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Bielefelder Amtsarzt: Zahl der Corona-Infizierten dreimal so hoch wie bekannt

Bielefeld verzeichnet den achten Corona-Toten, der Amtsarzt schätzt die Infizierten-Zahl wegen der enorm hohen Dunkelziffer auf mehr als 2.000 - wie ist die aktuelle Corona-Lage also insgesamt? Zahlen, Daten und Fakten im Überblick.

Ansgar Mönter
12.09.2020 | 12.09.2020, 04:42

Bielefeld. Die Stadt zählt den achten Toten in Bezug auf das Coronavirus. Es handelt sich um einen 76-Jährigen. Er soll keine Vorerkrankungen gehabt haben. Wie ist die aktuelle Corona-Lage insgesamt? Zahlen, Daten und Fakten im Überblick.

KLINISCHE FÄLLE

In Bielefeld waren von März an bis heute – also in sieben Monaten – 106 Menschen wegen eines krankhaften Verlaufs einer Coronainfektion in einem der drei Krankenhäuser – allerdings waren nicht alle davon Bielefelder. Haupt-Ort für Covid-19-Patienten (Corona-Virus Disease, 19 für 2019) ist das Städtische Klinikum. Das zählt seit Ausbruch 68 Betroffene im Haus, darunter aber auch Menschen aus dem Altkreis Halle.

Von den 68 Patienten lagen 25 zeitweise auf der Intensivstation. 28 Covid-19-Patienten behandelte das Evangelische Krankenhaus Bethel (EvKB) bisher. Aktuell liegt dort ein Coronakranker. Von den 28 kamen 19 aus Bielefeld, der Rest aus anderen Orten. 10 der 28 Patienten wurden intensiv behandelt, 6 davon mussten beatmet werden, einer davon wurde gar 61 Tage stationär versorgt.

Im Franziskus-Hospital lagen bisher 10 Covid-19-Patienten zur Behandlung, von denen 2 beatmet wurden. Im katholischen Krankenhausverbund, zu dem das Klösterchen gehört, hat die Klinik in Rheda-Wiedenbrück die Corona-Hauptarbeit verrichtet. Dort wurden 22 Erkrankte aus der Tönnies-Schlachterei betreut. Realistisch ist, dass von den 106 Klinik-Patienten zwei Drittel aus Bielefeld stammen, also 70.

VERLAUF

Den Höhepunkt der klinischen Fälle registrierten die Krankenhäuser im April. Ab Mai entspannte sich die Lage. Auch zeitweise steigende Infektionszahlen haben daran bisher nichts geändert. Im Klinikum Mitte wurde „die Krisensitzung vor rund sechs Wochen eingestellt", wie Sprecher Axel Dittmar berichtet.

Keines der drei Krankenhäuser war jemals wegen Covid-19-Patienten ausgelastet oder überlastet. Jens-Peter Thiele-Weber, Experte für Infektionsschutz beim Bielefelder Gesundheitsamt, erklärt die andauernd flache Kurve bei klinischen Fällen damit, dass sich „zuletzt offensichtlich vor allem junge Menschen angesteckt haben".

Deren Immunabwehr ist in der Regel stark genug. Die nun acht dem Coronavirus zugerechneten Toten waren im Durchschnitt fast 77 Jahre alt – von 57 bis 93 – und hatten teils schwere Vorerkrankungen.

DUNKELZIFFER

Offiziell zählt die Stadt bisher gut 780 nachgewiesene Coronainfizierte. Allerdings gehen Virologen von einer beträchtlichen Dunkelziffer aus, manche von einem zehnfach höheren Wert.

Amtsarzt Thiele-Weber schätzt nach neusten Studien, dass die Infizierten-Zahl etwa dreimal so hoch sein wird. Demnach hätten sich in Bielefeld bisher gut 2.340 Menschen angesteckt.

EINORDNUNG

In Bezug auf die angenommenen tatsächlichen 2.340 Corona-Infizierten läge die Tödlichkeit des Virus in Bielefeld demnach bei gerundet 0,3 Prozent; die Quote der Infizierten bezogen auf die Stadtbevölkerung von 340.000 läge bei etwa 0,7 Prozent; die Quote der klinischen Fälle – bei bisher etwa 70 Bielefelder Patienten – läge bei 3 Prozent.

Allerdings gibt es unterschiedliche Auffassungen darüber, welche Zahl als Grundannahme Sinn ergibt: die der Infizierten, von denen bis zu 80 Prozent keine oder nur milde bis mäßige atypische Symptome zeigen; oder die der medizinisch zu behandelnden Corona-Erkrankten.

Bielefeld im Vergleich

In den Nachbarkreisen wurden deutlich mehr Coronainfizierte wie -kranke gezählt. „Der Sturm ist an uns vorbeigegangen", so Klösterchen-Geschäftsführer Georg Rüter. Thiele-Weber führt das auf die „deutlich durchgesetzte Quarantäne" in Bielefeld zurück, die das Gesundheitsamt unter hohem Einsatz verordnete. Zudem habe die Stadt wenige bis gar keine Risikobetriebe wie große Schlachtereien.