Michael Vesper: Gründungsmitglied der Grünen berät jetzt Lidl

Bielefeld. Wenn Michael Vesper spricht, ist der markante Singsang in seiner Stimme nicht zu überhören. Die Betonung liegt oft auf der ersten Silbe des Wortes, auf der letzten Silbe senkt er die Stimme, um den Ton dann im letzten Moment doch noch ein wenig nach oben zu ziehen – typisch kölscher Dialekt eben. Gleichwohl ist der Rheinländer, der einst die Partei der Grünen mitbegründete, später Minister und stellvertretender Ministerpräsident von NRW wurde und Vorstandsvorsitzender des Deutschen Olympischen Sportbundes war, fest verwurzelt in Bielefeld. Studium, Ehrenamt, Gründung der Grünen - alles in Bielefeld &bdquo;Mit Bielefeld verbinde ich eine für mich entscheidende Zeit, Studium, erste Stelle, ehrenamtliche Arbeit im Welt-haus, Gründung der Grünen", sagt Michael Vesper und blickt in die Kamera seines Computers. Das Gespräch findet per Videokonferenz statt. Vesper hat sich in seinem Schreibtischstuhl zurückgelehnt, die Ellbogen auf die Armlehnen gestützt, an den Ärmeln seines frisch gebügelten Hemdes funkeln rechteckige, messingfarbene Manschettenknöpfe. &bdquo;In Bielefeld habe ich alles gemacht, was man im Leben so macht", sagt Vesper. Sohn, Haus, Baum, Buch und Fußballverein Eine Aussage, die er sich über die Jahre angewöhnt zu haben scheint, wann immer das Gespräch auf Bielefeld kommt: &bdquo;Ich habe einen Sohn gezeugt, ein Haus gekauft, einen Baum gepflanzt, ein Buch geschrieben und einen Fußballverein gefunden." Vesper studierte Soziologie in Bielefeld, wurde nach dem Diplom Dekanatsassistent an der Fakultät für Soziologie und war politisch aktiv – in der Anti-AKW-Bewegung aber auch kommunalpolitisch mit dem Wahlbündnis Bunte Liste, das es 1979 ins Bielefelder Rathaus schaffte. Vorsitzender des Deutschen Olympischen Sportbundes 1982 beendete Vesper seine Doktorarbeit über die Homelands in Namibia. In den 1990er-Jahren begann seine Karriere bei den Grünen auf Landesebene, wurde 1995 Minister für Bauen und Wohnen und stellvertretender Ministerpräsident des Landes NRW. 2006 verließ er die Politik und wurde Vorstandsvorsitzender des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). »Politiker bin ich nicht mehr, Grüner bin und bleibe ich« &bdquo;Jetzt bin ich im sogenannten Ruhestand", sagt Vesper: &bdquo;Damit es mir nicht langweilig wird, mache ich noch ein paar Sachen, beruflich und ehrenamtlich." Er zieht die Mundwinkel auseinander und eine Reihe gerader weißer Zähne kommt zum Vorschein, Lachfalten bilden sich rund um seine Augen. Zum Beispiel berät er Lidl bei der Standortentwicklung – unter anderem in Oldentrup. Er macht das seit 2018 in seiner Funktion als Partner bei der von Beust & Coll. Beratungsgesellschaft, die der frühere Erste Bürgermeister Hamburgs Ole von Beust (CDU) gründete. Mehr Infografiken finden Sie bei StatistaAuch Beratung von Kreuzfahrtunternehmen &bdquo;Politiker bin ich nicht mehr, aber Grüner bin und bleibe ich", hält Vesper fest. &bdquo;Als grüner Minister war immer mein Impuls, die Wirtschaft zu fördern, sie aber auch zu drängen, sich den ökologischen Notwendigkeiten zu stellen." Von Beust & Coll berät Unternehmen und Verbände, mit Schwerpunkt im Bereich der Kreuzschifffahrt, aber eben auch beim Lidl in Oldentrup, dessen Klimatisierung jetzt laut Pressemitteilung ohne fossilen Brennstoff auskommt. "Wie kommt ihr denn auf mich?" &bdquo;Wirtschaft und Politik wissen voneinander verhältnismäßig wenig", sagt Vesper. &bdquo;Ich stelle mich sozusagen ein bisschen als – wie soll ich sagen – Dolmetscher zur Verfügung und nutze meine Netzwerke, um Unternehmen zu beraten." Ein Vorzug, den auch die deutschen Pferdezüchter sahen, als sie Vesper zum Präsidenten des Direktoriums für Vollblutzucht und Rennen machten. &bdquo;Erst habe ich gesagt", senkt Vesper seine Stimme, &bdquo;also wie kommt ihr denn auf mich? Bei meinem Gewicht bräuchte ich ja zwei Pferde, um darauf reiten zu können". Zucht englischer Vollblutpferde Er hat die Augen halb geschlossen, darunter wandert sein Blick Richtung Kamera. Eine Sekunde lang schweigt er. &bdquo;Das war ein Scherz", sagt er dann ruhig. Plötzlich zieht er seine Mundwinkel auseinander, wirft den Kopf leicht nach hinten und beginnt zu lachen. Das Direktorium für Vollblutzucht und Rennen – auf Initiative von Vesper wurde es in &bdquo;Deutscher Galopp" umbenannt – ist die zentrale Organisation für die Zucht Englischer Vollblutpferde in Deutschland. Zudem legt es auf nationaler Ebene die Rennregeln fest und überwacht deren Einhaltung. &bdquo;Dann haben sie mir erläutert, wofür sie mich brauchen", sagt Vesper. &bdquo;Es ging unter anderem um eine Gesetzesänderung zur Rennwettsteuerrückerstattung, die wir schließlich auch erreicht haben." »So, wie es jetzt ist, ist es ein guter Mittelweg« Der Ruheständler scheint also alles andere als ein ruhiges Leben zu führen. Neben seinem Berater-Job und seiner Arbeit bei Deutscher Galopp ist er nämlich auch noch Senior Advisor (Berater) des Internationalen Olympischen Komitees. Hinzu kommen zahlreiche Ehrenämter. &bdquo;Insgesamt ist mein Tag also gut gefüllt und die Woche auch und der Monat ebenso", sagt Vesper. Wieder die Grübchen, wieder die Lachfalten, wieder die blitzenden Zahnreihen. &bdquo;Das macht mir alles Spaß, aber ich genieße es auch, ein bisschen mehr Herr über meine Zeit zu sein." "Nicht den ganzen Tag spazieren" Vesper dreht den Kopf nach rechts und blickt an der Webcam vorbei in die Ferne, in den Gläsern seiner randlosen Brille glänzt für einen Moment die Reflexion eines Fensters, das sich vermutlich hinter seinem Computerbildschirm befindet. Ob er manchmal wünscht, alle seine bezahlten und unbezahlten Ämter niederzulegen? &bdquo;Nein, weil ich mich noch – toi toi toi – nicht so fühle, dass ich den ganzen Tag spazieren gehen möchte. Ich möchte noch etwas tun, aber auch nicht mehr so intensiv eingebunden sein, wie das früher der Fall war. Und so, wie es jetzt ist, ist es ein guter Mittelweg."

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