. Im TV-Interview sagt sie: "Ich musste das Auto meines Vaters verkaufen, habe einen Schaden von 20.000 Euro und hatte zahllose schlaflose Nächte. Und der bleibt einfach weg. Krass."

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