Kamphof – immer viel Bewegung im Viertel

Bielefeld. Anlässlich des 100. Geburtstages seines Vaters, Willy&bdquo;Eiche" Haubrock, einem, in den 1960ern und 70ern weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannter Fußballtrainer (westdeutscher Amateurmeister 1971), schrieb sein Sohn Wilhelm 2016 die Geschichte seines Vaters auf, und veröffentlichte sie in einer Monografie. Nun, zu Ehren seiner Mutter Agnes – die in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden wäre, nahm Haubrock junior erneut den Stift in die Hand und verfasste ein Buch über seinen Kiez, das Kamphof-Viertel, ein Buch über sein Elternhaus, seine Kindheit, sein Leben, seine Nachbarn, ein Buch über 125 Jahre Stadtteilgeschichte im Bielefelder Westen. Fast dreihundert Seiten in denen sich viele Überraschungen verbergen – akribisch aufbereitet und unterhaltsam erzählt. Fast dreihundert Seiten, akribisch aufbereitet und unterhaltsam erzählt Wilhelm Haubrock steht vor seinem Elternhaus in der Schmiedestraße. Über jedes Gebäude in seinem Blickfeld kann er etwas erzählen, Emotionen und Erinnerungen sprudeln aus ihm heraus, als habe er die Bewohner dieser Wohnhäuser noch vor seinem geistigen Auge. &bdquo;Hier wohnte einSchreiner, hier ein Glaser, hier ein Polsterer und hier war früher ein Bäcker". Das Kamphof-Viertel, bevor es im zweiten Weltkrieg zerstört wurde, war geprägt von familiengeführtem Handwerksbetrieben. Haubrocks Vater, die Eiche, ein &bdquo;Happy-go-lucky-Typ" war Schneidermeister, jemand der gerne mal mit seinen Jungs um die Häuser zog. Im Gegensatz zur Frau Mama, Bürokauffrau und die &bdquo;Familienmanagerin, die dafür sorgte, dass es wirtschaftlich weiterging". Haubrocks Vater, ein &bdquo;Happy-go-lucky-Typ", war Schneidermeister Sein Viertel, verortet zwischen den (heutigen) Punkten Forum/Neue Börse im Süden, Nordpark-Center und Miele im Osten, blickt auf eine turbulente Vergangenheit zurück. Mit überraschenden Momenten: kaum jemand weiß noch, dass der Siegfriedplatz, heute Sommerhit und Hot Spot vor der Bürgerwache, vor über hundert Jahren noch an der Ernst-Rein-Straße beheimatet war – inklusive Wochenmarkt. Die verlängerte Siegfriedstraße wurde erst viel später nach Ernst Rein benannt (Droop & ReinWerkzeugmaschinenfabrik), folglich hieß der Marktplatz damals auch Siegfriedplatz – &bdquo;Siggi" wohl eher nicht! Der Marktplatz hieß Siegfriedplatz – &bdquo;Siggi" wohl eher nicht! Eine, im wahrsten Sinne einschneidende Zeit erfuhr das Kamphof-Viertel ab dem Beginn der 1980er Jahre, als die Städteplaner nach der Maxime agierten: &bdquo;Hauptsache, der Verkehr fließt". Da wurde dann mal eben eine Stadtautobahn (Ostwestfalendamm) samt Tunnel durchs Viertel gefräst. In dieser Zeit nisteten sich linksalternative Studenten in die, zum Abbruch freigegebenen Häuser ein, das Kamphof-Viertel wurde zur Keimzelle der Bielefelder Antifa-Bewegung (neben dem AJZ an derHeeper Straße), es war die, wie Haubrock es nennt, &bdquo;heiße Phase im Viertel". Die 1980er waren die "heiße Zeit im Viertel" Beliebter Treffpunkt dieser Studenten-Szene war seinerzeit auch Ferdis Pizza Pinte, Wilhelm Haubrocks direkter Nachbar in der Schmiedestraße. &bdquo;Als Ferdi vom Tod meiner Schwester, die den langjährigen Kampf gegen Multiple Sklerose verloren hatte, erfuhr, machte er für drei Tage seine Pinte zu", erinnert sich Haubrock mit Trauer, mit Demut und Achtung. Demut muss Haubrock auch übermannt haben, als er vor knapp zehn Jahren den Keller seines Geburtshauses ausmistete undkistenweise auf Unterlagen stieß, die es ihm ermöglichten zwei Bücher in Gedenken an seine Eltern zu schreiben. Seine Familiengeschichte ist unzertrennbar mit dem Viertel verknüpft, &bdquo;es war immer viel Bewegung hier". &bdquo;Ich bin eher der Typ in der zweiten Reihe", beschreibt sich Wilhelm Haubrock selbst &bdquo;Ich bin eher der Typ in der zweiten Reihe", beschreibt er sich und liefert damit gleichzeitig eine Erklärung, warum es ihn nie in die Kommunalpolitik trieb – das Potenzial dazu hätte er gehabt, sein Interesse an Stadtentwicklung – nicht nur in seinem Kamphof – ist enorm. &bdquo;Konsequent wäre es", sagt Wilhelm Haubrock, &bdquo;wenn ich als nächstes ein Buch über mich schriebe, aber wen interessiert das schon?" Stattdessen redet der Typ aus der zweiten Reihe den Kommunalpolitikern von heute im Nachwort seines Buches ins Gewissen: &bdquo;An der Geschichte des Kamphof-Vietels ist deutlich ablesbar, wie leichtfertig Heimat und gewachsene Geschichte von Politikern und Verwaltungsfachleuten zur disponiblen Masse abqualifiziert werden, von Menschen, die von ihrem eigenen Tun natürlich nicht selbst betroffen sind". Haubrock redet den Kommunalpolitikern im Nachwort ins Gewissen Das Buch &bdquo;Das Kamphof-Viertel, die Schmiedestraße und mein Elternhaus", ist unter anderem bei &bdquo;Kurz um" in der Friedrichstraße oder bei der NW in der Niedernstraße für 16,90 Euro erhältlich (Öffnungszeiten Montag bis Freitag 10 bis 18 Uhr, Samstag bis 14 Uhr) oder online auf nw.de/shop.

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