Tod durch falsches Medikament im Klinikum Bielefeld: Kritik an Pflegenotstand

Bielefeld. Wie konnte das geschehen? Das ist die Frage, die viele Menschen beschäftigt nach dem tragischen Tod des 25-Jährigen Patienten aus dem Klinikum Mitte. Wie berichtet starb er an den Folgen einer Verwechslung bei der Medikamentengabe. Er bekam die Mittel, die eigentlich für seinen Zimmernachbarn vorgesehen waren. Um ihn doch noch zu retten, wurde er schließlich vom Klinikum Mitte in die Neurologie des Johannisstifts verlegt. Doch es war zu spät. Dem Opfer wurde wohl Methadon verabreicht Inzwischen gibt es mehrere Hinweise darauf, was im städtischen Krankenhaus passiert ist. Unter anderem wird berichtet, dass der Mohammad S., vor wenigen Jahren aus Syrien nach Deutschland gekommen, versehentlich 80 Milligramm Methadon erhielt, das als Schmerzmittel für den Krebspatienten neben ihm bereit stand. Das Klinikum selbst kann das aus juristischen Gründen nicht bestätigen, allerdings geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass Methadon eine Rolle beim Tod des Mannes gespielt habe. Über die tiefere Ursache der Tragödie gibt es zudem Spekulationen. Ein Pfleger, der nach eigenen Angaben Mitarbeiter des Klinikums ist, berichtet von &bdquo;Zuständen, die man sich nicht ausmalen möchte". Demnach gebe es keine Hauptnachtwachen mehr auf den Stationen, weshalb es keinerlei Unterstützung von außerhalb mehr gebe für das Personal, auch nicht bei Notfällen. Alles müssten die Mitarbeiter selber machen: Laborgänge, Notfallfahrten und Untersuchungen. Weitere Kürzungen beim Personal stünden noch an. "Das System ist nicht auf Patienten ausgerichtet" Wie weit dieser Bericht aus dem Inneren des Klinikums zutrifft, lässt sich zurzeit kaum verifizieren, die Schilderungen decken sich jedoch mit dem, was Karl-Werner Töpler aus Krankenhäusern allgemein berichtet bekommt. Töpler ist Mitarbeiter des Gesundheitsladens, einem Bielefelder Verein, der sich unter anderem um Patientenrechte und -probleme kümmert. &bdquo;Das ganze Gesundheitssystem ist nicht auf Patienten ausgerichtet", sagt er. Nirgendwo sei so viel eingespart worden wie beim Personal der Krankenhäuser. Die Kliniken würden mit ihrer finanziellen Unterversorgung vor allem von den Bundesländern allein gelassen. Die Konsequenz: Sie müssen oft radikal sparen – und das gehe eigentlich nur beim Personal. &bdquo;Dieses System produziert bei solchen Fällen ganz viele Mitschuldige", sagt Töpler. Die einzelne Klinik und vor allem die Person, die am Ende das Medikament dem falschen Patienten gegeben habe, seien nur die schwächeren Glieder in einer Fehlentwicklungskette, die eher politisch ist. Krankenhäuser, so sein bitteres Resümee, seien inzwischen &bdquo;gefährliche Orte" geworden. "Krankenhäuser sind gefährliche Orte geworden" Tatsächlich passieren gefährliche Verwechslungen oder Fehler bei der Versorgung von Patienten wohl öfter als angenommen in vielen Krankenhäusern, auch wenn sie selten mit dem Tod enden. Das berichten Patienten aus eigener Erfahrung, ebenso eine Fachanwältin für Medizinrecht, die Patienten vor Gericht vertritt. &bdquo;Aber auch ich kenne zwei solcher tödlichen Fälle", sagt die Rechtsanwältin, die nicht mit Namen zitiert werden möchte. Einmal hätte ein Herpes-Patient in einem Krankenhaus ein Medikament bekommen, das seine Krankheit – wie im Beipackzettel als Nebenwirkung genannt – noch verschlimmerte. Er starb daran. Zum anderen habe ein Patient in einer Klinik fälschlicherweise feste Nahrung serviert bekommen, obwohl er noch nicht essen durfte. Die Nahrungsversorgung hatte das Krankenhaus aus Kostengründen einer Fremdfirma übertragen. Auch dieser Mann überlebte nicht. Diese Ereignisse sind schon länger her. Ansprüche auf Schmerzensgeldzahlungen für Angehörige gab es damals noch nicht. Das hat sich inzwischen laut Fachanwältin geändert. Die üblichen Summen liegen bei bis zu 20.000 Euro. Mohammad S. hat einen Bruder. Der lässt sich derzeit anwaltlich beraten. Zugleich muss er die Beerdigung organisieren, die für heute vorgesehen ist – wegen der Obduktion der Leiche einen Tag später als geplant.

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