Unfassbar: Bielefelder warten 55 Jahre auf Straßenbau zu ihren Grundstücken

Bielefeld. Die Story ist so unglaublich, dass sie auch fürs Fernsehen ein gefundenes Fressen war. Nachdem die NW über Menschen berichtet hatte, die seit mehr als 55 Jahre auf die Straße warten, die ihre Grundstücke erschließen soll, sendeten kurz drauf auch ZDF, WDR, SAT1 und RTL Beiträge, sorgten für bundesweite Aufmerksamkeit. Nun geht die unendliche Geschichte über die nie fertiggestellte Straße Am Grund in die nächste Runde. Lisa Dickel (71) gehört zu jenen, die mit am längsten auf den Bau warten. Ihr gehört seit 1979 das Flurstück 1321 im &bdquo;Wohngebiet Schlinghof". Mit ihrem zwischenzeitlich verstorbenen Mann wollte sie auf dem 1.500 Quadratmeter großen Gelände, das postalisch die Anschrift Am Grund 11 hätte, zwei Doppelhäuser errichten. Die Pläne waren fertig, der Bauantrag war gestellt. Was bis heute fehlt, ist die Straße zum Insel-Grundstück. Nebenan, Am Grund 8, warten Rosemarie Gramberg-Menzel (81) und ihr Mann (82) darauf, dass sie ihr Haus nicht mehr nur mit Hilfe eines Notwegerechtes über das Grundstück von Nachbarin Stefanie Burkamp erreichen können. Ihre Einkäufe müssen sie mit dem Handkarren von einem Parkplatz irgendwo an der Straße über eine lange Strecke schieben. Sie beide und weitere Nachbarn würden gerne noch erleben, dass die Straße Am Grund, von der bisher nur ein kleines Teilstück realisiert wurde, ihre Grundstücke erreicht. Für diese Sackgassen-Lösung fehlen zwei kleine Flächen von 20 und 9 Quadratmetern von Nachbarn, die seit Jahrzehnten nicht zum Verkauf bereit sind. Für den Durchbau bis zur Straße Am Buschhof fehlen insgesamt fünf kleinere Parzellen, den Rest hatte die Stadt im Laufe der Jahre bereits erwerben können. Die verzweifelten Dalbker unternehmen nun einen neuen Anlauf: Sie haben den Petitionsausschuss des Landes Nordrhein-Westfalen angeschrieben und auf ihre &bdquo;Realität im Dalbker Absurdistan" aufmerksam gemacht. Dazu gehört aus ihrer Sicht nicht nur die fehlende Straße. Sie weisen auch darauf hin, dass in den 60er und 70er Jahren die damals noch selbstständige Gemeinde Senne II (Sennestadt) 32 Grundstücksbesitzern Baugenehmigungen mit teils abenteuerlichen Erschließungen erlaubt habe. Großer Vorwurf an die Stadt So sei in dritter und vierter Reihe gebaut worden, mit etwa zehn provisorischen Zufahrten und Stichstraßen. Keine haben das erforderliche Mindestmaß von 3,05 Meter, monieren die Petenten. In Notfällen, die es in der Vergangenheit bereits mehrfach gegeben habe, könne die undurchsichtige Verkehrslage gefährlich werden. Lisa Dickel, Rosemarie Gramberg-Menzel und Stefanie Burkamp werfen Verwaltung und Politik vor, dass sie über Jahrzehnte die &bdquo;unsolidarische, böswilligen Verhaltensweisen" jener fünf verkaufsunwilligen Grundbesitzer toleriere und die Situation ignoriere. Die Rede ist sogar vom &bdquo;Dalbker Klüngel" zum Vorteil von Schützenbrüdern und Feuerwehrkameraden. "Die Stadt macht es sich einfach leicht", sagt Gramberg-Menzel. In der Tat müssten bei einem Ausbau nach dem rechtsgültigen Bebauungsplan 32 Anlieger Erschließungskosten bezahlen. Gegner des Ausbaus wiesen darauf hin, dass sie die Erschließung nicht brauchen. Lisa Dickel, deren Korrespondenz mit Sennestadt GmbH und Bielefelder Verwaltung mittlerweile mehrere Aktenordner füllt, hat erneut einen Rechtsanwalt eingeschaltet. Nur Freiwilligkeit hilft weiter Burkhard Zurheide hat sich am 1. Februar bei der Stadt nach den Details zum Bebauungsplan, der Straße Am Grund und den Erschließungen für die vielen Grundstücke erkundigt. Antwort gab es erst am 6. April – nach einem dritten Brief, in dem Zurheide mit einer &bdquo;dienstaufsichtrechtlichen Überprüfung" gedroht hatte. Das Bauamt erklärt, wie schon früher, dass die &bdquo;intensiven Bemühungen um den erforderlichen Grunderwerb" für die Trasse an den fünf nicht verkaufsbereiten Grundbesitzern gescheitert sei. Die Möglichkeit der Enteignung sei nicht erfolgversprechend, daher könne der Straßenausbau erst nach dem &bdquo;freihändigen Erwerb der fehlenden Flächen erfolgen". Kleine Stichwege laut Stadt in Ordnung Die Erschließung der 32 Grundstücke im Wohngebiet wird im Bauamt als unproblematisch angesehen. Es handele sich um privatrechtliche Erschließungen, die bereits zum Zeitpunkt des Aufstellungsverfahrens für den Bebauungsplan bestanden hätten. Sie widersprächen weder den Festsetzungen im Plan, noch seien sie abweichend von diesem genehmigt worden. Lisa Dickel und Co. haben gleichwohl Schreiben an alle Parteien in der Bezirksvertretung und an Bezirksbürgermeister Lars Nockemann verschickt, mit der sie den Ausbau der Straße Am Grund erneut einfordern. FDP-Bezirksvertreter Kai Detlefsen hat das Thema &bdquo;Rettungswege" auf die Tagesordnung der Bezirksvertretung Sennestadt gebracht, die am Donnerstag ab 18 Uhr in der Theodor-Heuss-Realschule tagt. Gerade für die Bewohner der Häuser Am Grund 6 und 8 sieht er wegen der fehlenden direkten Zufahrt Gefahr für Leib und Leben. Außerdem möchte Detlefsen mit einer weiteren Anfrage wissen, wann Lisa Dickels Grundstück erschlossen wird. Dort könne schließlich Wohnraum entstehen, den auch Sennestadt dringend benötige.

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