Deswegen sind Gottesdienst-Absagen für Mennoniten und Freikirchen besonders schlimm

Bielefeld. Weihnachten ohne Gottesdienst? In Präsenz, also in der Kirche von Mensch zu Mensch, ist das 2020 meist abgesagt. Das bedauern viele, so auch NW-Leserin Svenja Siepmann. &bdquo;Ich bin nicht glücklich, aber einverstanden." In Bielefeld haben sich nicht nur die Protestanten auf die vollständige Absage aller Präsenz-Gottesdienste eingelassen, sondern auch die Katholiken. Sogar Gemeinden, die &bdquo;open air" feiern wollten, haben sich schweren Herzens auf den Verzicht eingelassen. Und so fragt sich nicht nur Siepmann, was denn mit &bdquo;einem großen Teil vom Ganzen", den freikirchlichen, evangelikalen, mennonitischen Gemeinden ist. Hier habe es &bdquo;nachweislich Fälle von Infektionsgeschehen nach Gottesdiensten" gegeben. Auch Krisenstabsleiter Ingo Nürnberger wünschte sich hier im Herbst mehr Zurückhaltung. Mediziner fordern Verbote. Schwieriger Blick auf Kirchen Der Blick auf diese Kirchen ist aber komplex. Auffällig ist, dass es immer wieder besondere Corona-Hotspots im Umfeld dieser Kirchen gibt. Beweisführungen aber sind schwierig, vieles kann hier eine Rolle spielen. Fakt ist: In allen Gemeinden gibt es viel höhere Besucherzahlen. Zum Thema: Riesen-Ansturm auf Corona-Schnelltests vor Weihnachten in Bielefeld Heinrich Klassen ist Pastor dreier Mennonitengemeinden, er sagt: &bdquo;Die Präsenz spielt bei uns eine große Rolle, unser Thema ist im Gottesdienst die Nachfolge Jesu als Gemeinschaft." Heinrich Baumann, Experte für Freikirchen, sagt: &bdquo;Teilweise sind 100 Prozent der Gemeinde im Gottesdienst, bei den Protestanten sind es oft nur 5 Prozent." Mehr Infografiken finden Sie bei Statista Blickt er auf die Freikirchen und blickt Klassen auf die 17 Mennoniten- und Brüdergemeinden, sagen beide: Es gebe &bdquo;riesige Hygienekonzepte" (Baumann) und es werde &bdquo;voller Verantwortung und ohne Leichtfertigkeit" (Klassen) agiert. Der Konflikt um die Präsenz sei groß. Dennoch hat Klassen an allen drei Standorten alle Gottesdienste abgesagt – sie finden digital statt. Auch bei den Freikirchen haben viele abgesagt. Hier wird gefeiert Aber nicht alle. Wie auch bei den Mennoniten. An der Schillerstraße feiert die Brüdergemeinde, aber &bdquo;sehr klein", wie Andreas Epp betont. &bdquo;Vielleicht kommen 100 Gläubige", sagt er, &bdquo;verteilt auf zwei große Räume mit viel Abstand." Sonst feiern hier weit mehr. Nun werde digital übertragen, das sei &bdquo;sehr schmerzhaft", aber richtig so. Auch ohne Kirchgang muss in diesem Jahr niemand auf die Frohe Botschaft an Heiligabend verzichten. Gemeinsam mit @arminia und @ekvw_online gestalten wir einen besonderen Online-Gottesdienst, der die Weihnachtsstimmung ins Wohnzimmer bringt https://t.co/r0y2mOVV7Bpic.twitter.com/dS3jBxwsFX Bethel Aktuell (@Bethel_Aktuell) December 21, 2020Hier, wo viele Menschen aus Russland kommen und staatliche Unterdrückung erlebt haben, ist die Sensibilität gegenüber staatlichen Eingriffen groß. Epp betont aber: &bdquo;Hier geht es jetzt ja um den Schutz von Menschen, das können wir akzeptieren – würde der Staat uns sonst Gottesdienste verbieten, würden wir immer Gott über den Staat stellen." !function(){"use strict";window.addEventListener("message",(function(a){if(void 0!==a.data["datawrapper-height"])for(var e in a.data["datawrapper-height"]){var t=document.getElementById("datawrapper-chart-"+e)||document.querySelector("iframe[src*='"+e+"']");t&&(t.style.height=a.data["datawrapper-height"][e]+"px")}}))}();Sein Kollege Klassen blickt traurig auf die von ihm abgesagten Gottesdienste, denn: &bdquo;Wo sonst geschieht denn noch Kraftschöpfung und Liebe, wo, wenn nicht in der Gemeinschaft?" Ihn schmerzt, &bdquo;dass wir jetzt Versammlungen mit der Ausbreitung von Krankheit verbinden". Er wie auch Epp leugnen Covid-19 jedoch nicht, das betonen beide. "Riesige Zurückhaltung" Das gilt auch für Andreas Volkmar und seine Ehefrau. Er ist Pfarrer der Trinitatisgemeinde – und diese hat sich für Präsenzgottesdienste an Heiligabend und Weihnachten entschieden. Ohne Abendmahl, ohne Gesang, mit Maske, mit Abstand. 36 angemeldete Gläubige dürfen an Heiligabend an jedem der drei Gottesdienste in die Kirche, zwei der drei Gottesdienste sind aber nicht &bdquo;ausgebucht". Zum Thema: Diese Regeln gelten während des zweiten Lockdowns in Bielefeld Ein Phänomen, das Experte Baumann kennt: &bdquo;Viele Angebote werden nicht ausgeschöpft, es gibt eine riesige Zurückhaltung." Deshalb habe er auch keine großen Sorgen beim Blick auf Weihnachten und Präsenz-Gottesdienste. Bei Volkmar und Trinitatis ist viel Sorgfalt zu spüren. Gesungen worden sei schon seit langem nur vor der Kirche, mit Mundschutz, auf Abstand. Umarmungen seien tabu. &bdquo;Für uns ist Gott nicht größer als das Virus", sagt seine Frau und meint, dass der Verweis auf Gott nicht die Pandemie kleinreden könne und dürfe. Sie betont, dass ein Verbot der Gottesdienste in letzter Minute auf Verständnis stoßen würde, denn: &bdquo;Es gibt nun einmal eine große Dynamik, das betrifft auch die Politiker." Dann werde es eben die Video-Variante geben. "Völlig konform" Pastor Volkmar: &bdquo;Wir gehen völlig konform mit dieser Lage." Das unterscheide viele Freikirchen vielleicht etwas von der einen oder anderen mennonitischen Gemeinde, doch er wirbt um Verständnis: &bdquo;Die Angst vor Unterdrückung spielt da eine große Rolle." Doch gebe es auch dort viele &bdquo;verantwortungsbewusste Gemeinden". Und jenen, die doch unter Druck und in die Nähe von Verschwörungstheorien gerieten, wünscht er &bdquo;etwas mehr Gelassenheit". Kompromisse statt Trotz Statt Trotz-Reaktionen seien Kompromisse erstrebenswert. Mit diesen sei für ihn ein Gottesdienst zu verantworten, zu hoch sei eben die Bedeutung: &bdquo;Für uns ist das kein Event, es ist ein Geschehen", sagt seine Frau. Die Liebe zu Menschen, zentrale Botschaft des Weihnachtsfestes, findet sich für sie alle am besten unter Menschen – und das eint Freikirchen und Mennoniten; und letztlich ja auch die Amtskirchen.

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