25 Verwarnungen wegen Corona-Verstößen: Bielefelder Kolleg-Schüler fassungslos

Bielefeld. &bdquo;Tatort Carl-Severing-Berufskolleg" steht auf dem Zettel, den Manuel Kabrayel in seinen Händen hält. Darunter eine Überweisungslastschrift mit der Aufforderung, ein Verwarngeld von 50 Euro zu zahlen. Der 23-jährige Kabrayel wartet am Donnerstag mit vier Mitschülern auf den Beginn der ersten Unterrichtsstunde, als drei Mitarbeiter des Ordnungsamts zu ihnen kommen – und die jungen Männer wegen einer &bdquo;Ordnungswidrigkeit" verwarnen. Der Grund: Sie sollen gegen eine Corona-Regel verstoßen haben. Die besagt, dass sich in der Öffentlichkeit derzeit nur noch Personen aus maximal zwei Haushalten treffen dürfen. Die Schüler bleiben ratlos zurück. Ähnliche Situationen lassen sich derzeit immer wieder beobachten. Schüler Manuel Kabrayel erkundigte sich bei den Mitarbeitern, was er falsch gemacht habe. Schließlich hatten alle fünf Schüler eine Maske getragen – und rund einen Meter Platz zwischen sich gelassen. Der aber soll laut Ordnungsamt nicht ausgereicht haben. &bdquo;Wir hätten weiter auseinander stehen müssen oder maximal zu zweit sein dürfen", bericht Kabrayel. Die Mitarbeiter hätten von den Schülern die Personalausweise verlangt und ihnen anschließend noch mitgeteilt, dass sie das Verwarngeld von 50 Euro innerhalb einer Woche zahlen müssten, ansonsten drohe die volle Summe. Die beträgt nach Bußgeldkatalog 250 Euro. Die Schüler zeigen sich vor allem vom strengen Vorgehen der Mitarbeiter irritiert. &bdquo;Wir sollten sofort zahlen."Das Auftreten des Ordnungsamts führt in der Stadt auch in anderen Situationen aktuell öfter zu fragenden Blicken. &bdquo;Ich soll jetzt 50 Euro zahlen, weil ich vor dem Loom kurz eine geraucht habe", sagt ein Bielefelder. &bdquo;Das ist doch der blanke Hohn." Ein anderer Mann zeigte sich ebenfalls sichtbar überrascht, als er in der Altstadt vom Ordnungsamt auf seine fehlende Mund-Nasen-Bedeckung angesprochen wurde – und prompt 50 Euro zahlen sollte. Der Mann hatte die Maske lediglich unter dem Kinn und wusste offenbar nicht, dass er sie bereits in diesem Bereich der Stadt tragen muss. Ist das Auftreten übertrieben? Ist das Auftreten des Ordnungsamts in diesen Situationen übertrieben? Oder ist es in diesen Zeiten nicht gerade wichtig und angebracht, klare Ansagen zu machen und geltendes Recht umzusetzen? Manuel Kabrayel und seine Freunde betonen, dass sie nicht gegen das Ordnungsamt wettern wollen. Auch ein Lehrer, der lieber anonym bleiben möchte, begrüße es grundsätzlich, dass das Ordnungsamt die Maskenpflicht kontrolliere. In diesem Fall sprechen aber Lehrer und Schüler von einer &bdquo;unfairen Behandlung". Der Grund: Eine Ansammlung von Schülern mit ausreichend Abstand sei auf dem Gelände oft gar nicht zu vermeiden. Und: &bdquo;In den Fluren stehen wir zum Teil mit 20 Schülern zusammen – und in den Klassen sitzen 30 Menschen über Stunden in einem Raum." In der Antwort der Stadt heißt es, dass dem Ordnungsamt Beschwerden vorlagen. In denen werde &bdquo;auf eine arglose Haltung der überwiegenden Anzahl der Schülerinnen und Schüler vor dem Schulgelände" verwiesen. Kontrollen des Ordnungsamtes hätten diese Beobachtungen bestätigt. Es seien persönliche Ansprachen erfolgt, die jedoch keine Wirkung gezeigt hätten. Insgesamt seien im Rahmen der jetzt durchgeführten Kontrolle 25 Verwarnungen erfolgt.Zwischen Schulleitung und Ordnungsamt habe es im Vorfeld ein Gespräch zu den geplanten Kontrollen gegeben. "Wir standen auf dem Schulgelände" &bdquo;Die Kontrollen erfolgten im Bereich vor der Schule auf Verkehrsflächen, Straßen und Gehwegen. Die durchgeführten Kontrollen waren nicht auf den Schulbetrieb gerichtet", heißt es. Beide Punkte weist Manuel Kabrayel zurück: &bdquo;Wir standen definitiv mitten auf dem Schulgelände." Und: Die Schüler seien zuvor noch nie vom Ordnungsamt auf die Einhaltung der Corona-Regeln angesprochen worden, betont der 23-Jährige. Mike Nolte ist Leiter des Carl-Severing-Berufskollegs für Handwerk und Technik und zugleich Sprecher der Bielefelder Berufskollegs. Ihm geht es nicht darum, das Verhalten des Ordnungsamts in diesem konkreten Fall zu kritisieren. Es müsse stattdessen dringend an den geltenden Corona-Regeln für Schulen gearbeitet werden. Einige Aspekte würden sich mit der &bdquo;Realität vor Ort beißen." Laut Nolte sind auf dem Campus des Berufskollegs zu Unterrichtsbeginn innerhalb von 20 Minuten rund 4.200 Schüler unterwegs – so wie an vielen anderen Schulen auch. Dabei komme es zwangsläufig zu &bdquo;unglaublich vielen" Kontakten. &bdquo;Wo soll ich all die Schüler lassen?", fragt Nolte. Die Schulen könnten ebenso wenig gewährleisten, dass sich alle Schüler stets auf dem Schulgelände befinden. Nolte betont, dass die Schulen nach Kräften bemüht sind, die aktuellen Corona-Regeln einzuhalten. &bdquo;Doch irgendwann kommt man einfach an Grenzen". Ziel der Landesregierung sei es, den Präsenzunterricht so lange wie möglich aufrecht zu erhalten. &bdquo;Doch wo sollen all die Schüler hin?", fragt Nolte. An dieser Stelle, so Nolte, fühlen sich die Schulen &bdquo;allein gelassen". Was gilt als öffentlicher Raum? Der Sprecher gibt zu bedenken: Schüler, die auf dem Gelände vom Ordnungsamt verwarnt würden, würden fünf Minuten später mit 25 Schülern in einer Klasse sitzen – und anschließend gemeinsam in Autos, Bussen und Zügen nach Hause fahren – in das gesamte Verbreitungsgebiet. Es müsse erlaubt sein, die Vorgehensweise des Ordnungsamts &bdquo;mindestens in Frage zu stellen", so Nolte. Er wisse aus Gesprächen, dass es diese Probleme an vielen Schulen gibt. Für Unsicherheit sorgt auch die Frage, was denn nun als öffentlicher Raum gilt? Nach Aussagen der Stadt sei das bei Schulhöfen der Fall – laut Corona-Schutzverordnung. Im Falle des Carl-Severing-Berufskollegs kommt aber erschwerend hinzu, dass das Campus-Gelände von einem öffentlichen Weg durchzogen wird, der Teil der Wegeverbindung namens &bdquo;Grünes Band" ist. Dadurch ist eine klare Abgrenzung zum Schulgelände nicht möglich. Das sorgt für weitere Unsicherheit. Während Manuel Kabrayel und seine Mitschüler in den nächsten Tagen das Verwarngeld zahlen werden, hofft Mike Nolte jetzt auf Gespräche mit der Stadt – und auf eine pragmatische Lösung.

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